Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'22 - Hochrhein-Bodensee

48 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 12 | 2022 Themen & Trends Studie zu mobilem Arbeiten Gerne von allem etwas Mobiles Arbeiten und Homeoffice liegen im Trend. Eine große Herausforderung für Unternehmenslenker, wie eine Studie von Great Place To Work und der IHK Südlicher Oberrhein verdeutlicht. H omeoffice und hybrides Arbeiten – vor Corona war das oft nur eine Spielwie- se für bestimmte Beschäftigte in Deutsch- land. Doch die Pandemie hat die Arbeitswelt durcheinandergewirbelt, nur die wenigsten Büroarbeitskräfte möchten heute noch darauf verzichten, von zu Hause aus oder unterwegs arbeiten zu können. Doch wie fühlen sich die Beschäftigten in ihrer aktuellen Arbeitsplatzsituation? Für Unterneh- men ein wichtiger Gradmesser für die weitere Planung. Das Forschungsinstitut Great Place To Work hat zusammen mit der IHK Südlicher Oberrhein Arbeitnehmer in ganz Deutschland befragt, um das herauszufinden. Ein zentrales Ergebnis: Aus Sicht der Mitarbei- ter wäre fast jeder zweite Arbeitsplatz in ihrem Unternehmen remotefähig, also unabhängig von einem bestimmten Standort. Erwartungs- gemäß ist die Quote in der Informations- und Kommunikationsbranche mit 86 Prozent be- sonders hoch, aber selbst im Gesundheits- und Sozialwesen hält ein Drittel der Befragten das mobile Arbeiten zu- mindest teilweise für möglich. Jüngere finden Büro gut, Ältere verzichten gerne Aber: Kaum jemand möchte seinen Ar- beitsalltag nur im Büro oder zu Hause ver- bringen (jeweils 11 Prozent). 18- bis 25-jäh- rige Beschäftigte möchten zwar gerne hybrid arbeiten, 56 Prozent von ihnen wünschen sich aber, dass dabei der Schwerpunkt auf der Präsenz im Büro liegt. Andreas Schubert, Geschäftsführer von Great Place To Work, überrascht das nicht. „Junge Menschen, die in die Arbeitswelt streben, brauchen ein Netzwerk, Austausch und auch einen Schul- terblick. Das alles passiert im Büro.“ Mitarbeiter ab 55 Jahre zieht es dagegen verstärkt ins Homeoffice. 55 Prozent der Be- fragten in dieser Altersgruppe wünschen sich, dass sie vollständig oder hauptsächlich von zu Hause aus oder unterwegs arbeiten können. Das hat einen einfachen Grund. Ältere haben sich über die Jahre bereits ein gutes Netzwerk im Unternehmen aufgebaut, sie kennen sich untereinander und können aus ihrer Sicht auf eine verstärkte körperliche Anwesenheit im Unternehmen verzichten. Chefs stark gefordert Die Chancen des typischen Aufeinan- dertreffens der Kollegen in der Kaffeekü- che, auf dem Gang oder im Besprechungsraum sinken also zunehmend. „Für Führungskräfte ist der Wandel in der Arbeitswelt eine gro- ße Herausforderung“, sagt Schubert. „Sie müssen Begegnung inszenieren, Zeiten und Räume schaffen, wo Führung mit Mitarbei- tern auf persönlicher Ebene stattfindet. Das kann man nicht dem Zufall überlassen, wie in der Vergangenheit. Es muss viel bewusster gesteuert werden.“ Das Arbeitsplatzmodell und die -ausgestaltung sind tatsächlich auch entscheidend dafür, wie zufrieden Beschäftigte mit ihrem Arbeitgeber sind. Der Umfrage zufolge bewerten Mitarbei- ter, die in einem hybriden Arbeitsmodell tätig sind, die Arbeitsplatzkultur in ihrem Unter- nehmen deutlich positiver als Beschäftigte, die nicht remote arbeiten. Das bedeutet aber nicht, dass Führungskräfte die Ausgestaltung des Büroarbeitsplatzes ver- nachlässigen können. Denn fast drei Viertel (74 Prozent) der Befragten kommen ins Büro, um konzentriert arbeiten zu können. „Das bedeutet, dass die Arbeits- platzatmosphäre vor Ort dies auch zulassen muss“, sagt Emmanuel Beule, Referent Digitale Unternehmensentwicklung bei der IHK Süd- licher Oberrhein. „Es geht nicht einfach nur darum, Büromöbel zu kaufen. Man braucht ein Konzept.“ Denn fast genauso wichtig ist den Mitarbeitern laut Studie das Treffen mit den Kollegen (70 Prozent). Auch hierfür müssen die richtigen Räume geschaffen werden. Beule sieht in den Ergebnissen eine wichtige Aufgabenstellung für die Führung in den Unter- nehmen. Denn der verstärkte Wunsch der Be- schäftigten nach Arbeit im Homeoffice rückt angesichts der Energiekrise auch die Frage nach der Kostenverteilung in den Vordergrund. Alle müssen abgeholt werden Die mögliche Sorge von Führungskräften, dass die Mitarbeiter im Homeoffice weniger produk- tiv sind, wird durch die Studie übrigens nicht untermauert. 56 Prozent der Befragten sehen durch die Arbeit zu Hause sogar einen Produk- tivitätszuwachs, weitere 30 Prozent immerhin keine Verschlechterung ihrer Arbeitsleistung. Ein Problem der Remote-Arbeit stellt sich je- doch bei denjenigen dar, die ausschließlich von zu Hause aus arbeiten möchten. Ihnen ermöglicht das Homeoffice, sich noch bes- ser abzukapseln, der Kontakt zu Kollegen und Teamgeist spielen für sie meist eine unterge- ordnete Rolle wie die Umfrage belegt. „Das deutet auch auf ein Rückzugsverhalten dieser Mitarbeitergruppe hin. Die Menschen, die kei- ne Teamplayer sind, gehen durch die Remote- Arbeit noch stärker verloren“, so Schubert. Emmanuel Beule leitet daraus ab, dass die Mitarbeiterführung der Zukunft nicht singu- lär, sondern hybrid erfolgen muss. „Das ist durchaus anstrengend für beide Seiten – Füh- rungsverantwortliche als auch Beschäftigte. Man muss sich um die kümmern, die nach dem klassischen Modell arbeiten wollen, und um die, die neue Arbeitsideen mitbringen. Das kostet mindestens die doppelte Zeit.“ tas DIE STUDIE Great Place toWork und IHK Südlicher Oberrhein ließen im März bundesweit 1.032 Arbeitneh- mer in einer repräsentativen Onlinebefragung zu ihren Erfahrungen rund um das hybride Ar- beiten und ihren Vorlieben zu Wort kommen. DieTeilnehmer arbeiteten Minimum 15 Stunden in der Woche und stammten aus Unternehmen mit mindestens 20 Mitarbeitern. Die Studie ist Teil des Themenjahrs „Business Continuity & Capability Management“ (Umgang mit Krisen und Opportunitäten) der IHK Südlicher Ober- rhein, das 2023 mit verschiedenen Veranstal- tungen und Exkursionen aufwartet. Mehr unter: www.impulsnetzwerk.ihk.de Die Studie gibt es per QR-Code als PDF zum Herunterladen Bilder: Adobe Stock/Golden Sikorka

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