Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August '21 - Hochrhein-Bodensee
8 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2021 TITEL tausch eines Heizkessels. Wenn man den sogenannten CO 2 -Schattenpreis eines Erdgaskessels berücksichtige und mit einem Pelletkessel vergleiche – nicht nur für die nächsten fünf Jahre, sondern über den gesamten Lebenszyklus – dann sei er in keinem Fall mehr die richtige Investition. Lebenszykluskosten findet auch Michael Zierer wich- tig. Der Experte für Umwelt und Energie der IHK Hoch- rhein-Bodensee hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unternehmen in der Region dazu zu bringen, genauer hinzusehen. Denn wenn man die gesamten Kosten, die ein Produkt, eine Maschine oder eine Technologie im Lauf ihres Einsatzes verursacht, betrachtet, ergeben sich ganz andere Rechnungen als etwa die Anschaf- fungskosten suggerieren. „Viele Geräte kosten im Lauf ihrer Nutzung ein Vielfaches ihrer Anschaffungskos- ten“, sagt Zierer. Er sieht das Problem in einem System, das auf Kosten- statt auf Energieeffizienz, auf Gewinn- statt auf Nachhaltigkeitsmaximierung setzt. Deshalb versuchten Firmen, bei Umweltstandards den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Das sei weniger an- strengend und aufwendig, schlicht: menschlich. Zudem denken gerade große, vor allem börsennotierte Unter- nehmen oft in kurzen Zeitspannen und nicht unbedingt an die übernächste Generation. Dabei kommt das Thema von ganz anderer Seite auf die Unternehmen zu. „Der Gesetzgeber ist uninter- essant“, meint Zierer. „Interessant ist, was Kunden verlangen.“ Und zwar sowohl Verbraucher als auch Firmenkunden. Denn wenn beispielsweise die Auto- mobilindustrie grüner werden will, verlangt sie das gleichermaßen von ihren Zulieferern. „Nachhaltigkeit spricht nicht gegen Gewinnmaximierung. Die fördert sie sogar langfristig“, betont Zierer. Zudem sieht der IHK-Experte Klimaschutz aus ganz praktischen Grün- den relevant für die Wirtschaft: Wenn Temperaturen steigen und Dürreperioden zunehmen, dann erschwert das nicht nur die Landwirtschaft und gefährdet die Eigenversorgung. Es betrifft auch viele Unternehmen. „Wasser ist ein zentrales Thema“, sagt Zierer. „Das brauchen alle.“ Vor allem an Hochrhein und Schluch- see, wo Wasserkraft zur Stromgewinnung genutzt wird. Niedrigwasser gefährdet hier die Energieversorgung und die Schifffahrt. D er Rhein spielt auch für den Standort Rhein- felden von Evonik eine wichtige Rolle – al- lerdings nicht als Transportweg, sondern als Kühlwasserlieferant. Das Chemiewerk überwacht die Temperatur des Rheins sowie des entnommenen Kühl- wassers genau und passt gegebenenfalls, wie im heißen Sommer 2018 geschehen, die Produktion an. Evonik beschäftigt in Rheinfelden knapp 1.200 Mitarbeiter und erzeugt vor allem drei Produktgruppen: Wasserstoffper- oxid, das zur Desinfektion und Reinigung beispielsweise von Joghurtbechern oder Leiterplatten genutzt wird. Das auf Silicium basierende Produkt Aerosil, das etwa dafür sorgt, dass Dämmungen in Kühlschränken dün- ner und die Geräte damit effizienter oder Autoreifen Steigerung der Energieeffizienz 39% 38% 13% 10% 19% 21% 17% 42% »Der Drive kommt aus der Belegschaft« Olaf Breuer Evonik Rheinfelden »Nachhaltig- keit fördert Gewinne sogar langfristig« Michael Zierer Referent Umwelt/Energie IHK Hochrhein-Bodensee ENERGIEWENDE- BAROMETER Die IHKs fragen Unternehmen jährlich, wie sie die Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit beurteilen. Im jüngsten „Energiewende-Barometer“ bewerten die Betrie- be sie eher als Herausforderung, denn als Chan- ce. Auf einer Skala von minus 100 („sehr nega- tiv“) bis plus 100 („sehr positiv“) lag der Wert über alle Branchen hinweg 2020 bei minus 2,5. Eher positiv schätzen Bau- (plus 10) und Dienst- leistungsunternehmen (plus 6) dieAuswirkungen der Energiewende für sich ein. Im Handel (minus 4) und vor allem in der Industrie (minus 19) über- wiegt die Skepsis. Sorgen bereiten vor allem hohe Energie- und Stromkosten in Deutschland den energieintensiveren Branchen im internationalen und europäischen Wettbewerb. Die Befragung fand im Oktober 2020 statt. Deutschlandweit haben sich daran 2.599 Un- ternehmen beteiligt – 35 Prozent davon aus der Industrie, 4 Prozent aus der Bauwirtschaft, 16 Prozent aus dem Handel und 44 Prozent aus dem Dienstleistungssektor. wis Bestimmung des CO 2 -Fußabdrucks Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen bereits realisiert geplant keine Maßnahme geplant bereits laufend Quelle: DIHK
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