Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

10 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2022 titel Tanzlokal Okay, Donaueschingen Gelassen kommt weiter Wie heißt es in einem legendären Fußbal- lerzitat: „Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu“. So etwas in der Art muss Ralf Bürger gedacht haben, als er sich im April daranmachte, sein frisch auf- gemöbeltes Tanzlokal Okay in Donaueschin- gen nach mehreren Monaten Coronapause wieder zu öffnen. Denn die neue LED-Anlage für den kleineren der beiden Dancefloors schwappte immer noch im Container auf den Weltmeeren und der Umbau konnte nicht abgeschlossen werden. Deshalb sind jetzt erstmal nur der Mainfloor und das Restaurant für rund 1.200 Gäste geöffnet. „Aber das passt schon,“ sagt der erfahrene Clubbetrei- ber und merkt an, dass es anfangs sogar ganz gut war, weniger Fläche zu bespielen. „Wir hatten noch nicht wieder genug Mitar- beiter an Bord und zugleich hat uns im April und im Mai die Kundschaft die Bude eingerannt.“ Spannenderweise hauptsächlich die junge Ge- neration. Eine Erfahrung, die Bürger schon im Herbst gemacht hat, wo der Club einige Wo- chen geöffnet war. Ü30-Abende liefen auch da schon nicht mehr gut, deshalb der Umbau des zweiten Dancefloors – der im Laufe des Juli dann in neuem Licht erstrahlen soll. Was bleibt von den vergangenen zwei Jah- ren? „Auf jeden Fall eine neue Gelassenheit“, sagt der Chef von zwölf Festangestellten und rund 40 Aushilfen. „Es gibt manchmal Dinge, die man nicht ändern kann, und dann ist es gut, es einfach so zu nehmen“. Ein Beispiel: „Mein Großhändler kann aktuell Moët Ice, das absolute In-Getränk zurzeit, nur in win- zigen Mengen liefern. Es ist überall ausver- kauft. Früher wäre ich bis in die Schweiz oder nach Stuttgart gefahren, um doch noch etwas aufzutreiben. Heute lass ich es schneller gut sein.“ Auch die Kunden seien verständnisvol- ler geworden. Alle wissen um Lieferengpässe und Preissteigerungen. „Wie sie allerdings re- agieren, wenn ich zum Jahresende den neuen Mindestlohn und meine Einkaufspreise weiter- geben muss, ist ungewiss. Aber schauen wir jetzt erstmal, wie der Sommer wird, und dann kümmern wir uns um den Herbst.“ uh IHK Hochrhein-Bodensee: Alexander Vatovac 07531 2860-135 alexander.vatovac@konstanz.ihk.de IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Daniela Hermann 07721 922-136 hermann@vs.ihk.de IHK Südlicher Oberrhein: Christina Gehri 0761 3858-142 christina.gehri@freiburg.ihk.de nehmen in der Branche auswirken: „Viele der Selbstständigen aus den rund 150 Branchen- zweigen und Tätigkeitsfeldern, sind aufgrund mangelnder Hilfen und der Länge der ein- schränkenden Maßnahmen abgewandert. Ein Großteil wird dauerhaft verloren sein. Für uns bedeutet das, ein hohes Maß an Fachexper- tise verloren zu haben, wenn man bedenkt, dass 42,8 Prozent aller Erwerbstätigen in der Branche selbstständig sind.“ Einen positiven Effekt aber hatte die Pande- mie: Ohne sie wäre sich die Branche ihrer Größe, Wirtschaftskraft und der enormen Ausstrahlungseffekte auf andere Sekto- ren immer noch nicht bewusst gewor- den. Geschweige denn die Politik. Erst während der Pandemie erfolgten diverse Bestandsaufnahmen der Kleinteiligkeit, die in Summe aber ein sehr großes Ganzes er- geben (siehe Grafik Seite 7). Umso wichtiger also, gut darauf aufzupassen. Ulrike Heitze My Kaiserstuhl, Breisach am Rhein Vom Weingut ins Wohnzimmer und zurück Seit Sommer 2020 organisiert „myKaiserstuhl“ Events, sei es auf Weingütern oder digital in den Wohnzimmern der Region. Mit diesem zweigleisigen Ansatz hat es das Team rund um die Gründer Bernd Hau, Max Schneckenburger und Jakob Hau geschafft, sein Veranstaltungskonzept flexibel an die pandemische Lage anzu- passen. „Wir feiern gerne persönlich mit unseren Gästen, aber Infektionsschutz geht vor. Im Winter 2020 haben wir daher erstmals Weinpakete gepackt, Experten eingeladen, den Teilnehmern die Sorten per Livestream vorzustellen und einen DJ gebucht, der mit passender Musik für Partystimmung sorgt“, fasst Max Schne- ckenburger die Idee hinter den Online- weinproben zusammen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich My Kaiserstuhl in der Region etabliert hat. Konnten sie im Sommer 2020 immerhin vier Weinpartys veranstalten, organisieren sie zwei Jahre später rund zehn Mal so viele. Wer möchte, kann nahezu jede Woche ein Event besuchen. Dabei laden die Organisatoren nicht immer nur zu Winzern ein, sondern manchmal auch auf ein Partyboot. Die Nachfrage sei so groß, sagt der 30-Jährige, dass es immer wieder Wartelisten gäbe. „Wir möchten den Kaiserstuhl in Gänze stärker vermarkten, das heißt Freizeit, Wirtschaft und Kultur weit über die Grenzen hinaus bekannt machen. Deshalb bieten wir unseren Kunden verschiedene Partnerangebote.“ Ein Baustein sind die My-Kaiserstuhl-Partys. Dass Weinfeste dieser Tage wegen Sicherheitsauflagen ausfallen, versteht er nicht: „Organisatoren könnten darin auch eine Chance sehen, um mit Kommunen und anderen Akteuren neue Konzepte zu entwickeln und Gästen frische Ideen zu präsentieren.“ Zumal die Ticketverkäufe sowohl bei der Planung helfen als auch Mehrkosten für Sicherheits- dienste auffangen können. ks

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