Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'19 - Hochrhein-Bodensee

2 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 51 Frau Steck-Brill, wir hatten das Interview extra verschoben, um mehr sagen zu können. Jetzt gibt es immer noch „Mehr Fragen als Antworten“ wie schon der WiS- Titel im Mai 2017 lautete ... Ja, die Situation ist sehr verworren, man weiß im Moment eigenlich gar nichts, das zeigt ja auch Mays Plan B. nach dem gescheiterten Misstrauensvotum scheiden neuwahlen als Option vorerst aus. Damit bleiben folgende Möglichkeiten: es gibt keinen austrittsvertrag und kommt zu einem harten Brexit am 30. März. Oder es gibt doch nachverhandlungen an dem abkom- men, was die eU bislang allerdings vehe- ment ablehnt. auch ein neues referendum der Briten über den austritt ist jetzt wieder denkbar. Oder es gibt eine zweite abstim- mung, etwa mit kleineren Schönheitskorrek- turen. auch wenn Theresa May das bislang ablehnt, kann ich mir vorstellen, dass das austrittsdatum verschoben wird. aber das könnte bedeuten, dass Großbritannien an der europawahl teilnehmen müsste. Derart kurzfristig könnte das sportlich werden. Was genau haben die britischen Parlamen- tarier eigentlich abgelehnt und warum? Zur abstimmung standen bislang nur die Scheidungsmodalitäten von der eU und die regelungen für die Übergangszeit. Die Ver- handlungen über das eigentliche Handelsab- kommen, das die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der eU regelt, haben noch gar nicht begonnen. Man rechnet allgemein damit, dass sie mehrere Jahre dauern, und das ergebnis müssen – anders als beim aus- trittsabkommen – alle eU-Staaten ratifizieren. Der Knackpunkt, an dem der jetzige Deal ge- scheitert ist, war wohl die nordirlandfrage. Das abgelehnte austrittsabkommen sagte, dass erst in den Verhandlungen über das Han- delsabkommen eine Lösung für die Grenze zwischen der republik irland und dem zum Vereinten Königreich gehörenden nordirland gefunden werden muss. Bis dahin sollte alles bleiben wie bislang, die Grenze also offen. Und wie könnte eine Lösung Ihrer Mei- nung nach aussehen? Gäbe es künftig eine Zollunion, wäre das ganze Thema vom Tisch. aber die hat May bislang strikt ausgeschlossen, weil sie Tür und Tor für weitere Zugeständnisse öffnet und es am ende einen weichen Brexit gäbe. Den genau wollen die Brexiteers nicht – sie wollen die Grenzen ja dicht machen können. Die beste Lösung wäre natürlich, wenn der Brexit ganz ausfällt. Es heißt, Unternehmen sollten sich vor- sorglich auf einen harten Brexit einstellen. Was genau bedeutet das? Harter Brexit heißt, dass Großbritannien zum Drittland wird und der Handel mit der eU nach den WTO-regeln erfolgt. also: es gäbe wie- der Zollkontrollen und damit voraussichtlich lange Staus vor allem vor dem eurotunnel in Calais. 40 Prozent des gesamten Verkehrs zwischen der britischen insel und dem eu- ropäischen Festland laufen da durch. Das sind mehr als 180 Lastwagen pro Stunde. Just-in-time-Produktions- und Lieferketten wären dadurch gefährdet, und es könnte zu Lieferengpässen kommen. außerdem fiele im Fall eines harten Brexits die Personen- freizügigkeit weg, auch Produktzulassun- gen, Zertifizierungen und Markenrechte. Vor allem müssen Verträge geprüft werden. Davon sind alle Unternehmen betroffen, die Geschäftsbeziehung zu Großbritannien pfle- gen, an erster Stelle die automobilzulieferer, aber auch der Maschinenbau, die Pharmain- dustrie, Transport-, Handels- und Dienstleis- tungsunternehmen. kat Hinweis: redaktionsschluss war der 23. Januar. ZUR PERSON Petra Steck-Brill (57) leitet seit 2008 die „Enterprise Europe Network“-Stelle der IHK Südlicher Oberrhein. Die Poli- tikwissenschaftlerin kam 1992 zur IHK und war bis 2007 für die Vorgängerinsti- tution, das dort angesiedelte Euro Info Centre, zuständig. Steck-Brill hat davor selbst ein Jahr in Schottland gelebt und beschäftigt sich seit 2016 intensiv mit dem Brexit. Petra Steck-Brill, 07821 2703-690 petra.steck@freiburg.ihk.de » Es könnte Engpässe geben « Nachdem das britische Parlament das Abkommen über den EU-Austritt abgelehnt und Premierministerin Theresa May tags drauf das Misstrauensvo- tum überstanden hat, scheint in Sachen Brexit alles wieder offen zu sein. Die Ungewissheit für die Unternehmen dauert damit an. Brexit: Nach dem Scheitern des Austrittsabkommens Bilder: grandeduc - Fotolia/Klaus Polkowski

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