1 | 2018
Wirtschaft im Südwesten
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Leute
Der Vielseitige
Bernd Dallmann | Freiburgs langjähriger Wirtschaftsförderer verabschiedet
FREIBURG.
Sein Arbeitszimmer im Rotteck-Haus am Rande der
Freiburger Altstadt ist groß, hell und gemütlich. Das Chefbüro im so-
genannten „Kopfgebäude“ auf dem Freiburger Messegelände, einem
der letzten Projekte, das er in der Stadt angestoßen und realisiert hat,
wird er nicht mehr beziehen. Dieser neue Hauptsitz der FWTM (Freiburg
Wirtschaft Touristik und Messe GmbH & Co. KG) wird nämlich erst im
Laufe des Jahres 2018 fertiggestellt sein. Bernd Dallmann (66) aber,
Geschäftsführer dieser städtischen Gesellschaft, ist Ende 2017 in den
Ruhestand gegangen. Er war über 30 Jahre der oberste Wirtschaftsför-
derer der Stadt. Seine Aktivitäten in diesen Jahren könnten ein Buch
füllen. Gefragt nach dem, was ihm am meisten Spaß gemacht hat, was
für ihn am wichtigsten war, antwortet er: „Projekte, die sich von A bis
Z planen und durchführen lassen und das nach Möglichkeit in einem
überschaubaren Zeitraum.“ Dazu zählt er die Landesgartenschau Mitte
der Achtzigerjahre in Freiburg, als deren Direktor seine Tätigkeit für die
Stadt begann, die Realisierung des Konzerthauses, das die Freiburger
schon lange nicht mehr missen wollen, die „Tour de France“- Etappe in
Freiburg im Jahr 2000, die 250.000 Zuschauer anlockte, und schließlich
das Zusammengehen der wirtschaftlich-touristischen Aktivitäten der
bis dahin Freiburg Wirtschaft und Touristik (FWT) genannten Gesell-
schaft mit den Messeaktivitäten im Jahr 2005. Dallmann nennt aber
auch lang dauernde und noch immer anhaltende Initiativen, die weit
über Freiburgs Grenzen hinausgehen, wie das trinationale Bio Valley,
die immer enger werdenden Kontakte zu China und die Vermarktung
Freiburgs als „Green City“.
Der ideenreiche, umtriebige und durchsetzungsfähige Diplom-Volkswirt,
der seine Promotion sozusagen als Nebeneffekt über die Durchführung
der Gartenschau in Freiburg schrieb, stammt aus der norddeutschen
Tiefebene, genauer aus Sauensiek in der Nähe von Buxtehude, wo er
als eines von vier Kindern eines Kies- und Betonwerkbesitzers auf-
wuchs. Warum er nach der Schule nach Freiburg ging? „Um möglichst
weit weg von zuhause zu studieren“, sagt Dallmann, der in mancher
Hinsicht ein Altachtundsechziger ist. Er zog in diesen Jahren nicht nur
in den Süden, sondern trat auch der SPD bei (die er allerdings später
wieder verließ, weil die Freiburger Sozialdemokraten ihn nicht bei der
OB-Wahl 2002 aufstellen wollte). Mit 23 war Dallmann fertig mit dem
Studium, arbeitete kurz an einem volkswirtschaftlichen Lehrstuhl und
wechselte dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum damaligen SPD-
Bundestagsabgeordneten Rolf Böhme. Als Böhme Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium wurde, nahm er Dallmann als persönlichen
Referenten mit nach Bonn. Hier habe er gelernt, wie Politik funktioniert,
sagt Dallmann heute rückblickend auf diese drei Jahre. Mit der Auflö-
sung der SPD/FDP-Koalition ging er als kaufmännischer Leiter eines
pharmazeutischen Unternehmens nach Neuenburg, organisierte aber
nebenberuflich den Wahlkampf Rolf Böhmes als Oberbürgermeister-
kandidat in Freiburg. Dessen Höhepunkt war der Auftritt des gerade ge-
stürzten Exkanzlers Helmut Schmidt auf dem Freiburger Münsterplatz.
Hier besorgte Dallmann ein Schemelchen für den (kleinen) Schmidt
sowie die unvermeidliche Coca-Cola. Böhme gewann die Wahl und holte
nach kurzer Zeit Dallmann als Direktor der Gartenschau nach Freiburg.
1987 übertrug er ihm die Geschäftsführung der Gesellschaft für Kultur,
Tagungen und Ausstellungen Freiburg (KTA), aus der 1990 die FWT wur-
de – erweitert um die Wirtschaftsförderung und das Verkehrsamt. Dall-
mann begann mit drei Mitarbeitern,
heute hat die FWTM 140 Beschäftigte.
Im weitesten Sinne ist sie für die Ver-
marktung der Stadt zuständig. Inzwischen
zählt man fast 1,5 Millionen Übernachtungen
jährlich in Freiburg, 2016 sind an die 3.000 neue Arbeitsplätze entstan-
den, es gibt – zu Dallmanns Missvergnügen – kaum noch verfügbare
Gewerbegrundstücke. Die Lösung dafür sieht er in einer stärkeren
Zusammenarbeit mit den umliegenden Städten und Gemeinden, auch
was die zunehmende Wohnungsnot betritt. Zur Vermarktung von Ge-
werbeimmobilien hat die Stadt zusammen mit der Sparkasse eine Ge-
sellschaft gegründet, deren Mitgeschäftsführer Dallmann ebenfalls ist.
Bei einer von der Sparkasse organisierten Reise kam Dallmann 2004
auch erstmals nach China, das ihn seither fasziniert und anzieht. Das
Land sei voller junger, wissenshungriger, extrem ehrgeiziger Menschen,
ein riesiger Markt auf der Überholspur. Die Chinesen hätten manche
preußischen Eigenschaften, nur seien sie schneller und kurzfristiger
orientiert als die Deutschen. Dallmann ist inzwischen sehr häufig in
China gewesen und das Thema „Green City“, ein Label, mit dem sich
Freiburg ausgestattet hat, zieht mittlerweile Tausende von Chinesen
pro Jahr nach Freiburg, die sich hier anschauen, wie beispielsweise
Abfallbehandlung, alternative Energien und Energieeinsparung, öffent-
licher Nahverkehr und vieles mehr funktionieren können. Freiburg als
Green City hat Dallmann im Jahr 2010 auch auf der Expo in Shanghai
vorgestellt. Das Tagungs- und Kongresswesen befindet sich eben-
falls unter Obhut der FWTM, dazu gehört auch die Verwaltung der
städtischen Immobilien, in denen Veranstaltungen stattfinden, an der
Spitze das 1996 nach neunjährigem Kampf eröffnete Konzerthaus. Die
FWTM ist überdies für den Wochenmarkt auf dem Münsterplatz, die
Frühjahrs- und die Herbstmesse, das Weinfest und den Weihnachts-
markt verantwortlich.
Wirtschaftsförderung besteht für Dallmann nicht nur aus der Ansied-
lung neuer, sondern vor allem aus der Unterstützung bestehender
Unternehmen, bevorzugt aus innovativen Wachstumsbranchen wie
Umwelt- und Kreativwirtschaft, Mikrosystemtechnik oder Gesund-
heitswirtschaft. Für Letztere hat sich ebenfalls ein Dach gefunden,
die Health-Region Freiburg. Und zu den Messen: Über 130 Ausstel-
lungen, Kongresse, Events und Messen ziehen mehr als eine halbe
Million Besucher jährlich an. Einen neuen Standort beim Freiburger
Flugplatz fand die Messe im Jahr 2000. Zu einem Renner hat sich
die Intersolar entwickelt, die inzwischen mit ihren Ablegern weltweit
tätig ist und für die Freiburg zu klein wurde.
Bernd Dallmann hat natürlich eine ganze Reihe von Ehrenämtern
inne, und er betätigt sich als Autor – beispielsweise eines Handbu-
ches der Wirtschaftsförderung oder eines dreisprachigen Bildban-
des über den Oberrhein. Auch sportlich war und ist er unterwegs:
als Fußballer, Radfahrer und Marathonläufer. Er unterstützt den
Freiburg Marathon, der sich starker Nachfrage erfreut. Der Va-
ter zweier erwachsener Töchter lebt im Stadtteil Herdern. Ende
November hat ihn die Stadt bei einem Empfang mit 600 Gästen
verabschiedet. Dallmann wird aber weiterhin beratend und als
Geschäftsführungsmitglied der Freiburg Wirtschaft Immobilien
tätig sein.
orn
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