Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'23 - Hochrhein-Bodensee

51 2 | 2023 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten durch eigene Erzeugung aufzubessern. So hat zum Bei- spiel die Geschäftsführung der Praxis an der Elz, einer Praxis für Zahnheilkunde in Teningen, Elektromobilität bei ihrem Neubau konsequent mitgedacht: Photovolta- ikanlagen, Solarzäune und eine kleine Windkraftanlage erzeugen vor Ort den Strom für die kostenfreien Lade- möglichkeiten für Mitarbeiter und Patienten. Carsharing spart Kosten Weniger ist mehr, das gilt vor allem für die Zahl der Fahrzeuge auf der Straße. Im Gewerbegebiet Hochdorf betreut die Energieagentur dazu gerade ein Pilotpro- jekt. Die dort ansässigen Unternehmen teilen sich einen Transporterpool, die Buchung erfolgt über die App von Stadtmobil. Durchaus eine große Umstellung für alle Be- teiligten. „Die Fahrzeuge stehen eben nicht mehr einfach auf dem Parkplatz. Die gemeinsame Nutzung erfordert von allen Beteiligten mehr vorausschauende Planung und vor allem viel Kommunikation“, sagt Patrick Spies. Andererseits wird Geld gespart. Er verbucht das Projekt als Erfolg und hofft auf Nachahmer. Bei der Umsetzung hilft die Energieagentur mit Rat und Tat. Teilen hat nicht nur das Potenzial, Logistik klimafreund- lich zu optimieren, sondern auch um Pendelverkehre zu reduzieren. Das frühere Prestigesymbol des Chefpark- platzes habe ausgedient, meint Patrick Spies. Stattdes- sen könnte die erste Reihe Mitfahrgemeinschaften als Parkplatz dienen, schlägt der Mobilitätsberater vor. Ein sichtbares Symbol für eine Zeitenwende. Überhaupt liege ein wesentlicher Hebel, die Klimaemis- sionen eines Unternehmens zu reduzieren, in der Mitar- beitermobilität, sagt Spies. Bei den bisherigen Datener- hebungen im Projekt Zielgerade 2030 habe sich gezeigt, dass zum Beispiel fast 40 Prozent der Mitarbeiter eines Unternehmens im Umkreis zwischen vier und 15 Kilo- meter entfernt vom Arbeitsplatz leben. Eine Distanz, die man nicht zwingend per Auto zurücklegen muss. Laut Umfrage wünschen und wertschätzen Angestellte Angebote wie Leasingräder, die auch E-Bikes für Men- schen in niedrigeren Lohnbereichen bezahlbar machen. Auch Jobtickets und kostenfreier Ladestrom stehen auf der Wunschliste. Homeoffice, Leasingrad, Jobticket Ein Leasingangebot für Fahrräder sei gut, aber auch die Infrastruktur müsse stimmen, mahnt Patrick Spies. Bei den Artemed-Kliniken in Freiburg haben die Betriebsräte ein umfangreiches Mobilitätskonzept – aufbauend auf einer Mitarbeiterbefragung – erarbeitet. Dazu gehören neue sichere Radabstellanlagen an beiden Standorten sowie Fahrradreparaturstationen. „Wir empfehlen, dass Unternehmen und Kommunen möglichst eng zusammen- arbeiten: In Gewerbegebieten werden sichere Radwege benötigt. Lkw-Verkehr wird als gefährlich empfunden und entsprechend trauen sich viele nicht zu radeln“, sagt Spies. Bei den Artemed-Kliniken wurde nach der Befra- gung der Mitarbeiter zudem der Arbeitgeberzuschusses für das Jobticket erhöht. Bei Ikea in Freiburg können Mit- arbeiter ihre Radkilometer in ihrem Fahrradpass eintra- gen und erhalten bei 500 gefahrenen Kilometern einen Gutschein für ein Radgeschäft ihrer Wahl. Umfangreiche Homeofficeoptionen, Leasingräder und Jobtickets sind niedrig hängende Früchte, die aber laut Martin Meurer längst nicht in allen Unternehmen Standard sind. Anreize schaffen Patrick Spies plädiert für einen Ansatz, den man unter Fördern und Fordern zusammenfassen könnte. Ein Bei- spiel: Ein Unternehmen zahlt seinen Mitarbeitern pro Kopf 30 Euro Mobilitätsgeld, gleichzeitig kostet der Firmenparkplatz 30 Euro. Der Mitarbeiter kann selbst entscheiden, was ihm wichtig ist. Der Softwarekonzern SAP bietet seiner Belegschaft laut einem Bericht des Handelsblatts ab April als Alternative zum klassischen Dienstwagenmodell ein Mobilitätsbudget. Berechtigten stehe dann ein monatlicher Betrag zur Verfügung, bei dem sie auswählen können, ob sie mit Verkehrsmitteln wie dem Zug, Scooter, Mietwagen oder etwa einem Taxi fahren wollen. Auch Fahrradreparaturen würden bezahlt. Die Idee käme bei jungen Talenten und Bewerbern gut an, was auch die – nicht näher benannten – möglichen Mehr- kosten rechtfertige, wird der SAP-Flottenchef zitiert. Der Freiburger Ökoversandhändler Waschbär forciert die Nutzung klimafreundlicher Verkehrsmittel bei Dienst- reisen. In seinen Reiserichtlinien hat das Unternehmen klar formuliert, dass Verkehrsmittel nach ökologischen Aspekten gewählt werden müssen. Die Evangelische Kir- che hat sich jüngst auf ein freiwilliges Tempolimit von 100 Stundenkilometern bei Dienstfahrten geeinigt. Auch Kunden und Besucher aktiv aufzufordern, lieber per Bahn statt Auto anzureisen, ist Mobilitätsmanage- ment. Dazu gehört dann auch ein Shuttleservice oder ein Taxiangebot, falls der Anschluss auf der letzten Meile nicht komfortabel ist. „Vorbildfunktion, auch durch die Geschäftsführung, ist wichtig. Man muss nicht mit dem großen SUV vorfahren“, sagt Patrick Spies. Es müsse auf allen Ebenen deutlich werden, dass Mobilität wie sie heute gelebt wird, keine Zukunft hat. db IHK Hochrhein- Bodensee: Heike Wagner 07531 2860-190 heike.wagner@ konstanz.ihk.de IHK Schwarzwald- Baar-Heuberg: Niklas Lehmann 07721 922-414 lehmann@vs.ihk.de IHK Südlicher Ober- rhein: André Olveira- Lenz 0761 3858-260 andre.olveira-lenz@ freiburg.ihk.de Von links: Ein hybrider Laster, ein rein elektrischer Transporter und ein kleines Wasserstoffauto, das vorwiegend privat genutzt wird. Die Belenus GmbH versucht ihren CO 2 -Abdruck auch bei der Logistik möglichst klein zu halten.

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