Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'23 - Hochrhein-Bodensee

18 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 4 | 2023 REGIO REPORT IHK Hochrhein-Bodensee 17 Erfolgreiche Hilfe zur Selbsthilfe Die IHK-Kümmerer unterstützen Zu- gewanderte auf ihrem Bildungsweg 19 IHK-Wasserstoff Forum Fachleute stellen Stand der Forschung vor 20 Initiative Ausbildungsbotschafter Wichtige Aufgabe an Schulen 22 Gründerzentrum Konstanz Wo Ideen wachsen und gedeihen 24 Ausbildungstandem „TASK“ Studierende helfen Auszubilden- den mit Fluchthintergrund 25 Öffentliche Bekanntmachung Sachverständigenwesen 26 Serie: Unternehmer im Ehrenamt Gudrun Gempp sitzt in der Vollversammlung 27 Fachkräfteeinwanderung Gesetzentwurf vorgelegt 28 Veranstaltungen Wirtschaftsrecht/Zoll- und Arbeitsrecht/Personalentwicklung 30 Lehrgänge und Seminare der IHK INHALT Boniface Mbenge Wara startet im Einzelhandel durch Im Januar 2017 beantragt Boniface Mbenge Wara nach seiner Ankunft in Deutschland Asyl. Der junge Mann aus Kamerun hat sei- ner Heimat den Rücken gekehrt, weil er sich nicht mehr sicher fühlte. Ge- walttätige Auseinandersetzung enzwischen politischen Grup- pierungen sowie Kämpfe um die Herrschaft auf der Straße lassen den damals 20-Jähri- gen, der sein Abitur (Bacca- lauréat Lettre Philosophique) bestanden hat, keine Zukunft für sich erkennen. Obwohl er fließend französisch spricht, entscheidet er sich für Deutschland, weil er hier bessere Perspektiven sieht. Sobald sich die Möglichkeit ergibt, nimmt er an Deutsch- kursen teil. Er will jede Chan- ce nutzen. Sein Ehrgeiz bleibt nicht unbeachtet, und seine ehrenamtliche Deutschlehre- rin unterstützt ihn. Boniface Mbenge Wara würde gern arbeiten, eine Ausbildung absolvieren. „Ich mag den Umgang mit Menschen, ich wollte gern in der Gastronomie im Service anfangen“, sagt der heute 26-Jährige. Das gelingt: Er beginnt ein Vorschaltjahr vor der eigentlichen Ausbildung und pendelt täglich von der Asylunterkunft in Efringen-Kirchen nach Kandern. Doch dann gibt es Differenzen mit dem Ar- beitgeber über Kleinigkeiten, die prekäre Le- benssituation in der Unterkunft, die sprachli- chen Herausforderungen generell und durch den hiesigen Dialekt sowie sein ungeklärter Aufenthaltsstatus setzen ihm zu. Der anvisierte Ausbildungsplatz geht verlo- ren, der hoffnungsvolle Kameruner gerät in eine Abwärtsspirale, sieht keinen Ausweg mehr. „Es war auch psychisch für mich eine sehr schwierige Zeit“, sagt Boniface Mbenge Wara mit ernstem Blick. Doch dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Denn er hat sich aus dieser Krise herausgearbeitet. Mit der Hilfe von Sven Ness. Mit den Basics begonnen Der Kümmerer nimmt sich des Kameruners an, erkennt dessen Talent, die damit verbun- denen Chancen, allerdings auch die Defizite. „Wir haben bei vielen Dingen ganz von vorn angefangen, um ihm eine Ausbildungsstelle zu verschaffen“, blickt Sven Ness zurück. Von der passenden Kleidung für ein Bewerbungs- gespräch über das Verhalten gegenüber po- tenziellen Arbeitgebern bis hin zu konkreten Trainings war alles dabei. Boniface Mbenge Wara strahlt. „Er hat mir wirklich viel gezeigt und mir die Augen geöffnet“, sagt er mit einem warmen Lächeln. Und so kommt es, dass der Kameruner eine zwei- jährige Ausbildungsstelle zum Verkäufer im Lebensmitteleinzel- handel antritt und 2021 – keine vier Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland – erfolgreich abschließt. Die Arbeit im Team, der Umgang mit Kunden – Boniface Mbenge Wara hat Freude an seinem Be- ruf und will diesen ausbauen. Dafür muss er allerdings den Arbeitgeber wechseln, weil sein Ausbildungsbetrieb keine zu- sätzlichen Kapazitäten hat. Mit Unterstützung von Sven Ness gelingt auch das, so dass er sich zum Kaufmann im Einzelhandel weiterbilden kann. Und das nächste Ziel hat er schon im Auge: den IHK-Wirt- schaftsfachwirt. Damit wäre er beruflich am Ziel. Privat ist er es in Weil am Rhein mit Partnerin und kleiner Tochter bereits. Mohammad Madaratys Weg zum Fachinformatiker für Systemintegration Als 26-Jähriger flieht Mohammad Madaraty Anfang 2015 vor dem Bürgerkrieg in Syrien über die Türkei nach Deutschland. Hier will er nicht nur in Frieden leben, sondern sich eine Existenz aufbauen. Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft jobbt er bereits und sucht nach einer Lehrstelle im IT- oder EDV- Bereich. In seiner Heimat hatte er nach der Schulzeit Computer zusammengeschraubt und repariert. Als Autodidakt kümmerte er sich dann um PCs und Offline-Systeme, da es in Syrien kein funktionierendes Internet gab. 2016 startet er mit der Einstiegsqualifikation, absolviert den Sprachkurs erfolgreich und erhält einen Ausbildungsplatz zum Fachin- formatiker für Systemintegration. Doch ein Jahr später scheint der Traum geplatzt. Der einzige Ausbilder wechselt die Arbeitsstelle, für den jungen Syrer fühlt sich keiner mehr zuständig. Anstatt an der IT-Infrastruktur zu arbeiten, muss er Handlangerjobs über- nehmen, Ware ausfahren oder im Lager helfen. „Das habe ich auch gern gemacht, aber irgendwann wollte ich wieder meine ei- »Ich mag den Umgang mit Menschen« Boniface Mbenge Wara, Kaufmann im Einzelhandel, Weil am Rhein

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