Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'23 -Südlicher Oberrhein

12 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2023 Frau Winter, Sie trainieren Unternehmer und Führungskräfte im guten Umgang mit Krisen und Risiken. Was raten Sie, wenn plötzlich Krise ist? Nicola Winter: Wenn die Krise auf der Tür- schwelle steht, heißt es tatsächlich schlicht: Atmen. Denken. Tun. Meint: Halten Sie inne, behalten Sie die Kontrolle – analysieren Sie die Situation – ergreifen Sie geeignete – und ich betone geeignete – Maßnahmen. Klingt naheliegend. Grundsätzlich schon. Aber Hand aufs Herz: Statt durchzuatmen neigen viele ganz schnell zu wildem Aktionismus. Die Analyse kommt dann eh zu kurz und am Ende schickt man die getroffene Entscheidung doch wieder in eine weitere Besprechungsschleife und sucht nach Rückversicherung anstatt loszulegen. Wie macht man es besser? 95 Prozent des Krisenmanagements muss vor der Krise stattfinden. In der Fliegerei hat sich der Spruch „proper planning and preparation prevents piss poor performance“ durchge- setzt. Es gilt, alle Eventualitäten im Vorfeld 100-mal durchzudenken, um im Ernstfall nicht kalt erwischt zu werden. Vorbereitung ist alles. Am Himmel haben Sie bei Mach 2 auch keine Zeit für eine weitere Besprechungsschleife. Nehmen sich Unternehmen denn die Zeit, ihre Krisenperformance zu trainieren? Das kann ich nicht gut beantworten, weil ich ja von den Unternehmen eingeladen werde, die sich die Zeit nehmen wollen. Die anderen treffe ich gar nicht. Aber – und da beginnt das Dilemma – mit 45 Minuten Vortrag ist es leider nicht getan. Beim Resilienztraining ist es wie mit der Mitglied- schaft im Fitnessclub. Der Vertrag allein reicht nicht, um Sie fit zu machen. Man muss schon hingehen und auch etwas tun. Das Ganze ist ein Prozess. Es braucht Zeit und Geduld. Wie lange braucht eine gute Abhärtung? Das ist sehr unterschiedlich und hängt auch davon ab, in welcher Verfassung ein Unter- nehmen ist. Steht es gerade gut da oder ist es aufgrund der letzten Krisen ohnehin sehr dünnhäutig. Das ist wie bei uns Menschen. Die Resilienz ist nicht immer gleich. Mit der Bereit- schaft, Krise anzuerkennen und darüber zu reden, ist aber schon mal eine Menge geschafft. Warum? Das Schlimmste, was mir in einem Unternehmen passieren kann, ist, wenn die Mitarbeiter eine Krisensituation wahrneh- men und die Geschäftsleitung noch tut, als wäre alles nor- mal. Bei so einer Diskrepanz in der Wahrnehmung ist der Vertrauensverlust maximal. Wenn dagegen alle einig sind, ‚Ja, das ist jetzt eine herausfordernde Situation und wir gehen das alle gemeinsam an‘, ist schon viel gewon- nen. Ehrlich zu kommunizieren ist das A und O. Ich glaube, das macht oft auch den Unter- schied, warum manche Chefs geliebt werden und andere nicht. Ehrlich und nahbar sein. ‚So ist die Lage und das ist unser Plan.‘ Und wenn es keinen Plan gibt? Wenn die Geschäftsleitung sagt: ‚Ja, die Lage ist mies, wir haben aber auch keinen Plan‘ ist das auf Dauer natürlich fast genauso schlecht, als die Krise zu negieren. Da muss dann schon was kommen. Was wäre ein guter Plan? Das lässt sich nicht allgemeingültig sagen. Ein eher schlechter Plan – gleich in mehrfa- cher Hinsicht – wäre aber, der Mannschaft die Botschaft mitzugeben: ‚Wir müssen uns jetzt einfach mal für ‘ne Zeit am Riemen rei- ßen und durchpowern. Dann wird das schon wieder.‘ Zum einen suggerieren Sie damit schnell, dass die Menschen bisher zu wenig getan haben. Und jetzt sollen sie ranklotzen – um Ihr Unter- nehmen zu retten. Was haben die denn davon? Zum anderen verordnen Sie so qua Befehl, dass für die nächsten Mona- te das Unternehmen wichtiger ist als die restlichen Aspekte im Privatleben der Mitarbei- ter. Das ist unrealistisch und übergriffig. Hätten Sie eine Lösung parat? Mehr, mehr, mehr ist selten die Lösung. Man muss sehen, dass man das anders hinbe- kommt. Mein Ansatz ist immer: Work smarter – not harder. Diese Herausforderung anzuer- kennen und anzunehmen, ist eine Art reinigen- der Prozess. Es öffnet mental die Tür, Dinge jetzt wirklich mal anders zu machen, neues zu denken. Prozesse, Geschäftsmodelle... Und wenn Sie partout nicht umhin kommen zu sagen, wir müssen mehr und härter, dann machen Sie es ganz konkret: für wie lange, was heißt das und was haben die Mitarbeiter da- von. Wenn es einen Zeithorizont gibt und eine » Atmen.Denken.Tun. « Mutig sein, Entscheidungen treffen, Orientierung geben, dabei ruhig bleiben und den Humor nicht verlieren – in wirtschaflich anstrengenden Zeiten ist gute Führung der springende Punkt. Nicola Winter weiß, wie das geht. Als ehemalige Eurofighter-Pilotin der Bundeswehr, Astronautin in Reserve und Dozentin für Krisen- und Notfallmanagement hat sie all das gelernt. Auf dem Sommerempfang der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg erklärte sie, wie man zu mehr Krisenfestigkeit kommt. »Fatal ist, wenn die Mitarbeiter eine Krise wahr- nehmen und die Geschäftsleitung auf Normalität macht« Bild: Adobe Stock/LucPro Multiple Herausforderungen meistern KOPF des Monats

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