Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'20 - Extra: 900 Jahre Freiburg

900 Jahre Freiburg Beilage | IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 2 | 2020 4 Jahr 1564 raffte 2.000 Menschen dahin, ein Viertel der Bevölkerung. Damit sicher in Zusammenhang stand ein wirtschaftlicher Niedergang der Stadt mit hohen Preissteigerungen und relativ vielen Armen: 60 Prozent der zünftigen Mitglieder waren von Armut betroffen. Das Bür- ger- und Armenspital (die bis heute bestehende Heiliggeiststiftung), die Gutleutstiftung (sie versorgte Leprakranke), das Blatternhaus (für Pockenkranke) und das Waisenhaus waren frühe Sozialeinrichtungen. Der Dreißigjährige Krieg (ab 1618) brachte eine Hyperinflation, die die Armut weiter verschärfte. Vielleicht natürliche Folgen waren das wirtschaftliche Sich-Abschotten vor fremder Konkurrenz und die Gängelei innerhalb der Zünfte. Goldschmiede und Steinschleifer Mitte des 16. Jahrhunderts stellte ein Chronist fest, dass von den drei wesentlichen Faktoren, die die Stadt groß gemacht hätten – der Silberbergbau, der Safrananbau sowie das Steinschleifergewerbe –, die beiden ersten keinen Gewinn mehr abwarfen und nur noch Steinschleifer und Goldschmiede auskömmlich arbeiten konnten. Diese Gewerbe fertigten ab circa 1500 bis etwa 1800 vor allem für wohlhabende Bürger, den Breisgauer Adel und die Geistlichkeit. Ihre Produkte waren Schmuckstücke, Tafelgeschirr, Prunkgefäße, vor al- lem aber liturgisches Gerät, von dem in der Folgezeit zwar vieles verloren ging oder eingeschmolzen wurde, in fürstlichen Sammlungen aber noch einiges vorhanden ist. Ein Goldschmiedemeister hatte eine vierjährige Lehrzeit sowie zwei Gesellenjahre zu absolvieren, er musste sein Meisterstück innerhalb von drei Monaten fertigen, ehelich geboren sowie verheiratet sein – was wiederum die Grundlage bildete für einen funktionierenden Haushalt, der auch die Lehrlinge zu versorgen hatte. Nicht mehr als fünf Personen durften in der Werkstatt arbeiten. Ähnlich die Vorschriften für die Schleifer. Sie befassten sich mit der Bearbeitung von Kristallen und Halbedelsteinen wie etwa Kalzedonen, Achaten, Jaspisen und Granaten. Um 1600 waren 119 Steinschleifer- und Steinbohrermeister in der Stadt tätig, viele gingen später nach Waldkirch und nach Böhmen. Ganz nebenbei erwähnte ein Zeitgenosse, dass die Habsburger zwar gute, aber auch säumige Kunden waren. Die Goldschmiede und Schleifer waren häufig Nach- barn, etwa in der Konviktstraße. Teure Kriegswirren Seit dem Dreißigjährigen Krieg erlebten die Freiburger immer wie- der Belagerungen und Einnahmen durch fremde und dann wieder die eigenen Truppen in der Gegenbewegung – meist verbunden mit Verwüstungen oder aber hohen Zahlungen, um Zerstörungen zu ver- meiden. Die Wiederaufbauten waren ebenfalls teuer. Diese Zeit der Kriegswirren, die durch die Grenzlage Freiburgs verstärkt wurde, dauerte bis fast Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Schuldenlast der Stadt war um diese Zeit drückend, auch hatte sie französische und später österreichische Garnisonen aufzunehmen. Der Festungsbau verschlang ebenfalls große Summen: Die mehr als 400-jährige vor- derösterreichische Zeit wurde mehrfach durch französische Beset- zungen unterbrochen. Die längste dauerte 20 Jahre (1677-1697). Während dieser Zeit umgab Sébastien Vauban, Festungsbaumeis- ter von Ludwig XIV, die Stadt mit mächtigen Wällen und (Wasser-) Gräben. Die Franzosen zogen zwar wieder ab, überrannten aber noch zweimal in den folgenden Jahren erfolgreich die Stadt und damit ihre eigenen Wälle. Als sie 1744 endgültig abzogen – Freiburg war inzwischen Hauptstadt von Vorderösterreich – sprengten und schleiften sie die Wälle vollständig, auch die starken Befestigungen des Schlossbergs, die sie ebenfalls 50 Jahre zuvor errichtet hatten. Die dadurch gewonnenen Flächen inklusive des davor liegenden mehr oder weniger freien Schussfeldes (Glacis) ermöglichten der Stadt in der Folge ihre Ausdehnung. Noch heute heißt ein Stadtteil nach diesen Flächen: Beurbarung. Savoyarden und Österreicher Aus der Zeit der französischen Besetzungen datiert eine Art Ein- wanderungswelle, deren Mitglieder beziehungsweise wiederum Bilder: Karl-Heinz Raach/Münsterbauverein sowie FWTM/Schwerer Der heutige Münsterladen (links) war jahrhundertelang das Gebäude der Münsterbauhütte. Rechts: Das Historische Kaufhaus am Münsterplatz, ab 1510 gebaut, diente der Erfassung der in die Stadt gebrachten Waren und der Zollerhebung.

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