Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'23 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

57 3 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten können, holten sich Gründer meist mehr Mitarbeiter an Bord als für den Normalbetrieb nötig. „Traditionell flacht das Interesse mit der Zeit ab, die hohen Perso- nalkosten bleiben.“ Müller empfiehlt daher, Auftrags- spitzen mit Hilfe von Kooperationspartnern abzufedern oder Aufgaben outzusourcen und die entstehenden Kosten einzupreisen, um das Risiko einer finanziellen Schieflage zu minimieren. „Bei uns gab es die Personalstelle schon vor den ersten Mitarbeitenden“, sagt Tabea Seibold und erinnert sich daran, dass dies für viel Verwunderung gesorgt habe. Gemeinsam mit ihrem Mann Michael Ebner-Seibold führt sie die Z24 GmbH, die hinter dem Onlineshop Zahnriemen24.de steht. Ebner-Seibold hat die Platt- form 2009 als Student gegründet – mit 50 Euro Start- kapital aus dem Elternhaus heraus. Seitdem ist viel passiert. 2021 setzte die Firma fast fünf Millionen Euro um und kann regelmäßig jährliche Wachstumsraten zwischen 30 und 50 Prozent für sich verbuchen. Wer glaubt, dass diese Zuwächse auf einem detaillierten Businessplan basieren, irrt. Den hatte das Unterneh- merehepaar nie – ebensowenig wie konkrete Umsatz- oder Gewinnziele. Mitarbeiter als Dreh- und Angelpunkt „Wir wachsen organisch, weil wir uns konsequent damit beschäftigen, welche Charaktere wir brauchen und wie wir uns aufstellen müssen, um als Team mehr leisten zu können als jeder Einzelne“, sagt Seibold. Im Bewerbungsprozess zählen daher nachgewiesene Fähigkeiten mehr als der erlernte Ausbildungsberuf. Wenn ein Kandidat ins Puzzle passt, werden Stellen auch an dessen Potenziale angepasst, erklärt die Ge- schäftsführerin. Heute arbeiten rund 20 Menschen in Freiburg-Lehen daran, Industrietechnik online bereitzu- stellen. Die Hälfte davon kam in den Jahren 2020/2021 dazu. Zur Personalstrategie von Z24 zählt auch, dass Mitarbeiter sich durchschnittlich nur in der Hälfte ihrer Arbeitszeit mit dem Kerngeschäft befassen. Die übrige Zeit fließt in Projektarbeit, um das Unter- nehmen gemeinsam weiterzuentwickeln. Zum Beispiel, indem sie die Chancen von Automatisierungsprozessen ausloten. Personal, das an seiner eigenen Abschaf- fung arbeitet? Keinesfalls, sagt Michael Ebner-Seibold: „Computergestützte Prozesse können Mitarbeitern stupide Wenn-Dann-Aufträge, wie die Rechnungs- korrektur nach einer Retoure, abnehmen und auch schneller bearbeiten als Menschen. Das verschafft unserem Team Zeit, sich mit komplexen Themen zu beschäftigen und Verbesserungspotenziale zu erken- nen.“ Um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, sind bei Z24 zudem viele Prozesse standardisiert. Wissen und aktuelle Bearbeitungsstände werden dokumentiert, Aufträge personenunabhängig bearbeitet, sodass sie jeder fortführen kann. „Es ist nicht gut, wenn es Dinge gibt, die nur ich kann, weil ich der Chef bin. Im Gegen- teil: Wir fördern Mitarbeitende, damit sie die Dinge besser machen als wir“, meint Michael Ebner-Seibold. Von hierarchisch zu crossfunktional organisiert Auch Peter Ziras plädiert dafür, auch und gerade in Wachstumsphasen unternehmerische Vorgänge genau zu beleuchten: „Ein gutes Bauchgefühl ist wichtig. Noch bedeutender ist aber, Kennzahlen abrufen zu können und zu wissen, wo man steht.“ Seinem Anspruch wird der Geschäftsführer der Freiburger Inxmail GmbH mit monatlichen Forecasts und Planspielen gerecht. Das 1999 gemeinsam mit Martin Bucher als Softwarehaus gegründete Unternehmen hat sich über die Jahre zum internationalen E-Mail-Marketing-Spezialisten entwickelt. Hauptsitz ist seit jeher Freiburg, 2009 kam eine Niederlassung in Frankreich hinzu. Nach eigenen Angaben betreut Inxmail heute rund 2.000 Kunden, arbeitet mit 200 Partnern zusammen und beschäftigt etwa 150 Mitarbeitende. Der intensive Blick ins Unternehmen hat dem Diplom- Informatiker geholfen, die passende Organisationsstruk- tur für Inxmail zu finden und effizienter zu arbeiten. „Mit etwa 30 Mitarbeitenden hatten wir einen natürlichen In- formationsfluss. Durch zunehmendes Wachstum muss- ten wir uns räumlich vergrößern. Dies hatte zur Folge, dass wir neue Meeting-Formate und Informationskanäle einführen mussten, um teamübergreifend für Transparenz zu sorgen und über wichtige Aktionen sowie Themen zu informieren“, skizziert der Unternehmer die Problemlage. Er stellte sich zwei zentrale Fragen: Wie sorgen wir für einen einheitlichen Wis- sensstand? Wie strukturieren wir unsere Teams und Prozesse so, dass die betrof- fenen Personen alle wichtigen Informa- tionen erhalten? Sein Lösungsansatz: Weg vom hierar- chisch geprägten Organisationsmo- dell, hin zu Kreisstrukturen nach dem sogenannten Holakratie-Prinzip und eigenverantwortlich handelnden Gruppen und cross- funktionalen Teams. „Wir haben die Regeln des agilen Organisationskonzeptes auf unsere Bedürfnisse ange- passt und mit Elementen von Scrum verknüpft, nach dem unsere Entwicklung bereits arbeitete“, erklärt Ziras. Um die damit verbundenen Vorteile synergieorientier- ten Arbeitens voll auszuschöpfen, hat Inxmail Verant- wortungsgebiete auf fachlicher und disziplinarischer Ebene definiert, Mitarbeitern darin verschiedene Rollen zugewiesen und abteilungsübergreifende Teams gebil- det. „Voneinander lernen, miteinander lernen“ lautet seither die Devise. Um diesen kollaborativen Ansatz in die einzelnen Teams zu tragen und einen professionellen Standard aufzubau- en, bildet das Unternehmen alle Führungskräfte und Product Owner zum Industrial Business Coach weiter. „Sie lernen, andere darin zu bestärken, eigenständig zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen“, sagt Peter Ziras. Dies seien wichtige Eigenschaften auf dem Weg, die Wachstumsziele von jährlich zehn bis 15 Prozent zu erreichen. »Kommen mehrere erfolgskritische Themen parallel auf den Tisch, verzetteln sich viele und es wird hektisch, wenn Entscheidungen getroffen und wichtige Schritte in die Wege geleitet werden müssen«

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