Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'21 -Südlicher Oberrhein

55 12 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten re von Lebensmitteln, pflanzlichen Produk- ten et cetera benötigen noch bis zum 1. Juli 2022 keine Pflanzengesundheitszeugnisse oder Veterinärbescheinigungen. Ein immer wieder strittiger Punkt ist das Nordirland-Protokoll. Es regelt, dass für Nordirland weiterhin eine begrenzte Zahl von Vorschriften im Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt gelten wird, damit eine har- te Grenze auf der irischen Insel vermieden werden kann. Die EU-Kommission hat im Oktober 2021 erneut Vorschläge vorgelegt, die Anwendung des Nordirland-Protokolls zu erleichtern. Die britische Regierung hat diesen Vorschlag zunächst zurückgewiesen und mit dem Außerkraftsetzen des Protokolls gedroht. Es bleibt also noch ein Stück des Weges, um Einigung zu erzielen. Seit Oktober Entlastung bei Dienstleistungen und Einreise Das Ende der EU-Mitgliedschaft war auch das Ende der Dienstleistungsfreiheit zwischen der EU und dem UK. Folglich kämpfen EU-Un- ternehmen seitdem mit Einschränkungen und Bürokratie, denn die Einreise ins Vereinigte Königreich ist komplizierter geworden. Es sind Qualifikationsvoraussetzungen zu erfül- len und Branchenbeschränkungen zu beach- ten. Hilfreich ist das Portal „Licence finder“ der britischen Regierung, das Auskunft über notwendige Genehmigungen und Lizenzen gibt ( www.gov.uk/licence-finder ). Seit Januar 2021 benötigen EU-Staatsange- hörige zur Ausführung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich in der Regel ein Visum. Von der Visumspflicht ausgenommen sind einfache Geschäftsreisen bis sechs Mo- nate zu bestimmten Zwecken wie etwa für Geschäftsbesuche zu Vertragsverhandlun- gen, Markterkundungsreisen, die Teilnahme an Messen und Schulungen. Auch verkaufs- nahe Dienstleistungen im Rahmen einer kurzen Geschäftsreise sind ausgenommen. Zu Letzteren gibt es seit Oktober 2021 zwei Erleichterungen: Unter die Ausnahmeregelung fielen bislang nur Mitarbeiter des Herstellers oder Lieferanten der zu installierenden oder reparierenden Gegenstände. Nunmehr zählen dazu auch Mitarbeiter ausländischer Gesell- schaften, die im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung Kundendienstleistungen wie Montage- oder Garantieleistungen erbrin- gen. Die Vereinbarung muss jedoch zum Zeitpunkt des Verkaufs oder der Vermietung der Ware getroffen worden sein. Bislang galt die Ausnahme nur für „equipment, compu- ter software or hardware“, jetzt gilt sie zu- sätzlich auch für „machinery“. Die Einreise erfolgt dann als „Standard Visitor“ über die sogenannte „Besucher-Route“. Für alle übrigen Geschäftsreisen und für sol- che über sechs Monate Dauer gelten neue Regeln: Basierend auf einem Punktesystem wird anhand von Faktoren wie Fähigkeiten, Sprachkenntnisse, Höhe des Einkommens, et cetera über ein Visum entschieden. In zahl- reichen Fällen ist eine „Sponsorship Licence“ des britischen Auftraggebers erforderlich. Für längerfristige Arbeitsaufenthalte im Ver- einigten Königreich kommt das sogenannte „Skilled Worker Visa“ in Betracht. Sozialversicherungsrechtlich bleibt der ent- sandte Arbeitnehmer weiterhin im Heimat- land versichert. Voraussetzung ist allerdings, dass der Auslandseinsatz nicht länger als 24 Monate dauert und der Arbeitnehmer nicht einen anderen bereits entsandten Mitarbei- ter ablöst. Die A1-Bescheinigung kann bis auf weiteres auch im Vereinigten Königreich verwendet werden, ebenso die Europäische Krankenversicherungskarte. Ebenfalls neu seit Oktober 2021 ist, dass alle Reisenden - bis auf wenige Ausnahmen - zur Einreise in das Vereinigte Königreich einen Reisepass mit sich führen müssen. Nur mit Personalausweis einreisen dürfen noch In- haber einer Grenzgänger-Erlaubnis („Fron- tier Worker Permit“) oder des sogenannten „Settled Status“. Allerdings wird auch dieses Privileg voraussichtlich Ende 2025 auslaufen. Verträge und Forderungen Der Brexit wirkt sich auch auf die vertrags- rechtlichen Beziehungen aus. Gerichtsstand und anwendbares Recht in den Verträgen sollten dringend überprüft und gegebenen- falls angepasst werden. Offene Forderungen gegen Schuldner können nicht mehr über das EU-Mahnverfahren beziehungsweise den EU-Zahlungsbefehl eingefordert werden, sondern nur noch über das nationale deut- sche Mahnverfahren oder über das nationale britische Mahnverfahren. toe, psb DREI FRAGEN ZUM UKCA-ZEICHEN... ... an Oliver Kirchwehm, Geschäftsführer der Safetykon GmbH* In der IHK-Beratung werden wir oft zu den neuen Zulassungsvoraus- setzungen gefragt, insbesondere zum UKCA-Zeichen. Die Leute sind verunsichert. Oliver Kirchwehm: Das kann ich so voll bestätigen. Sie sind verwirrt, weil so viele, teils widersprüchliche Informati- onen zur UKCA-Kennzeichnung kursie- ren. In der Praxis zeigt sich dann aber oft, dass die Erweiterung der CE-Doku- mentation auf das UKCA-Zeichen recht unkompliziert umgesetzt werden kann. Letztlich haben sich die gesetzlichen Grundlagen im Vergleich zur CE-Kenn- zeichnung nur wenig verändert. Die CE-Richtlinien wurden ja schon lan- ge vor dem Brexit in britisches Recht umgesetzt. Grundsätzlich sind daher sowohl die technischen Zertifizierungs- anforderungen als auch der Konformi- tätsbewertungsprozess unverändert. Der Teufel steckt im Detail, oder? Bei den Formalien muss einiges geprüft und angepasst werden, etwa bei der Angabe des UK-Importeurs am Produkt oder den Angaben in der Konformitäts- erklärung. Das schließt auch den Do- kumentenbevollmächtigten unter der Maschinenrichtlinie ein. Sobald eine notifizierte Stelle in den UKCA-Prozess eingebunden werden muss, wird es tatsächlich recht kompliziert und auch kostenintensiv. Die bisherigen EU noti- fied bodies werden von UK nicht mehr anerkannt, so dass die Zertifizierung von zwei Instituten – EU notified body und UK approved body – durchgeführt und natürlich auch bezahlt werden muss. Ist für das UKCA-Zeichen eine Nie- derlassung in UK erforderlich? Nein, ein Hersteller muss weder eine Niederlassung in UK gründen noch einen autorisierten Vertreter (au- thorized representative) benennen. Die Formalien für einen deutschen Hersteller sind letztlich die gleichen wie die von einem nicht-europäi- schen Hersteller beim Export in die EU zu beachtenden Anforderungen. Interview: pk * Kirchwehm schult in Seminaren der IHKs Schwarzwald-Baar-Heuberg und Südli- cher Oberrhein zu CE-Zertifizierungen

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