Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'22 - Hochrhein-Bodensee

54 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2022 Praxiswissen Azubimarketing Mit Auslandsangeboten punkten D as letzte Mal Englisch gesprochen hatte Luca Fröhlin vor vier Jahren in der Schule. Kein Wunder also, dass er vor seinem Aus- landspraktikum ein wenig aufgeregt war, wie gut die Verständigung klappen würde. „Aber nach ein paar Tagen war ich dann wieder drin“, erzählt der 20-Jährige, der gerade im zweiten Lehrjahr eine Ausbildung zum Bauzeichner im Architektenbüro Lentz Frings Partner in Schliengen absolviert. Sein Chef, Hajo Frings, ist überzeugt, dass genau solche Selbsterfah- rungen Auslandsbesuche so wertvoll machen. Der Architekt ermutigt alle seine Auszubilden- den, den Blick jenseits der Landesgrenzen zu wagen. Um dies zu ermöglichen, nutzt sein Büro die Infrastruktur von Go.for.Europe, einem Gemeinschaftsprojekt der baden-württembergischen Wirtschaft, an dem auch die Industrie- und Handelskam- mern beteiligt sind. Zwei- bis dreimal im Jahr werden über das Programm vierwöchige Auslandspraktika für Azubis verschiedener Berufsrich- tungen in europäischen Mit- gliedstaaten durchgeführt. Die Nachwuchskräfte müs- sen in Baden-Württemberg wohnhaft sein und sich mit Motivationsschreiben und einem Lebenslauf bewerben. „Wir schauen nicht so sehr auf die Noten, sondern wollen insbesondere jene Azubis fördern, die durch den Ausland- seinsatz selbstbewusster werden und ihre Stärken kennenlernen“, sagt Michael Uriot, Projektleiter Go.for.Europe für den Baden- Württembergischen Industrie- und Han- delskammertag (BWIHK) und bei der IHK Südlicher Oberrhein angesiedelt. Entsendet werden bis zu 200 Azubis pro Jahr, aufgeteilt auf die drei Träger Baden-Württembergischer Handwerkstag, Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. (Südwestmetall) sowie die BWIHK. „Meistens können wir drei Viertel der Bewerbungen positiv bescheiden, einem Viertel müssen wir absagen.“ Eine Altersbegrenzung für die Teilnahme gibt es nicht. Die Vorteile liegen für Uriot auf der Hand: Angehende Fachkräfte kommen deutlich ei- genständiger zurück. Zudem bestehe auch die Chance, dass ein solches Angebot Azubis enger an den Betrieb bindet, weil sie wert- schätzen, was ihr Arbeitgeber ermöglicht. „Wenn der am meisten motivierte Azubi die Chance bekommt, sich auf ein Auslandsprak- tikum zu bewerben, fungiert das natürlich auch als eine Belohnung“, sagt Uriot. Go.for.Europe sucht gemeinsam mit der Partnerorganisationen vor Ort einen pas- senden Praktikumsplatz und kümmert sich um Versicherungen, Tickets für Hin- und Rückreise und die Unterkunft. Arbeitgeber Hajo Frings empfindet die Organisation über Go.for.Europe als „sehr rund“. Ein Rund-um- Sorglospaket sozusagen. Firmenseitig wird das Auslandspraktikum gehandhabt wie eine überbetriebliche Ausbildung, das heißt Azubis dürfen hierfür keinen Urlaub nehmen. Sie sind weiter sozialversichert und erhalten Lohn. Die Lehrlinge müssen lediglich einen kleinen Eigenanteil erbringen, der sich je nach Land zwischen 50 und 250 Euro be- wegt. Für teilnehmende Unternehmen fallen keine Kosten an. Wertvolle Lebenserfahrung „Wir empfehlen das allen unseren Azubis, weil das Lebenserfahrung bringt, den Ho- rizont erweitert und selbstständig macht. Alle, die bisher teilgenommen haben, haben wirklich profitiert“, sagt Hajo Frings. Die Aus- zubildenden, die bei ihm im Architektenbü- ro anfingen, haben in der Regel die mittlere Reife oder ein Fachabitur. „Die sind relativ jung und haben es in der Schule oft nicht einfach gemacht bekommen, ins Ausland zu gehen. Im Studium ist es relativ leicht, ein Auslandssemester zu machen und das fehlt hier halt total“, sagt Frings. Er habe den Ein- druck, dass man dann nach der Ausbildung schnell in die Berufstätigkeit „hineinrutscht, damit nur noch über begrenzten Urlaub ver- fügt und sich dann in einem System befindet, Vanessa Bösch an ihrem Ausbildungsplatz bei der Schuler Rohstoff GmbH Sprachen anwenden, sich an einem fremden Ort zurecht- finden: Auslandspraktika ermöglichen jungen Menschen, wertvolle Erfahrungen zu sam- meln. Unternehmen, die solche Vorhaben fördern, können sich im engen Bewerbermarkt mit einem schönen Angebot abheben. Über die Vorteile von Programmen wie „Go.for.Euro- pe“ und „Erasmus+“. »Absolut emp- fehlenswert« Luca Fröhlin Auszubildender im Archi- tekturbüro Lentz Frings Partner, Schliengen

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