Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'21 -Südlicher Oberrhein

iHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 4 | 2021 10 titel Mehr zum Thema: Online-Impulsserie „Führen im Wandel. Die neue Normalität" ab 13. April: www.suedlicher- oberrhein.ihk.de ( 4813612) Tagesseminar „Zusammenar- beit und Führung auf Distanz", 14. April in Konstanz & 23. April in Schopfheim www.konstanz.ihk.de ( 143138363) Herr Lohmann, welches Ziel verfolgen Sie als Firmenchef? Es geht nicht darum, maximal Gewinn zu machen, sondern die Überlebensfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Dazu gehört natürlich auch Profitabilität. Und eine Flexibilität in vielerlei Hinsicht – im Geschäftsmodell und von den Mitarbeitern. Die Pandemie hat die Wirtschaft vor gravierende Probleme gestellt. Auf solche Fälle vorbereitet zu sein, ist das Hauptziel. Wie kommunizieren Sie Ihre Ziele, wie moti- vieren Sie Ihre Mitarbeiter? Unter normalen Geschäftsbedingungen haben wir alle sechs bis sieben Wochen Mitarbeiterversammlung, bei der wir uns austauschen und im Hintergrund immer dieses Überlebenssziel mitkommunizie- ren. Während der Pandemie – wir haben immer noch Homeoffice und geteilte Teams – machen wir das durch regelmäßige Youtube-Sessions. Die beiden Geschäftsführer sind abwechselnd alle 14 Tage in einem geschützten Youtube- Kanal, zum Teil als Aufzeichnung, zum Teil live, um in den Dialog zu kommen. Damit kann ich 250 Menschen erreichen. Nutzen Sie Führungstechniken oder -mo- delle wie Lean Management oder Kanban? Klar arbeiten wir seit ewigen Zeiten mit der Me- thode Lean. Was bei uns aber ganz anders ist: Wir haben die Organisation konsequent nach Kundenbedürfnissen ausgerichtet. Wir haben alle Abteilungen abgeschafft und arbeiten mit den drei Kernprozessen Vertrieb, Entwicklung und Produktion. Alle Spezialisten sind, wie man das aus Projektteams kennt, permanent zusammen in einem Raum – heute virtuell. Wir haben deshalb ein ganz anderes Organigramm. Wenn man das konsequent macht, wird so die Werkstromthematik aus der Produktion ins gesamte Unternehmen getragen. Deshalb passt der Lean-Gedanke ganz gut. Beschreiben Sie Ihren Führungsstil. Vari- abel. Die Produktion ist noch recht klassisch hierarchisch strukturiert, die Entwicklung in so- genannten Crews, also als Projektmanagement organisiert, und im Markt arbeiten wir mit einer komplett offenen Netzwerkstruktur, ohne Hierarchie. Aber ich beschäftige mich nur die Hälfte der Zeit mit dem operativen Geschäft. Die andere Hälfte arbeite ich am Unternehmen, und das passiert außerhalb des Unternehmens. Nur da ist der Kopf frei, weil nicht perma- nent einer etwas möchte. Das machen viele Mitarbeiter bei uns. Deshalb hatten wir mit der Umstellung auf Homeoffice kein Problem. Wo parken Sie? Unter dem Fahrraddach, ich komme meist mit dem Fahrrad. Meinen Dienstwa- gen habe ich vor anderthalb Jahren abgegeben. Mit welchen Mitarbeitern duzen Sie sich? Mit allen. weniger karrierefokussiert sind. Gerade im Homeoffice brauche es diese Fürsorge: Wie geht es überhaupt mei- nen Mitarbeitern? Die Mitarbeiter, die Kunden, generell die Menschen in den Fokus zu stellen und damit vor den Prozess, also die technik an die Menschen anzupassen und nicht umgekehrt: Das sei der richtige Schritt auf dem Weg zur Agilität. Darin sieht Zieboll eine grundlegende Vor- aussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. „Wer will denn zurück? Die alte Welt gibt’s nicht mehr.“ in ihrer Vorstellung der neuen Arbeitswelt, neudeutsch: New Work, geht es nicht mehr um Präsenz, braucht es keine Kontrolle, sondern Vertrauen. Da organisieren sich die teams selbst, und die Mitarbeiter machen, was sie wirklich wollen. Dann erschöpft die Arbeit nicht mehr und macht niemanden krank. Dabei sind Chefs laut Zieboll immer auch Vorbilder: Wenn sie der Gesundheit einen hohen Stellenwert bei- messen, sportlich sind, auf sich achten, können sie das entsprechend vermitteln. Umgekehrt gibt eine Füh- rungsperson, die keine Pausen macht und keine limits kennt, ein schlechtes Beispiel ab. Und jemand, der sehr angespannt ist, kann gar nicht wirklich führen. „Deshalb fängt das Seminar immer an dem Punkt an: Wie gehe ich mit mir selbst um“, sagt Zieboll. Überhaupt setzt die Beraterin stets ganz oben an. „ich nehme keinen Auftrag an, wenn die oberste etage nicht sagt: ich will.“ Denn dann sei das betriebliche Gesundheitsmanage- ment (BGM) zum Scheitern verurteilt. Gerade im Zusammenhang einer alternden Belegschaft nimmt das thema Gesundheit zwangsläufig eine pro- minente Rolle für Führungskräfte ein. Und dabei ist es nicht mit Rückenschulungen, entspannungskursen oder Apfeltagen getan, betont Zieboll. Schließlich gehe es bei älteren Mitarbeitern ganz generell um die Motivation, gut zu arbeiten. Denn die wollen nichts mehr erreichen, haben keine Angst mehr. Gleichzeitig kosten sie viel und sind mit ihrem Wissen und ihrer erfahrung äußerst wertvoll. Die Führungskräfte müssen aber gleichzeitig die mittelalten Kollegen im Blick haben, die auf dem Arbeitsmarkt umworben werden, und sich um die Jungen kümmern, die teilweise auftreten, als seien sie die Köni- ge. „Das kann eine große Herausforderung sein, das alles gleichzeitig zu händeln“, sagt Zieboll. Und gerade jetzt in der Pandemie gilt es, die psychischen Auswirkungen der einschränkungen auf jeden einzelnen im Blick zu ha- ben. Das geht laut Zieboll nur mit einer gesamtheitlichen Unternehmenskultur. Kathrin Ermert DETLEF LOHMANN (63) ist seit 1999 geschäftsführender Gesell- schafter der Allsafe GmbH & Co. KG, die auf Ladungssicherung für Nutzfahrzeuge und Flugzeuge spezialisiert ist. Das Unternehmen produziert beispielsweise Sperrelemente wie Schienen oder Stangen – am Hauptsitz in En- gen und in Fürstenwalde an der Spree. Allsafe beschäftigt aktuell etwa 250 Mitarbeiter und hat 2020 rund 57 Millionen Euro umgesetzt, 15 Prozent weniger als 2019. Trotzdem sei man beim Ergebnis „sauber rausgekommen“, sagt Lohmann. Man habe die Krise genutzt, um „Ballast abzuwerfen“ und notwendige Veränderungen umzusetzen.

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