Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'20 - Hochrhein-Bodensee

63 9 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten RECHT PRAXISWISSEN Anwachsung eines GbR-Anteils und Pflichtteilsergänzungsansprüche Lange Folgen geschenkter Anteile P flichtteilsergänzungsansprüche setzen voraus, dass der Erblas- ser eine Schenkung, also eine Zuwendung gemacht hat, die den Empfänger aus seinem Vermögen bereichert, und beide Teile darüber einig sind, dass dies unentgeltlich erfolgt (Paragraf 2325 BGB). Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften, sogenannten Fami- lienpools, wird häufig vereinbart, dass beim Tod eines Gesellschafters dessen Anteil den übrigen Gesellschaftern ohne Abfindung der nicht nachfolgeberechtigten Erben oder Pflichtteilsberechtigten anwächst. Dies führt dazu, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche erst gar nicht entstehen und somit zugunsten der GbR Liquiditätsabflüsse an Dritte vermieden werden, weil zivilrechtlich der Anteil des verstorbenen Ge- sellschafters den Mitgesellschaftern durch die gesellschaftsvertragli- che Anwachsungsregelung selbst zugewandt ist und damit nicht mehr in den Nachlass fällt. Anders wird dies schon bisher beurteilt, wenn der Abfindungsausschluss nicht für alle Gesellschafter gleichermaßen gilt, einer der Gesellschafter bereits den eigenen Gesellschaftsanteil geschenkt bekommen hat oder die Beteiligten bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages von unterschiedlichen Lebenserwartungen der Gesellschafter ausgegangen sind. Dann liegt eine noch unter Lebenden vollzogene Schenkung vor, die für die Berechnung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs zählt und mit dem Wert des Gesell- schaftsanteils zum Zeitpunkt des Erbfalles anzusetzen ist. Jüngst hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über eine besondere Fallgestaltung zu entscheiden (Az. IV ZR 16/19 vom 3.6.2020): Der Erblasser und seine zweite Ehefrau waren hälftig beteiligte Gesellschafter zweier GbR mit gesellschaftsvertraglichem Abfin- dungsausschluss, die ihrerseits jeweils Eigentümerinnen einzelner Wohnungen waren. Die Eheleute leisteten die Wohnungskaufpreise aus gemeinsamem Vermögen, beziehungsweise hafteten beide für deren Finanzierung. Eine Wohnung wurde selbst genutzt, die andere an den gemeinsamen Sohn zu Marktpreis vermietet. Der verstor- bene Ehemann hat die zweite Ehefrau außerdem als Alleinerbin eingesetzt. Ein Sohn aus erster Ehe machte Pflichtteilsergänzungs- ansprüche in Bezug auf die GbR-Anteile des verstorbenen Vaters gegenüber der zweiten Ehefrau geltend – mit Erfolg. Der BGH gab ungeachtet seiner bisherigen Rechtsprechung den schutzwürdigen Belangen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Fortführungsinteresse der beiden GbR den Vorrang, weil konkrete Umstände die Annahme rechtfertigten, dass der Abfin- dungsausschluss zu einer Schenkung an die Mitgesellschafterin führt. Dabei war nicht ausschlaggebend, dass die beiden GbR je- weils nur aus zwei Gesellschaftern bestanden, was beim Tod eines Gesellschafters zwangsläufig ihre Auflösung zur Folge hatte. Von entscheidender Bedeutung war, dass nicht die Fortführung der GbR, sondern die Eigentümerposition (Selbstnutzung beziehungsweise Vermietung an einen Angehörigen) im Vordergrund gestanden und die Ehefrau ihrerseits für die Zuwendung des Anteils des verstor- benen Ehemanns keinerlei Gegenleistung (zum Beispiel Arbeitsleis- tungen oder zusätzliche Haftungsrisiken) übernommen hatte. Eine Gegenleistung des Ehemanns aus umgekehrter Sicht lag ebenfalls nicht vor, weil auch der Erblasser kein Risiko eingegangen war, im Fall seines Vorversterbens den Anteil ohne Abfindung seiner Erben an die Ehefrau als Mitgesellschafterin zu verlieren. Denn die Ehefrau war selbst seine Alleinerbin. Fazit: Entsprechende Fallgestaltungen im engeren Familienkreis sollten überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden. Denn bei einer Schenkung können Pflichtteilsergänzungsansprüche noch länger als zehn Jahre nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags gel- tend gemacht werden, weil die vollständige wirtschaftliche Ausglie- derung des geschenkten Gesellschaftsanteils aus dem Vermögen des Schenkers und Erblassers erst mit dem Erbfall eintritt. Thomas Jehle, Sozietät Jehle, Láng, Meier-Rudolph, Köberle Regelungen zum Gründungsaufwand in der GmbH-Satzung Nicht beliebig streichen G ründungskosten, das heißt Notar- und Register- gebühren sowie die im Zusammenhang mit der Gründung anfallende Vergütung für Rechtsanwälte und Steuerberater, sind eigentlich Aufwendungen der Gesellschafter. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass die GmbH diese Kosten teilweise übernehmen darf – wenn eine entsprechende Regelung in der Satzung dies erlaubt. Als Faustregel gilt, dass zehn Prozent des Stamm- beziehungsweise Grundkapitals als Gründungskosten angesetzt werden können, also 2.500 Euro bei einem Stammkapital von 25.000 Euro. Obwohl solche Satzungsregelungen zum Gründungs- aufwand meist bereits nach kurzer Zeit entbehrlich scheinen, dürfen sie nicht einfach beliebig gestrichen werden, sondern müssen nach der Rechtsprechung eine gewisse Zeit im Gesellschaftsvertrag verbleiben. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle, dass die Satzung die Gläubiger darüber informieren soll, dass ein Teil des zur Deckung des Stammkapitals erfor- derlichen Vermögens bereits verbraucht sei (Beschluss vom 02.02.2018, Az.: 9 W 15/18). Im Lichte der im GmbH-Recht geltenden Verjährungsfristen könne die Regelung zum Gründungsaufwand deshalb jedenfalls nicht innerhalb der ersten zehn Jahre nach Eintragung der Gesellschaft gestrichen werden. Das OLG Olden- burg hatte zuvor sogar erwogen, ob wie im Aktienrecht eine Mindestdauer von 30 Jahren eingehalten werden muss, konnte dies aber letztlich offenlassen (Beschluss vom 22.08.2016, Az.: 12 W 121/16). In der Praxis empfiehlt sich daher unbedingt die Ab- sprache mit dem zuständigen Registergericht, bevor eine Streichung der Regelungen zum Gründungsauf- wand angemeldet wird. Jan Henning Martens Friedrich Graf von Westphalen & Partner

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