Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

Themen & Trends Studien zeigen, dass sich Jobinteressierte mittlerweile stark an Einschätzungen auf Portalen wie Kununu und Glassdoor orientieren. Diesen Trend als Arbeitgeber links liegen zu lassen, wäre also unklug. Richtig eingesetzt, können sich diese Tools aber sogar gewinnbringend in eine Recruitingstrategie einfügen. O b Abendessen, Urlaub oder Elektrogerät – die Generation Internet googelt, bevor sie reserviert, bucht oder kauft. Das gilt in- zwischen auch bei der Jobsuche. Auf Arbeit- geberbewertungsportalen wie Jobvoting oder Glassdoor können Jobsuchende recherchie- ren, wie andere den potenziellen Arbeitgeber sehen. Auch Stellenbörsen wie Stepstone und Indeed haben solche Features integriert. Das im deutschsprachigen Raum wohl bekann- teste Portal ist Kununu. 2013 in Wien gegrün- det, später vom Karrierenetzwerk Xing über- nommen, hat sich die Plattform inzwischen zu einer reichweitenstarken Informationsplatt- form für Jobsuchende entwickelt. Nach Anga- ben des Unternehmens wurden dort bis heute über fünf Millionen Bewertungen hinterlassen und mehr als eine Million Arbeitgeber sind mit einen Eintrag vertreten. All diese Bewertungen von Arbeitnehmern, Bewerbern oder Auszubil- denden sind frei im Netz einsehbar. Nur um selbst eine Bewertung abzugeben, müssen sich Nutzer registrieren. Die Kommentare selbst sind anonymisiert. „Ich höre von vielen Unternehmen, dass sie so ein bisschen ‚Kununu‘-geplagt sind“, sagt Silke Masurat. Sie ist Geschäftsführerin der Zeag GmbH - Zentrum für Arbeitgeberattrak- tivität und leitet das Projekt „Top Job“, das mittelständische Unternehmen auszeichnet, die sich um attraktive Arbeitsplätze bemühen. Die Möglichkeit, anonym zu bewerten, lade insbesondere Menschen ein, „die ein bisschen was zu meckern haben“, so Masurat. „Als Un- ternehmer muss ich Zeit und Geld investieren, um diese Bemerkungen zu managen. Das kann stressig werden“, sagt Masurat. Gleichzeitig ließen sich die Portale durch ihre enorme Prä- senz schlecht ignorieren. Patricia Winterhalter leitet das Employer Bran- ding bei der Haufe Group, Verlagsgruppe und Beratungsunternehmen zur digitalen Trans- formation in Freiburg. Sie meint: „Auf Kununu vertreten zu sein, empfinde ich als Chance und nicht als Zwang.“ Das Unternehmen hat aktuell 683 Bewertungen, erreicht vier von fünf möglichen Sternen, und eine Weiteremp- fehlungsrate von 94 Prozent. Offenbar sind sowohl die Beschäftigten als auch Personen in Bewerbungsprozessen überwiegend zufrieden mit der Haufe Group. Die Haufe-Mitarbeiter werden in regelmäßigen Abständen gebeten, ihren Arbeitgeber zu bewerten. Aber es gibt auch Einträge, die deutlich Kritik üben. Wie mit so etwas umgehen? Lehrreiches Feedback „Die vielen Kommentare und Rückmeldungen geben uns wichtige Einblicke und Impulse, an welchen Stellen wir intern aufmerksamer hinhören sollten und wo unsere Bewerbungs- prozesse nicht optimal laufen. Wer an seiner Employer Brand und Arbeitgeberattraktivität arbeiten möchte, findet auf Kununu ehrliche Anhaltspunkte, die so möglicherweise in nicht-anonymen Feedbackrunden nicht ge- teilt würden,“ sagt Winterhalter. Die Pflege des Profils sei in das Tagesge- schäft eingebettet. In der Regel nehme die Beantwortung der Bewertungen zwischen ein bis drei Stunden pro Woche in Anspruch. „Wir orientieren uns an der Faustregel: Wer sich für eine Bewertung viel Zeit nimmt und einen ausführlichen Kommentar hinterlässt, bekommt eine ausführliche und reflektierte Antwort von uns“, erklärt Patricia Winterhal- ter das Vorgehen. Arbeitgeberbewertungsportale Das Beste aus anonymen Kritiken machen Bilder: Adobe Stock, rechts: alesmund, unten: Abbasy Kautsar HOW TO KUNUNU & CO. Auf schlechte Bewertungen reagieren: Ob gerechtfertigt oder nicht, Bewertungen sind für die Welt sichtbar. Potenzielle neue Mitarbeiter, aber auch Kunden, können von negativen Kommentaren abgeschreckt wer- den. Deshalb empfiehlt sich, Einträge ernst zu nehmen – und sich als Arbeitgeber auf der Plattform zu Vorwürfen zu äußern. Auch in- tern sollte offen darüber gesprochen werden, wenn Mitarbeiter ihren Unmut online äußern. Als Feedbackangebot eignen sich analoge oder digitale anonyme „Kummerkästen“. Mitarbeiter ermutigen, selbst zu bewerten: Für ein ausgeglichenes Bild werden möglichst viele Bewertungen benötigt. Deshalb sollten Mitarbeiter regelmäßig ermuntert werden zu bewerten – etwa nach dem Jahresgespräch. Auch Bewerber und Praktikanten können um eine faire Bewertung gebeten werden. Druck ausüben verbietet sich, denn sowas spricht sich schnell rum.Auch von einer „Bewertung gegen Entlohnung“ sollte manAbstand neh- men. Das ist zum einen unredlich. Zudem ge- hen Kununu & Co. Hinweisen darauf nach. Nicht alles hinnehmen: Was, wenn ge- kündigte Mitarbeitern auf Portalen unan- gemessen Frust ablassen? Als Arbeitgeber muss man weder Lügen, Beleidigungen noch rechtswidrige Inhalte wie die Preisgabe von Firmeninterna hinnehmen. In einem solchen Fall sollte man die Löschung direkt beim Portal beantragen oder einen auf Reputati- onsrecht spezialisiertenAnwalt beauftragen. Sowohl die Portale als auch ein Rechtsbei- stand prüfen dann, ob die Äußerungen noch zulässig sind oder gelöscht werden müssten.

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