Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August '21 - Hochrhein-Bodensee

47 7+8 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Zu Pfingsten konnten die Tourismusbetrie- be teils wieder öffnen. Wie lief’s? Hansjörg Mair: Die Coronaauflagen waren je nach Region noch höchst unterschiedlich, aber dort, wo schon gereist werden durfte, ist es gut angelaufen. Die qualitativ hochwer- tigen Betriebe waren gut ausgelastet. Die Bele- gungszahlen stimmen mich sehr zuversichtlich für den Sommer – zumindest was den klassi- schen Ferientourismus angeht. Wie sehen Sie da die weitere Entwicklung? Der Freizeitbereich wird sich sehr schnell er- holen. Das lassen einige Studien erwarten, und es zeigt sich ja auch schon. Ich denke, dass wir bereits im kommenden Jahr an das Topjahr 2019 anschließen können. Untersuchungen sagen, dass wir 2023 im Leisurebereich schon wieder fünf Prozent über der 2019er-Marke liegen können. Die größere Herausforderung wird der Geschäftstourismus. Was erwarten Sie rund um Geschäftsreisen? Für den Businessbereich sehen Studien nach- haltige Verluste voraus, die man nicht mehr aufholt. Das Arbeitsleben hat sich schlicht ver- ändert. Dass man nicht mehr zu jeder Sitzung gereist ist, hat den Unternehmen Milliarden Euro gespart. Deshalb dürften sie das auch beibehalten. Ich rechne mit künftig rund 20 Prozent weni- ger Geschäftstourismus. Der Schwarzwald ist mehrheitlich nicht davon abhängig, spielt aber in einigen Städten schon eine Rolle. Was bedeutet das für Businesshotels und Stadthotellerie? Hier und da wird es wohl Überkapazitäten an Betten geben. Ich schätze, da ist letztlich die Kreativität der Unternehmer gefragt. Aber der Schwarzwald ist eine sehr starke Marke – und Marken sind die Profiteure der Krise. Marken ziehen? Ja, gerade in Krisenzeiten suchen Menschen Halt und Sicherheit. Sie greifen zu Dingen, die ihnen vertraut sind und denen sie vertrauen. Das finden sie in Marken. Und den Black Forest kennt man rund um den Globus. Apropos weltweit, wann kommen die ausländischen Touristen zurück? Es wird wohl überall eine zentristische Ausdeh- nung des Reiseradius geben: Erst reisen alle lokal, dann regional, schließlich bundesweit – und danach traut man sich wieder nach Europa und später in den Rest der Welt. So werden es die anderen Länder wahrscheinlich auch halten. Vorerst profitieren wir also davon, dass viele Deutsche Urlaub im eigenen Land machen wol- len. Und wenn sich diese dann im nächsten oder übernächsten Jahr wieder zu Fernreisen aufma- chen, begrüßen wir im Umkehrschluss wieder die Gäste aus Übersee. Aber in diesem Jahr wird das wohl noch nicht so sein. Was hat Corona die Tourismusbranche gelehrt? Dass nicht der Schönste gewinnt, sondern der Schnellste. Man hat sich schnell arrangieren müssen mit den Gegebenheiten. Und viele Be- triebe – nicht alle – haben das hervorragend gemacht. Sie haben in der Krise Dinge umge- stellt, die sie schon aus Zeitmangel in einer normalen Saison niemals umgestellt hätten. Um sich auch auf die Zeit danach vorzube- reiten. Denn das wird nötig sein. Nach der Pandemie ist nicht gleich vor der Pandemie. Inwiefern hat sich Reisen dauerhaft verändert? Alles, was man sechs Wochen am Stück macht, daran gewöhnt man sich. Und die Pandemie hat uns ein ganz neues Konsum- verhalten antrainiert. Das bleibt also. Massenveranstaltungen wie etwa Kreuzfahrt- schiffe werden es künftig schwerer haben. Da- gegen boomen Natur und Outdoorsport, soge- nannter Resonanztourismus, weiter. Chalets, Treckingcamps, Tinyhouses oder Urlaub auf dem Bauernhof geht wie geschnitten Brot. Vie- le Gastgeber haben sich auch schon darauf eingestellt, dass Cocooning wichtiger gewor- den ist und ihre Wohlfühl- und Rückzugsorte aufgewertet. Der Tourismus läuft wieder an, aber auch für alle Anbieter? Da wird man schauen müssen. Ich habe noch nirgends von einer großen Insolvenzwelle in der Hotellerie gehört. Bei der Restauration müssen wir abwarten. Ich hoffe, dass die große Solidarität, die sich in den Lockdowns gezeigt hat, anhält. Solida- rität heißt für mich auch, jetzt wieder essen zu gehen und auch hier Urlaub zu machen. Am besten unterstützt man Hotellerie und Gas- tronomie als Gast. Welchen Rat geben Sie den Betrieben für die Zukunft? Nutzen Sie die Marke, wo Sie können. Der Schwarzwald ist eine Weltmarke. Die zieht. – Und schärfen Sie Ihr Profil: Kennen Sie Ihre Zielgruppe? Passt Ihr Produkt? Im Kern geht es um zwei Fragen: Würden Sie selbst bei sich Urlaub machen wollen? Und lässt sich Ihr An- gebot innerhalb von zwei Minuten auf der eige- nen Webseite buchen? Um nicht zwangsweise booking.com reich zu machen. Interview: uh HANSJÖRG MAIR Der gebürtige Südtiroler ist seit 2017 Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG). Sie wird getra- gen von zwölf Landkreisen zwischen Karlsruhe und Lörrach und vertritt laut dem Unternehmen die touristischen Belange von 321 Gemeinden, von denen rund 240 touristisch aktiv sind. IHK-Ansprechpartner für Tourismusthemen: IHK Hochrhein-Bodensee Alexander Vatovac 07531 2860-135 alexander.vatovac@ konstanz.ihk.de IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg Daniela Hermann 07721 922-136 hermann@vs.ihk.de IHK Südlicher Oberrhein Christina Gehri 0761 3858-142 christina.gehri@ freiburg.ihk.de

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