Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Dezember'21 -Südlicher Oberrhein

42 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 12 | 2021 UnterneHmen 200 Jahre Borsi Ein sehr altes Start-up SCHUTTERWALD. noch lässt sich nur erahnen, dass die krakeligen Linien auf der weißen Kunststoffplatte am ende mal eine präzise Geometrie ergeben. Bislang erinnern sie eher an das verzerrte Bild auf einem mo- tiv-Luftballon, das sich erst „geraderückt“, wenn ausreichend Luft drin ist. Am ende des sogenannten tiefziehprozesses wird sich aus der Platte ein gewölbtes Lichtele- ment geformt haben, und entlang der Linien wird sich genau an den vorausberechneten Kanten ein durchscheinendes muster bilden. Um dieses Zusammenspiel der materialien hinzubekommen – und jederzeit reproduzie- ren zu können, ohne Dutzende von neuen Anläufen zu benötigen – braucht es erfah- rung. Selbst heute lässt sich nicht alles am Computer vorausberechnen. Und erfahrung hat die Borsi GmbH & Co KG in Schutterwald eine ganze menge: Seit 1821 ist der heutige Kunststoffverarbeiter in Sachen Farben und Oberflächenbearbeitung unterwegs. Farbe und Oberfläche sind denn auch die Konstanten in der 200-jährigen Firmenge- schichte. Ansonsten war und ist Borsi ein meister im Sich-neu-erfin- den. „Wir sind wohl das älteste Start-up Deutschlands“, umschreibt Peter Breer als geschäftsführender Gesellschafter diesen Umstand augenzwinkernd. Seit 2006 leitet der 54-Jährige das Unternehmen, zu dem er erstmals 1993 nach dem Studium stieß und zu dem der Kontakt nie abriss, auch wenn Breer zwischenzeitlich mal für andere Unternehmen tätig war: „Ich habe auch in dieser Zeit immer mit und für Borsi gearbeitet“, erklärt er seine lange Verbundenheit zum traditionsunternehmen, das vor 200 Jahren unter seinem Gründer Jakob Anton Derndinger mit der Herstellung und Kolorierung von bleigefassten Kirchenfenstern begann. Als im beginnenden 20. Jahrhundert marken immer mehr die Welt eroberten, brachte das Unternehmen seine Farben fortan auch auf Werbespiegeln etwa für Getränke- oder Seifenhersteller auf. rund um den ersten Weltkrieg wuchs das Portfolio um Skalen für radios. etliche Jahre später kamen dekorative Frontscheiben für Spielauto- maten hinzu – bevor sie im monitorzeitalter obsolet wurden. ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre ging Borsi mit der auf- kommenden Kunststoffverarbeitung in die dritte Dimension und fertigte über fast zwei Jahrzehnte Displays und Produktständer für den einzelhandel, bis immer mehr asiatische und osteuropäische Konkurrenz auf den Plan trat. Das Unternehmen suchte wieder nach neuen einsatzfeldern für seine technik und etablierte ende der 1980er ein Verfahren, bei dem nun auch metallisch beschich- Vom Kirchenfenster über die Leuchtwerbung zum Autoschiebedach – die Firma Borsi hat in ihrer Geschichte schon einige Richtungswechsel hingelegt. Der Trick: altes Knowhow laufend in neue Anwendungen einbringen. Oben links: maschine für Siebdrucke von rund drei auf vier metern. Oben rechts: Leuchtwerbung für Fiat-Autohäuser. Unten: Kirchenfenster sind der Ursprung Borsis. Seite 43: tiefgezogene rückwand einer Lkw-Fahrerkabine.

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