Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 - Hochrhein-Bodensee

7 2 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten titel E s ist schwer zu sagen, wer sich gerade mehr über die Anwesenheit des jeweils anderen freut: Roland Kehrer, technischer Produktionsleiter und Prokurist bei der LSM Matzka GmbH, oder sein neuer Zerspanungs- mechaniker Hasan Makasci. Seit wenigen Tagen erst ar- beitet der Mitdreißiger aus Izmir bei dem Formen- und Werkzeugbauer in Deisslingen. Eine glückliche Fügung? Eine mutige Entscheidung? In jedem Fall eine Novität. Denn Hasan Makasci ist für das 28 Mitarbeiter zählende Unternehmen die erste Fachkraft, die direkt aus dem Ausland kommt. Weil der Betrieb im vergangenen Jahr durch Rente, Job- wechsel und Wegzug dringend Stellen nachzubesetzen hatte, machte sich Roland Kehrer nach den Sommer- ferien per Stellenanzeige und Co. auf die Suche nach Zerspanungsmechanikern, Fräsern und Drehern. Nicht mit dem gewünschten Erfolg. Ein kostenloses Häkchen bei der Jobbörse der Arbeitsagentur brachte die Wende. Über das Portal „Make it in Germany“ wurde das Jobin- serat in die Welt gepostet. „Ich war total baff. Da kamen tatsächlich Bewerbungen aus dem Ausland“, erinnert sich Kehrer, der im Betrieb auch für Personalthemen zuständig ist. Man sichtete, lud zu Onlinegesprächen, Kollegen mit entsprechenden Sprachkenntnissen über- setzten. „Die Qualität der Bewerbungen war ein Stück weit schockierend“, gibt er zu. „Wer sich so alles Zer- spanungsmechaniker nennt und beim Nachbohren doch keine Ahnung hat…“ Dann meldete sich Hasan Makasci. „Er hatte sich mit dem gesamten Prozess nach Deutsch- land zu kommen, bereits intensiv beschäftigt und konnte mir genau sagen, was ich tun muss, damit er kommen darf. Das hat mir extrem imponiert“, sagt Kehrer. Ein Gespräch mit Ramona Shedrach vom Welcome Center Schwarzwald-Baar-Heuberg, das Unternehmen bei der Fachkräfteeinwanderung berät, bestätigte, dass Makasci gut recherchiert und schon die richtigen Dokumente und Vollmachten mitgeschickt hatte. Landrats-amt, Arbeits- amt, Ausländerbehörde waren zu Kehrers großer Freude – und Überraschung – beim beschleunigten Verfahren „superkooperativ“ und hilfsbereit. Kurz vor Weihnachten konnte Hasan Makasci sein Visum im Konsulat in Izmir abholen, keine zwei Wochen später betrat er zum ersten Mal seinen neuen Arbeitsplatz. Weil ihm die Gleichwertigkeit seiner türkischen Ausbil- dung zu 100 Prozent bescheinigt wurde, sind für die Arbeitserlaubnis keine Deutschkenntnisse nötig – brau- chen tut er sie natürlich trotzdem. Ein Onlinesprachkurs von der VHS machte den Anfang, weitere werden folgen. „Mit Englisch, einem türkischsprachigen Kollegen und »Vielleicht schraubt das neue Gesetz die Hürden ja so weit herunter, dass es die Unternehmen einfach mal mit Recruiting im Ausland versuchen« Alexander Graf, IHK Hochrhein-Bodensee Seit wenigen Tagen ergänzt Hasan Makasci (r.) aus der Türkei das Team um Produktionsleiter Roland Kehrer (l.) bei der LSM Matzka. Kollege Daniel Widmann fungiert als Bezugsperson während der Einarbeitung. 10 3,8% 14,6% 15,8% 17,1% 17,6% 31,1% Beabsichtigen Sie zukünftig verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren? (gesamt) Sonstiges Nein, zu aufwändig Nein, kein Bedarf Ja, bei entsprechender Unterstützung Ja, sind schon dabei vielleicht Quelle: Unternehmensumfrage von IHK und HWK im Juli 2022; N=450 Jedes zweite Unternehmen will sich international nach Personal umschauen. Frage: Beabsichtigen Sie, künftig verstärkt Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren? Quelle: Umfrage von IHK Südlicher Oberrhein und HKW Freiburg unter 450 Unternehmern, 7/2022 Bild: Adobe Stock, Markus Mainka

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