Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'20 - Hochrhein-Bodensee

61 9 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Bei der „Night of Light“ strahlte Ende Juni das Kraftwerk Rottweil in Rot – wie bundesweit viele tausend Gebäude. Mit der Aktion wollten Unternehmen der Eventbranche auf ihre wirtschaftliche Notlage infolge der Corona- pandemie aufmerksam machen. »Wir haben ziemlich schnell von live auf online umgestellt« Maik Förster , Stage Concept, Rheinau den heißen Stein und eine willkommene Abwechslung für die Mitarbeiter sind die virtuellen Events nicht. „Da- mit können wir nicht das Jahr retten“, sagt Förster. Die Prognose für den Rest von 2020 sei schwierig. Zwar gebe es Projekte im Auftragseingang, und man spreche mit Kunden auch über Weihnachtsfeiern. Aber dabei geht es nicht um große, sondern viele kleine Events. Techniker braucht es dafür allerdings gleichermaßen, weshalb Stage Concept parallel zur Kurzarbeit auf der Suche nach Mitarbeitern ist. Auch einen Azubi stellt der Dienstleister ein – er weiß, dass er mit Kurzarbeit startet. Die Existenz seiner Agentur sieht Förster nicht bedroht: „Wir sind gut aufgestellt und können das über- brücken. So kämpfen wir weiter.“ E ine solide Basis zeichnet auch die Trendfactory . aus, der das Rottweiler Kraftwerk gehört. Das In- dustriedenkmal im Neckartal ist zugleich Firmen- sitz und Veranstaltungslocation. März bis Mai sind starke Monate für die Eventagentur. Projekte deutschlandweit für annähernd acht Millionen Euro waren für diesen Zeit- raum geplant. Doch es kam bekanntlich anders, weshalb die Trendfactory die anvisierten 20 Millionen Euro Umsatz im Geschäftsjahr 2019/20, das am 31. März endete, auch nicht erreichte. „Es war wie ein Dominoeffekt“, berichtet Mike Wutta , der das Unternehmen zusammen mit Thomas Wenger 1996 gegründet hat und leitet. „Ich hatte das Gefühl, die Firma rennt mir wie Sand durch die Finger.“ Den Begriff Storno hätten sie und ihre rund 50 Mitarbeiter bis dato nicht gekannt, jetzt mussten sie binnen einer Woche sämtliche Events absagen und abwi- ckeln. In der sich kontinuierlich verändernden Situation brauchte es zudem Fingerspit- zengefühl für die Bedürfnisse aller Beteiligten. Wutta und Wenger haben deshalb offen kommuniziert, nach innen wie nach außen. Ihr Glück: Sie konnten ruhig agieren, weil sie finanziell gut aufgestellt sind – keine Miete, ausreichend Rücklagen. Zudem waren sie schon immer sehr digital un- terwegs, auch weil Bitkom, SAP und viele Telekommunikations- dienstleister zu ihren Kunden zählen. „Das hat geholfen, back on track zu sein“, sagt Wutta. Schon im April hatten sie digitale Alternativen im Angebot. Allerdings gab es anfangs keine Nachfrage. Die Unternehmen waren mit sich beschäftigt, Marketing und Kommunikation standen hinten an. Das änderte sich erst Mitte, Ende Mai. Die ruhigere Zeit haben die Rottweiler genutzt, verschiedene Formate zu entwickeln, digitale und vor allem auch hybride, also eine Mischung aus live und virtuell. „Ich glaube, das ist die Zukunft“, sagt Wutta. Jedes Live-Event werde künftig virtuelle Anteile haben. Vor allem in den kommenden Monaten lässt sich dabei der Regler beliebig zwischen real und digital hin- und herschieben. „Wir stehen am Beginn einer neuen Pha- se“, meint der Agenturchef. Die Wochen und Monate im Homeoffice und in unzähligen Videokonferenzen hätten gezeigt, was digital geht (Content transportieren, Reich- weite geografisch und zeitlich vergrößern) und was nicht (Netzwerken). Und sie haben die Ansprüche an die Inhalte verändert. „Die Hemmschwelle, bei der Rede des CEO auf das Kreuzle oben rechts zu klicken, ist viel kleiner als den Raum zu verlassen“, sagt Wutta. Diese Erfahrungen verarbeitet die Trendfactory zu neuen Lösungen. Damit können sie zwar nicht den Umsatz des zurückliegenden Geschäftsjahrs erreichen, hoffen aber auf eine schwarze Null - „das wäre ein größerer Erfolg als die guten Zahlen vom Vorjahr“, sagt Wutta. kat »Ich hatte das Gefühl, die Firma rinnt mir wie Sand durch die Finger« Mike Wutta , Trendfactory, Rottweil

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