Wirtschaft im Südwesten
1 | 2018
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Sicherheitsgurtfedern von Kern-Liebers
Strafft sicher
In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte
vor, die viele kennen (hier besser: spüren), von denen aber
wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Dies-
mal: Sicherheitsgurtfedern von Kern-Liebers in Schramberg.
Text: upl, Bild: Kern-Liebers
Das Produkt
Ohne sie würde kein Sicherheitsgurt im Auto straff sitzen, gleichzei-
tig genügend Bewegungsfreiheit ermöglichen und bei Nichtbenut-
zung zurück an die Säule des Autos rollen: die Feder, die im Sicher-
heitsgurtsystem verbaut ist. Jeder der sich anschnallt spürt sie, aber
keiner sieht sie, da sie verdeckt eingesetzt ist. Diese Feder ist
eine sogenannte Triebfeder und sie gehört zur Familie der
Bandfedern. Spezialist und Weltmarktführer bei diesen
(und auch bei anderen) Federn ist die Schramberger
Firma Kern-Liebers. Das Unternehmen begann be-
reits in den Fünfzigerjahren zusammen mit Stahl-
herstellern auf dem Sektor hochfester Stähle zu
forschen sowie ermüdungsfreie Bandstähle mit
hoher Lebensdauer weiterzuentwickeln. Stahl-
lieferant von Kern-Liebers für diese Federn ist
heute die Firma CD Waelzholz in Plettenberg.
Sie liefert Bandstahl auf großen Coils (Rollen)
an. Der Stahl hat eine Dicke von 0,19 bis
0,24 Millimeter. Kern-Liebers schneidet daraus
Bänder in einer Breite von 7 bis 10 Millimeter
und einer Länge von 2,5 bis 4,5 Meter. In den
Arbeitsschritten Rollen, Stanzen, Glühen, Biegen
sowie in der Wärmebehandlung und dem Tau-
chen entsteht die sogenannte MaxiMo-Triebfeder
(
maxi
males Dreh
mo
ment). Das Besondere an einer
solcher Triebfeder ist, dass durch die Kombination von
Rollen und nachfolgendem Rückwickeln die Leistungsdichte
erhöht und die verfügbaren Materialeigenschaften optimal genutzt
werden. Diese Federn werden entweder in Montagehilfen oder in
bereitgestellte Gehäuse gewickelt und dann an den Kunden ausge-
liefert. Sie sind dann einsatzbereit in das Sicherheitsgurtsystem.
Das Unternehmen
Kern-Liebers ist bis heute ein Familienunter-
nehmen, das zwei Familienstämmen gehört,
aber von außerfamiliären Geschäftsführern
geleitet wird. Die Firma verfügt über fünf
nahezu gleichgewichtige Geschäftsbereiche.
Neben den Bandfedern sind das Drahtfedern
und Spezialdrähte, Stanzbiegeteile und schwere
Federn, Stanzteile sowie Teile für Textilmaschi-
nen. Im Geschäftsjahr 2016/17 (30. Juni)
wurde ein Umsatz von insgesamt 727
Millionen Euro erzielt. Ende des
(Kalender-)Jahres 2017 wurden
weltweit 7.800 Mitarbeiter
beschäftigt, darunter knapp
1.500 im Stammwerk in
Schramberg-Sulgen. Die
Investitionen im vergan-
genen Geschäftsjahr
lagen bei 82 Millionen
Euro.
Die Historie
Das Unternehmen geht zurück auf
die Hugo Kern Zugfedernfabrik, die
1888 gegründet wurde und ein Zuliefe-
rer für die Uhrenindustrie war. 1946 wurde
mit dem Aufbau einer Textil-Platinenproduktion
begonnen, und 1965 startete die Herstellung von
Sicherheitsgurtfedern. 1971 fusionierte die Firma
Hugo Kern mit der Platinenfabrik Liebers, bereits ein
Jahr später begann der Aufbau des neuen Werkes
in Sulgen, und wiederum ein Jahr später nahm man
eine Drahtfedernfertigung auf. 1975 gründete Kern-
Liebers erste Firmen im Ausland, und im Jahr 2000
begann man im Inland Firmen zu akquirieren. Die
Geschäftsbereichsorganisation in der heutigen Form
(siehe oben) wurde 2009 eingeführt. Das Unterneh-
men ist ein gutes Beispiel erfolgreicher Anpassung an
weltweit veränderte Marktbedingungen und Märkte.
Diese Entwicklung ist eng verknüpft mit Hans-Jochem
Steim, der die Firma jahrzehntelang führte und kürz-
lich 75 Jahre alt wurde (siehe auch Seite 16).
Die Kunden
Solche Sicherheitsgurtsysteme werden von weltweit fünf großen Herstellern sowie
mehreren Dutzend kleinerer Produzenten, die Nischenmärkte wie Kindersitze, Renn-
wagen oder Rollstuhlsicherungen besetzen, gefertigt. Die Systeme der Kern-Liebers-
Kunden gehen dann an die großen Autohersteller, darunter VW, Mercedes Benz,
BMW und Audi. Kern-Liebers hat bislang über fünf Milliarden Sicherheitsgurtfedern
hergestellt. Die Federn werden an 19 über die ganze Welt verteilten Standorten
(von insgesamt 52 des Schramberger Unternehmens) produziert. Die Produktionen
befinden sich immer in der Nähe der Abnehmer, die ihre Fertigungsstätten wiederum
ebenfalls nahe bei den Produktionen der Automobilhersteller haben.