Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'21 -Südlicher Oberrhein

8 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3 | 2021 TITEL Tourismus „Wir waren es gewöhnt, immer wieder von Rekordzahlen zu sprechen“, sagte Hansjörg Mair, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH (STG), Ende Januar auf der Stuttgarter Tourismusmesse CMT online. Nun habe sich die Situation „von Overtourism zu zero Tourism“ entwickelt, spitzte er zu. Für 2020 rechnet er mit rund 30 bis 40 Prozent weniger Ankünften und Übernach- tungen im Schwarzwald (die genauen Zahlen standen Ende Januar noch nicht fest, siehe zum Tourismus auch Kasten Seite 10). Januar und Februar 2020 seien noch sehr gut gelaufen. Nach dem ersten Lockdown war die Branche hoffnungsfroh, der Sommer sehr gut. „Der zweite Lockdown war für uns ein harter Lockdown“, sag- te Mair mit Blick auf die Teilschließungen ab November. Gastronomie, Hotellerie, Campingplatzbetreiber, Klein- vermieter und die Eventbranche bräuchten dringend die staatlichen Hilfen, betonte Mair und kritisierte die schleppende Auszahlung. Er pochte zudem auf zügige Impfungen. Die seien ein psychologischer Anker für die Branche, um wieder planen zu können. Denn die Betrie- be könnten nicht von heute auf morgen aufmachen, sie brauchten Vorlauf und Planungssicherheit. „Ich hoffe, dass möglichst viele Betriebe diese schwieri- ge Zeit überwinden“, so Mair. Angesichts der ausgesetz- ten Insolvenzpflicht gibt es von der STG derzeit noch kei- ne Einschätzung zu möglichen Insolvenzen. Außerdem sind etwa zwei Drittel der rund 12.000 Gastgeber im Schwarzwald im Nebenerwerb tätig, sodass sie im Zwei- felsfall gar nicht Insolvenz anmelden würden. Nichtsdes- totrotz ist Mair zuversichtlich, dass der Schwarzwald als Gewinner aus der Pandemie hervorgeht. „Die Menschen suchen nach Vertrauen, Sicherheit und Nähe“ – all dies biete der Schwarzwald. Und auf den 24.000 Kilometern Wanderwege trete man sich nicht auf die Füße. Fitnessstudios In ihrer Existenz bedroht sieht Frank Jäger, Studioleiter des Rückgrats in Donaueschingen, viele Unternehmen seiner Branche aufgrund der Coronapandemie – sein eigenes eingeschlossen. „Wir gehen aber davon aus, dass wir die Krise überstehen, wenn auch mit einer reduzierten Mitarbeiterzahl“, sagt er. Das Fitnessstudio wurde 1993 gegründet, beschäftigt 13 festangestell- te Mitarbeiter – die zurzeit alle kurzarbeiten – sowie normalerweise 30 Minijobber, und ist „als Premium- Fitnesscenter konzipiert mit Spezialisierung auf Rücken und Gelenke“, wie Jäger erklärt. Dafür bietet das Rück- grat ein selbst entwickeltes Trainingskonzept an. Dieses und das sehr gutes Wirtschaften in der Vergangenheit sieht der Studioleiter als Gründe, warum das Rückgrat „noch relativ gut dasteht“. Gleichwohl brach der Umsatz zwischen März 2020 und Februar 2021 um 42,9 Prozent ein. Vom 17. März bis zum 2. Juni war und seit dem 2. November ist das Fitnessstudio wieder geschlossen. Zwischen den zwei Lockdowns war der Zuspruch der Kunden groß – und der Umsatz entsprach dem des Vor- jahreszeitraums. Dies sowie die verschiedenen Hilfen einschließlich des Kurzarbeitergelds konnten die Verlus- te aber bei Weitem nicht auffangen, sagt Jäger. „Hätten wir gewusst, dass wir innerhalb eines Jahres sechs Mo- nate schließen müssen, hätten wir wirtschaftlich ganz anders agiert.“ Den Frühjahrslockdown vor einem Jahr nutzte das Rückgrat, um neue, miteinander vernetzte Geräte anzuschaffen und ein günstiges Liquiditätsdar- lehen aufzunehmen. Hätten Inhaber Lutz Kruger und Finanzchefin Sigrid Speck gewusst, dass ein zweiter, längerer Lockdown folge, hätten sie die dreifache Menge beantragt, berichtet Jäger. „Jetzt stehen wir aus Sicht der Banken natürlich nicht mehr so gut da wie noch vor einem Jahr.“ Ein weiteres Problem: Da die Fitnessstu- dios geschlossen sind, können sie zurzeit keine neuen Mitglieder akquirieren, um die übliche Fluktuation der Kunden aufzufangen. Den bestehenden bieten Frank Jäger und sein Team dafür über einen Youtube-Kanal verschiedene Trainings an. „Das ist wichtig zur Mitglie- derbindung“, sagt er. Kinos „Wir freuen uns, wenn wir wieder öffnen können und hoffen, dass es wieder angenommen wird“, sagt Christel Kauschwitz, die zusammen mit ihrem Mann Lothar und zwei Minijobbern die Löwen-Lichtspiele in Kenzingen betreibt. Sie verfügen über einen Saal mit 174 sowie ein Studio mit 29 Plätzen und sind ein für den länd- lichen Raum typisches kleines Kino, das sich schon vor Corona in einer Nische behaupten musste – und dies auch machte. Bis die Lichtspiele Mitte März 2020 plötzlich schließen mussten. „Das war natürlich richtig, aber es war ein Schock. Das gab es noch nie“, erinnert sich Christel Kauschwitz, die das von ihren Eltern nach dem Krieg wiederaufgebaute Haus seit über 50 Jahren betreibt. Sie und ihr Mann sind längst im Rentenalter, doch am Kino hängt ihr Herzblut. Solange sie die Unkos- ten – Heizung, Strom und vor allem die Leihgebühr für die Filme – wieder einspielen, machen sie weiter. Das haben sie sich vorgenommen. Ob das 2020 gelungen ist, weiß Christel Kauschwitz noch nicht. Der Umsatz ist vergangenes Jahr um 68 Prozent eingebrochen. Von Mitte Juli bis Ende Oktober kamen trotz des Hygiene- konzepts mit seinen Abstandsregeln nur sehr wenige Gäste – zu wenige, um die Kosten zu refinanzieren. Die, die kamen, halfen dem Ehepaar hingegen beim Desin- fizieren und sprachen ihm Mut zu. Über die staatlichen Hilfen ist die Kinobetreiberin dankbar. Ihr Appell an die Politik: „Wir brauchen Planungssicherheit. Nur so bleibt die Kinokultur im ländlichen Raum erhalten.“ Reisebüros Reisebüros gehören ebenfalls zu den besonders betroffe- nen Branchen in der Krise. Waren sie vergangenes Früh- jahr vor allem mit Rückabwicklungen und Stornierungen beschäftigt, hatten Arbeit, hohe Kosten und mussten bereits verdientes Geld zurückerstatten, machen ihnen jetzt die unsicheren Aussichten zu schaffen. Der Deut- sche Reiseverband (DRV) rechnet erst mit verstärkten Buchungen, wenn es Lockerungen gibt und pocht daher Hansjörg Mair Geschäftsführer Schwarzwald Tourismus GmbH, Freiburg Bild: #heimat/Dimitri Dell Frank Jäger Geschäftsführer Rückgrat Donaueschingen Christel Kauschwitz Inhaberin Löwen-Licht- spiele, Kenzingen SCHUL K I WO C '-IE 1 • .... • \\\ • �t ��� 0t '\ __ 0t 'b i �\'L �pj� _:= --, �e1 '"' LA' � . ,li -�

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5