Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe November'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

49 11 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Themen & Trends Boden wie im Rhonetal, aus dem die Traube stammt. Außer im sehr nassen Jahr 2021 ist die Traube sehr gut gereift.“ Auch wirtschaftlich habe sich die Entscheidung bewährt. Der Wein, den Basler im Eichenfass reifen lässt und als opulent-fruchtig mit einem Duft nach Aprikose und Orangenschale beschreibt, sei bislang ein Alleinstellungsmerkmal des Offenburger Weinguts. Ständige Aufmerksamkeit des Winzers gefragt „Ein warmes Frühjahr prägt die phänologische Entwick- lung und hat einen sehr frühen Austrieb zur Folge. Die jungen Triebe entwickeln sich bei gutem Wetter zu- nächst sehr prächtig“, erklärt Geisenheim-Professor Manfred Stoll. „Wenn aber zu den Spätfrösten im April und Mai die Reben schon weit entwickelt sind, erhöht sich in vielen Regionen bei einem Kälteeinbruch das Spätfrostrisiko.“ Die Verfrühung der phänologischen Entwicklung kann sich daher auch nachteilig auswir- ken. So erging es etwa vielen badischen Winzern im vergangenen Jahr. Die wärmeren Temperaturen verfrühen aber nicht nur die Entwicklung des Bestandes, sondern auch die der Begrünungseinsaaten im Weinberg, so Stoll. Eine Be- grünung ist aus ökologischen Gründen sinnvoll, denn sie stabilisiert den Boden, trägt zur Humusbildung bei und fördert die Artenvielfalt. Aber sie kann auch in Wasser- und Nährstoffkonkurrenz zur Rebe treten und spielt deshalb im Wasserhaushalt eines Weinbergs eine wichtige Rolle. „Die Begrünung muss deshalb im Zuge des fortschreitenden Klimawandels überprüft und gegebenenfalls an die neuen Witterungsbedingungen angepasst werden“, sagt Stoll. Pieper-Basler-Chef Jochen Basler setzt nach eigenen Angaben auf „üppige Begrünung“. „Die Durchwurzelung ist für den Boden gut, die Verdunstung ist höher,“ sagt er. Aber er habe am eigenen Leib erfahren, dass, wenn es zu trocken ist, die Begrünung in extreme Wasser- konkurrenz zur Rebe tritt. „Dann muss man rechtzeitig alles niederwalzen.“ Sonnenbrandrisiko wird höher „Unsere Arbeit als Winzer hat sich stark verändert“, sagt der Offenburger. Die Unplanbarkeit sei für ihn eine feste Konstante seiner Arbeit geworden. Früher folgte der Weinanbau einem weitgehenden festen Ablauf; man wusste ziemlich genau, welche Traube wann geerntet werden konnte. „Heute gibt es kaum noch feste Regeln, man muss sehr oft flexibel auf die aktuelle Wetterlage reagieren.“ Beispiel Sonnenstrahlung: Neben der Temperaturer- höhung erkennt die Wissenschaft auch einen Anstieg der Globalstrahlung, wodurch sich das Sonnenbrand- risiko auch für Pflanzen deutlich erhöht. In heißen An- bauregionen führe dies bereits zu massiven Ernteaus- fällen und Qualitätsverlusten. Aber auch in hiesigen Weinbaugebieten treten Sonnenbrandsymptome immer häufiger auf und führten beispielsweise im Jahr 2019 zu schweren Schäden – besonders bei falsch termi- nierten Kulturmaßnahmen und sensiblen Rebsorten, so der wissenschaftliche Experte Stoll. Viele Winzer entblättern etwa ihre Reben, damit die Pflanzen besser belüftet werden und sie sich einfacher gegen verschie- dene Schädlinge und Krankheiten spritzen lassen. „Das muss man sich inzwischen wirklich genau überlegen, ob und wann man das macht“, sagt Basler. Ist die Strahlung zu hoch, drohen die Beeren Sonnenbrand zu bekommen oder die Haut zu verdicken, was das Aroma verändert. Schatten durch Solarmodule Um für mehr Schutz für die Reben zu sorgen, wird man- cherorts mit Agriphotovoltaik experimentiert. Hierbei werden Reben mit einem Systemgestell überbaut, das mit speziellen lichtdurchlässigen Photovoltaikmodulen belegt ist. Die Module erzeugen Strom und sollen zu- sätzlich den Reben Schutz vor Frost, Hagel, Starkregen und eben Sonnenbrand bieten. Eine Vino-Photovoltaik- anlage soll nun auch auf einem Rebstück am Tuniberg entstehen . An diesem Pilotprojekt ist ein Landwirt aus Munzingen beteiligt und wird von der Stadt Freiburg, dem Wein- bauinstitut und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg begleitet. Es soll zum einen getestet werden, wie sich die Solaranlage auf den Weinbau, die Reife und die Qualität auswirkt, und ob der Ausbau von Vino-PV einen sinnvollen Beitrag zur Energieerzeugung und für den Klimaschutz leisten kann. Zum anderen soll erforscht werden, wie die Bür- ger einen solchen technischen Eingriff in die vertraute Kulturlandschaft akzeptieren. Bewässerung benötigt Da die Trauben früher und unter deutlich höheren Tem- peraturen reifen, kann Regen während der Reifephase zu einer wesentlich schnelleren und schadhafteren Ent- wicklung von Traubenfäulnis führen als unter kühleren Bedingungen. Natürlich ist auch das andere Extrem ein Problem: Zuviel Trockenheit. Viele Weinberglagen sind flurbereinigt, die Wege befestigt, wobei Zuleitungen für Wasser und Energie in den wenigsten Fällen vorhanden sind. „Als es 2018 so trocken war, haben wir einfach alles unternommen, um Wasser in die Reben zu bekom- men – egal wie effizient das war“, erzählt Jochen Basler. Inzwischen arbeitet der Betrieb mit einer Tröpfchen- bewässerung, die das Wasser direkt an den jeweili- gen Rebstock bringt. Die neue Ausrüstung war teuer und das Wasser muss immer noch an den jeweiligen Weinberg transportiert werden. Das benötigt Zeit und Treibstoff – der stetig teurer wird. Das Wasser stammt aus dem Frischwassernetz und dem privaten Brunnen der Baslers. Eine Regenwasserauffangstation gibt es bislang nicht. „Das sind einfach zu große Kosten. So etwas wäre nur gemeinschaftlich zu stemmen oder als öffentliche Investition denkbar“, sagt Basler. Die regelmäßige Wasserzufuhr ist wichtig, denn Trockenstress mindert nicht nur die Menge der Ausbeu- »Die Züchtung neuer Unterlagen geht nicht über Nacht, sondern bedarf langjähriger Forschung« Manfred Stoll Hochschule Geisenheim

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