Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar'19 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

1 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 19 Interview mit Stefan Bratzel zur Mobilität der Zukunft Herr Bratzel, wie sieht Ihre Vision von der Mobilität der Zukunft aus? Drei Trends prägen die Zukunft der Mobilität: E-Mobilität, autonomes Fahren und intermodale Mobilitätskonzepte. Künftig wird jeder ein Mobilitätsabo von einem intermodalen Mobili- tätsprovider besitzen, über den Reisen gebucht und abgerechnet werden können. Dies wird auch neue Player aus der IT- und Softwarewelt ins Spiel bringen. Hier stellt sich die Frage: Warum kommen diese in die Mobilitätswelt, und was sind die Geschäftsmodelle, die diese in Zukunft auszeichnen? Wir erleben momentan drei Revolutionen, auf denen die neuen Geschäftsmodelle aufbauen. Die erste Revolution ist die Mobilitäts-Effizienz-Revolution. Im Wesentlichen bauen die Geschäftsmodelle darauf auf, dass das Auto relativ wenig genutzt wird. 95 Prozent seiner Zeit steht es ungenutzt herum. Die Geschäftsmodelle, die künftig entstehen werden, versuchen, die Effizienz zu erhöhen, etwa durch Carsharing oder Fahr- dienste. Die zweite ist die Mobilitäts-Zeit-Revolution. Wir verbringen durchschnittlich vier Jahre unseres Lebens im Auto. Und wenn jetzt die Fahraufgabe entfällt, kann diese Zeit sinnvoll genutzt werden. Das ist der Punkt, auf dem neue Geschäftsmodelle aufsetzen. Die dritte ist die Mobilitäts-System-Revolution. Diese geht von einem anderen Nutzungsmuster aus. Wer ein Auto vor dem Haus stehen hatte, dachte und plante seine Wege mit seinem Auto. Durch mobile Endgeräte und Apps wird die Verkehrsplanung zu einer inter- oder multimodalen Verkehrsplanung. Also eine verkehrsträgerübergreifende Routen- und Mobilitätsplanung. Auch das ist eine Veränderung, die wiederum neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Die angeführten Mobilitätkonzepte lassen sich in der Stadt sicherlich gut umsetzen. Welches Mobilitätsszenarium sehen Sie in ländlichen Regionen? In ländlich geprägten Gebieten wird der private Autobesitz auch künftig noch die Hauptrolle spielen. Aber auch hier werden neue Mobilitätsdienstleistungen, wie Shuttle-on-Demand und längerfristig auch autonomes Fahren eine immer zentralere Rolle spielen. Wo liegt künftig der wesentliche Teil der Wertschöpfung von Automobilherstellern? Die Formel lautet: Mobilität der Zukunft ist gleich Software multipliziert mit Dienstleistun- gen im Quadrat. Die Wertschöpfung liegt künftig im Wesentlichen in der Entwicklung von Dienstleistungspaketen und entsprechenden Softwareanwendungen. Es wird einen Kampf der Welten geben zwischen Autobauern und Big Data Playern wie Google, Apple und Alibaba. Das Rennen wird der machen, der mit attraktiven neuen Geschäftsmodellen die Kun- denschnittstelle besetzt. In einem langfristigeren Zukunftsszenario ist es auch denkbar, ZUR PERSON Stefan Bratzel, geboren 1967, ist Grün- der und Direktor des Center of Automo- tive Management (CAM). Das CAM ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung sowie für strategi- sche Beratung und Bratzel ein von Auto- mobilherstellern, Zulieferern sowie Me- dien viel gefragter Experte zu Themen rund um die Automobilbranche. Sein Expertenwissen fußt darüber hinaus auf vielfältigen beruflichen Stationen unter anderem als Produktmanager bei Smart, als Programm Manager, Product Line Automotive, bei Group3G in Mün- chen und als Leiter Business Develop- ment Automotive bei der PTV-Group in Karlsruhe. Der Professor ist seit 2004 Dozent und Studiengangsleiter für Au- tomotive Management an der privaten Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. » Der globale Handel verändert die Märkte nachhaltig « Die Schlagzeilen zur Zukunft der deutschen Automobilindustrie reißen nicht ab, auf die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg wirkt sich die Diskussion unmittelbar aus. Mit über 700 Zulieferunter- nehmen und rund 60.000 Beschäftigungsverhältnissen ist die Zu- liefererindustrie ein bedeutender Wirtschaftszweig für die Region. Einen unabhängigen Ausblick auf die Zukunft der Mobilität und die Auswirkungen auf die Zulieferindustrie gibt der Automotive- Experte Stefan Bratzel. Der Professor war Gastredner beim jüngs- ten Automotiv-Gipfel in Donaueschingen.

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