Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar'21 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

7 1 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten B undesweit waren während des ersten Lockdowns mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten zumin- dest teilweise ins Homeoffice umgezogen, die Hälfte für die gesamte Arbeitszeit, die andere Hälfte teil- weise. 42 Prozent hatten zu Hause einen separaten Ar- beitsraum, 17 Prozent einen fest installierten Arbeitsort in einem Wohnraum, die restlichen 41 Prozent mussten improvisieren. Das hat eine Umfrage des Meinungsfor- schungsinstituts Forsa im Auftrag des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt (IBA) ergeben. Die Haufe-Gruppe gilt als ein Vorreiter in Sachen Homeoffice. Schon 2016 hat der Freiburger Fachverlag die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, in einer Konzernbetriebsvereinbarung ver- ankert. „Wir nutzen die digitalen Möglichkeiten, um Mitarbeitern zeitliche und örtliche Flexibilität zu ge- währleisten, was die Einteilung der Arbeit angeht“, sagt Unternehmenssprecher Timm Heinkele. Die Unterneh- mensgruppe, zu der auch der IT-Dienstleister Lexware gehört, beschäftigt rund 2.100 Frauen und Männer welt- weit; mehr als 1.300 Angestellte sind am Hauptsitz in Freiburg tätig. Wie viele davon bereits vor der Pandemie (auch) im Homeoffice gearbeitet haben und wie viele es jetzt sind oder im ersten Lockdown waren, kann das Unternehmen nicht sagen. „Wir messen diese Zahlen nicht“, sagt Heinkele, fügt aber an: „Ein Großteil unserer Belegschaft arbeitet derzeit mobil.“ Laut der IBA-Umfrage wollen mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) – in reduziertem Umfang – auch nach dem Ende der Pandemie im Homeoffice arbeiten, fast ein Fünftel (19 Prozent) sogar möglichst oft. Dagegen hoffen 21 Prozent nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen daheim arbeiten zu müssen. Je höher Alter und Einkommen, desto besser bewer- ten die Beschäftigten das Homeoffice. Eltern kleiner Kinder sehen das häufig anders. Vielen (41 Prozent) fällt die Trennung zwischen Beruf und Privatem schwer. Und die meisten (80 Prozent) vermissen den Kontakt zu den Kollegen. Auch finden viele ihren Homeoffice- Arbeitsplatz in Sachen Ergonomie, Funktionalität und technische Ausstattung schlechter als den im Büro. Im Sommer und Herbst versuchte man daher schon, Mängel zu beheben. Insbesondere Bürostühle und IT wurden gekauft. Laut einer Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sind weitere Anschaffungen in naher Zukunft geplant. D as merken die Hund Möbelwerke aus Bibe- rach bislang nicht. „Es beginnt erst langsam, dass man sich auch mit der Einrichtung der Arbeitsumgebung im Homeoffice beschäftigt“, sagt Geschäftsführer Hendrik Hund beim Gespräch Anfang Dezember. Im Frühjahr hätten die meisten erstmal spon- tan und kreativ Lösungen gesucht. Weil die Unternehmen ihre Investitionen 2020 stark zurückgefahren haben, hat das Objektgeschäft gelitten. Hund verzeichnete vergan- genes Jahr deshalb einen „enormen Umsatzrückgang“, berichtet Hendrik Hund. Er rechnet mit einem Minus von 25 Prozent. Allerdings sei man in der Branche starke Schwankungen gewohnt. Und dass nach vielen „super- starken Jahren“ ein Abschwung folgen würde, war Hund schon lang vor Corona klar. Deshalb hatte er die Ausga- ben heruntergefahren, noch ehe die Pandemie begann. Wie sich das Geschäft weiterentwickelt, lasse sich im Moment noch nicht abschätzen. Man werde Bürokon- zepte wahrscheinlich überdenken, meint Hund, der zugleich IBA-Vorsitzender ist. Gerade die Möglichkeit von Videokonferenzen werde keiner mehr missen wol- len – „nicht, weil sie so schön sind, sondern weil es besser ist, als bei Mistwetter 300 Kilometer durch die Gegend zu fahren“, sagt Hund im Telefoninterview wäh- rend einer Fahrt im Schneeregen von Biberach nach Sulzdorf, wo das Unternehmen einen zweiten Standort hat. Bislang vertreibt Hund seine Schränke, Container, Empfangsanlagen, Schreib- und Konferenztische über- wiegend über den Fachhandel. Jetzt entwickelt man in Biberach neue Vertriebskonzepte wie einen eigenen Onlineshop und Kooperationen mit Paketdiensten, um Privatleute besser erreichen zu können. Auch von den eigenen Angestellten arbeiten etwa ein Drittel im Homeoffice, berichtet Hund. Das laufe technisch sehr gut, auch Vertrauen sei nicht das Problem. Eher: das Commitment, die Frage „Wie schaffe ich es, dass alle am gleichen Strang ziehen, dass alle das gleiche Ziel haben? Das sei, gerade bei neuen Mitarbeitern, schwieriger remote statt physisch zu machen. „Ewig funktioniert das nicht. Das ist keine Dauerlösung.“ H erauszufinden, wie künftige Lösungen ausse- hen, ist die Aufgabe von Raphael Gielgen. Der Trendscout erkundet im Auftrag seines Arbeit- gebers, des deutsch-schweizerischen Designmöbel- herstellers Vitra , die Zukunft unserer Arbeitswelt. Das bedeutete in den vergangenen Jahren, dass er 200 Tage im Jahr rund um den Globus tourte, um sich innovative Büros anzuschauen. Die Coronapandemie beendete Gielgens Reisetätigkeit. Nach einigen Monaten daheim in Kurzarbeit kaufte er sich die Grundausstattung für ein Onlinestudio. Seither lädt Gielgen die Welt zu sich ein. So kann er morgens Singapur virtuell besuchen und abends schon in San Francisco sein. Und überall sieht er, dass die Zukunft der Arbeitswelt begonnen hat. Wie beim Marathon zeige sich jetzt, ob man trainiert hat, vor- bereitet ist auf das, was da kommt, oder nicht. „Das ist der moment of truth“, sagt Gielgen. Die Veränderungen, die sich aus den Erfahrungen des Lockdowns ergeben, sieht er als Dammbruch. Das Homeoffice wird bleiben, glaubt er, das Büro auch – aber nicht in seiner bisherigen Form. Die Menschen könnten jetzt wählen, sich den besten Ort für die Arbeit suchen. Mithilfe zahlreicher Tools lassen sich alle routinierten Arbeiten mobil oder im Homeoffice erledigen. Das Büro dagegen „bedient im Wesentlichen die Erwartungen des Kollektivs“, schildert Gielgen. Dort geht es um Begegnungen und Arbeiten, die man nicht allein machen kann. I m Büro müssen die Mitarbeitenden sich in erster Linie wohlfühlen“, sagt Clemens Imberi, Leiter der Business Unit Streit Inhouse und Mitglied der Geschäftsleitung des Bürodienstleisters Streit in Hausach. Er nennt es „Kulturtankstelle“. Hier gehe es um den sozialen Kontakt »Technik und Vertrauen sind nicht das Problem, sondern das Commitment« Hendrik Hund , Geschäftsführer Hund Möbelwerke, IBA-Vorsitzender »Das Büro bedient die Erwartungen des Kollektivs« Raphael Gielgen , Trendscout Future of Work, Vitra

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