Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli'18 - Hochrhein-Bodensee

7+8 | 2018 Wirtschaft im Südwesten 53 STEUERN/RECHT Praxiswissen Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft Wenn der Begünstigte doch erben will I n der Maiausgabe der WiS wurden die gesetzlichen Voraussetzungen und Folgen der Ausschlagung ei- ner Erbschaft dargestellt. Nicht selten kommt es vor, dass der Ausschlagende es sich anders überlegt, etwa dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Nachlass entgegen seiner Annahme doch werthaltig ist. Dann stellt sich die Frage, ob die Ausschlagung rückgängig gemacht werden kann, um doch in den Ge- nuss der Erbschaft zu gelangen. Tatsächlich sieht das Gesetz die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung vor, wobei hierzu eine Vielzahl von sehr differenzierten und teilweise auch widersprüchlichen Gerichtsurteilen vorliegt. So wird allgemein die irrige Annahme über den Wert des Nachlasses nur dann als Anfechtungsgrund anerkannt, wenn ihr eine tatsächlich nicht bestehende Überschuldung zugrunde lag, nicht jedoch bei fehlerhafter Bewertung einzelner Nachlass- gegenstände. Wegen der komplizierten Rechtsfragen im Zusammen- hang mit der möglichen Ausschlagung oder Annahme einer Erbschaft und deren Anfechtung empfiehlt es sich, nach einem Erbfall vorerst keine Handlungen vorzunehmen oder Erklärungen abzugeben, vielmehr zeitnah einen spezialisierten Rechtskundigen zu kon- sultieren. Die Anfechtung kann nur binnen sechs Wochen erfol- gen. Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangsla- ge aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, zu welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfech- tungsgrund Kenntnis erlangt. Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei Beginn der Frist im Ausland aufhält. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind. Die Anfechtung erfolgt durch Erklä- rung gegenüber dem Nachlassgericht. Die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme der Erbschaft. Un- ter denselben Voraussetzungen ist auch die Annahme einer Erbschaft anfechtbar; sie gilt als Ausschlagung der Erbschaft. In Ausnahmefällen ist sogar die Anfech- tung einer Anfechtung möglich, etwa wenn der Erbe unter Drohung eine wirksame Anfechtung erklärt hat. Csaba Láng, Sozietät Jehle, Láng, Meier-Rudolph, Köberle Nachzahlungszinsen Verfassungsrechtliche Zweifel bestehen D er Bundesfinanzhof (BFH) hat erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat beziehungsweise 6 Prozent pro Jahr für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Das geht aus einem Beschluss des BFH vom 25. April hervor. Dagegen hatte der dritte Senat des BFH in seinem Urteil vom 9. November 2017 für den Verzinsungs- zeitraum 2013 keinen Verstoß beim Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr gesehen. Er berief sich auf Daten der Deutschen Bundesbank für kurz- und langfristige Einlagen und Kredite, wonach der Zinssatz innerhalb einer Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte von 0,15 Prozent und 14,70 Prozent liegt. Der neunte Senat des BFH äußert hingegen in seinem Beschluss vom April ernstliche Zweifel bezüglich der Zinshöhe jedenfalls ab dem Jahr 2015. Der Zinssatz sei realitätsfern und würde gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Übermaßverbot verstoßen. Bei der Entschei- dung des neunten Senats handelt es sich zunächst nur um eine vorläufige Entscheidung in einem Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung. Derzeit ist außerdem unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 beim Bundesver- fassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde anhängig, die sich mit der Frage befasst, ob der gesetz- liche Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat nach Paragraf 238, Absatz 1, Seite 1 AO für Verzinsungszeiträume nach dem 31. Dezember 2009 beziehungsweise nach dem 31. Dezember 2011 verfassungswidrig ist. Mit einer Entscheidung des BVerfG wird noch im Laufe des Jahres 2018 gerechnet. Steuerpflichtigen ist zu empfehlen, gegen jede Festset- zung von Nachzahlungszinsen Einspruch beziehungs- weise Widerspruch einzulegen, der ausdrücklich die Zinsfestsetzung selbst angreifen muss. Darüber hinaus sollte zumindest für Verzinsungszeiträume nach 2014 ein gesonderter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung gestellt werden. Da lediglich über die Höhe des Zinssatzes und nicht über die Verzinsung an sich gestritten wird, sind weiterhin Rückstellungen für Zinsfestsetzungen – gegebenenfalls in geringerer Höhe – zu bilden. Hanns-Georg Schell, Bansbach GmbH Rückstellungen sollten weiterhin gebildet werden Eine Anfechtung ist nur binnen sechs Wochen möglich Bild: Erwin Wodicka

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