Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'20 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 12 | 2020 PRAXISWISSEN RECHT Gestaltung von GmbH-Gesellschaftsverträgen Lehren aus der Pandemie D ie Covid-19-Pandemie hat Deutschland weiterhin fest im Griff. Die hohen Infekti- onszahlen erfordern Kontaktbeschränkungen, die viele Lebensbereiche betreffen – auch das Gesellschaftsrecht. Gesellschafterversamm- lungen im klassischen Sinn, also in Form eines physischen Treffens, sind bei einem größeren Gesellschafterkreis kaum möglich – mindes- tens aber unvernünftig. Und ohne Gesell- schafterversammlung können notwendige Beschlüsse nicht gefasst werden. Der Gesetzgeber hat das Problem im Früh- jahr, während der ersten Coronawelle, schnell erkannt: Für Aktiengesellschaf- ten wurde die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung eingeführt, für GmbHs das schriftliche Umlaufverfahren erleichtert. Danach können einzelne Gesellschafter die Beschlussfassung im Umlaufverfahren nicht mehr blockieren. Die zunächst bis Ende 2020 geltende Regelung wurde durch Verordnung nun bis Ende 2021 verlängert. Das (erleichterte) Umlaufverfahren ist al- lerdings nicht immer das Mittel der Wahl. Gerade bei schwierigen Entscheidungen sind Diskussionen der Gesellschafter als Grundlage der Entscheidungsfindung wich- tig. Beschlüsse per Videokonferenz oder die Onlinezuschaltung einzelner Gesellschafter sind in diesen Fällen besser geeignet als ein schriftliches Umlaufverfahren; allerdings setzen virtuelle Beschlüsse oder Kombina- tionen aus Präsenz- und Onlineversammlung eine explizite Zulassung im Gesellschaftsver- trag voraus. Das Covid-19-Gesetz sieht dafür keine Erleichterung vor. Vor diesem Hintergrund sollten GmbH-Ge- sellschafter die gegenwärtige Coronakrise zum Anlass nehmen, ihren Gesellschaftsver- trag auf den Prüfstand zu stellen. Im Rahmen der Modernisierung sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, Beschlüsse auch au- ßerhalb von Präsenzversammlungen, insbe- sondere per Telefon- oder Videokonferenz oder in beliebiger Kombination, zu fassen. Ergänzend sind Detailregelungen zur konkre- ten Umsetzung sinnvoll, beispielsweise eine Regelung über Mindestbeteiligungsquoten für die Beschlussfassung in Video- und Tele- fonkonferenzen oder im Umlaufverfahren per E-Mail, Regelungen zur Art und Weise der Einberufung, Fristen zur Stimmabgabe sowie zum Initiativrecht, das heißt, wer ein solches Verfahren zur Beschlussfassung anstoßen kann. Oder um es mit Winston Churchill zu sagen: Lass niemals eine Krise ungenutzt verstreichen. Barbara Mayer Friedrich Graf von Westphalen & Partner Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs verabschiedet Abmahnmissbrauch verhindern A m 10. September hat der Bundestag das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ verab- schiedet. Es tritt von wenigen Ausnahmen abgesehen voraussichtlich noch dieses Jahr in Kraft, nachdem es im Oktober auch den Bundesrat passiert hat. Ziel des Gesetzes ist es, missbräuchliche Abmahnungen zukünftig zu verhindern. Dieses Ziel soll mit Neuerungen bezogen auf die formale Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen erreicht werden. Dazu werden die Anforderungen erhöht, unter denen Mitbewerber und Wirtschaftsverbände Abmah- nungen aussprechen dürfen. Darüber hinaus werden in das Gesetz nun Regelbeispiele aufgenommen, in denen von einer missbräuchlichen Abmahnung auszugehen ist. Um finanzielle Anreize für Abmahnungen zu verrin- gern, wird der Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Abmahnung im Falle der Beanstandung von Verstö- ßen gegen Informations- oder Kennzeichnungspflichten im Internet oder von Verstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzrecht ausgeschlossen. Umgekehrt steht dem Abgemahnten nun ein Kostenerstattungsanspruch zu, wenn die Ab- mahnung erkennbar unberechtigt war, nicht den forma- len Anforderungen an eine Abmahnung entspricht oder unberechtigterweise ein Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wurde. Schließlich wird für Verstöße im Internet der sogenannte „Fliegende Gerichtsstand“ abgeschafft, das heißt, das Gericht, bei dem Klage er- hoben wird, kann nicht mehr frei, sondern muss am Sitz des Beklagten gewählt werden. Ob die Neuregelungen geeignet sind, missbräuchliche Abmahnungen zu verhindern oder ob sie nicht Abmah- nungen, die zur Beseitigung von Wettbewerbsverstö- ßen bedeutsam sind, erschweren, bleibt abzuwarten. Denn entgegen des verbreiteten Eindrucks in der Öf- fentlichkeit sind missbräuchliche Abmahnungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme, der schon heute mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Rechtspre- chung begegnet werden kann. Anne Bongers-Gehlert Friedrich Graf von Westphalen & Partner Anforderungen, Abmahnungen auszusprechen werden erhöht GmbH-Gesellschafter sollten den Gesellschaftsvertrag modernisieren, um Be- schlüsse auch im Wege von Telefon- und Videokonferenzen fassen zu können. Bild: Tera Vector – iStock

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