Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'20 - Hochrhein-Bodensee

7 7+8 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten tItel R eisende im Pkw machen sie freiwillig, bei lkw- Fahrern regeln die gesetzlichen Vorgaben für lenk- und Ruhezeiten die Pausen: Nach vierein- halb Stunden muss der Fahrer eine dreiviertel Stunde rasten, einmal täglich elf Stunden Pause machen und alle sieben tage mindestens einmal außerhalb des Fahrzeugs übernachten. Karl-Heinz Schneider kennt die Regeln genau und weiß deshalb um die Bedürfnisse der Fahrer. Der 68-Jährige arbeitet seit Jahrzehnten im tankstellengeschäft. Im kleinen Büro hinter dem tresen seines europa-Park-Rasthofs an der Ausfahrt Herbolz- heim der A5 erzählt er bei espresso und Zigarillo von seinem Berufsleben. Schneider ist im Freiburger Stadtteil Wiehre aufge- wachsen, hat Kfz-Mechaniker gelernt, seinen Meister gemacht und 1977 eine Shell-tankstelle samt Werk- statt eröffnet, die ersten Jahre in der Kronenstraße, dann im Stadtteil St. Georgen. 1985 verlegte er seine Geschäftstätigkeit in die Ortenau und übernahm in Kappel-Grafenhausen eine tankstelle, die zum Autohof erweitert wurde – zunächst als Pächter, bald kaufte er die tankstelle, die sich aufgrund ihres Standorts an der Autobahn sehr gut entwickelte. „es war damals die umsatzstärkste tankstelle in ganz Deutschland“, berichtet Schneider. „Zum teil standen die lkw bis zur A5.“ Weil er in Kappel-Grafenhausen aber nicht expandieren konnte, kaufte er Anfang der 1990er-Jahre ein Grundstück nahe der damals neu entstehenden Anschlussstelle Herbolzheim. 1996 eröffnete er dort seinen zweiten, 50.000 Quadratmeter großen Stand- ort: den europa-Park-Rasthof, den viele am weithin sichtbaren Windrad erkennen. Den damit erzeugten Strom speist Schneider bislang ins Netz ein, ab kommendem Jahr soll er grünen Wasserstoff für eine neue Wassserstofftankstelle liefern. In- vestitionen in erneuerbare ener- gien und in effizienz ziehen sich wie ein grüner Faden durch die Schneider’sche Firmengeschich- te und reichen von der Solaranla- ge über die Grundwasserheizung beziehungsweise Kühlung bis zu den Strom- und Gaszapfsäulen sowie der sparsamen Waschanla- ge. Gerade weil er in einer Bran- che arbeitet, die der Umwelt viel abverlangt. „Ich habe Kinder und enkel, ich mache mir Gedanken um die Zukunft“, sagt Schneider, dessen Söhne Maik-thorsten und Dirk-Jens seit vielen Jahren im Fa- milienunternehmen arbeiten. Zu Schneiders Firmengruppe ge- hören heute die zwei tankstellen, jeweils samt lkw-Stellplätzen, Waschanlage, Shop und Restau- rant, Hotels mit zusammen fast 300 Betten, Burger-King-Filialen und insgesamt rund 250 Mitarbeiter. Schneider ist so- wohl Inhaber als auch Betreiber seiner beiden tankstel- len und damit ein exot in der Branche. So verdient er zwar etwas mehr mit dem Kraftstoffverkauf als andere. Doch zu seinem ertrag steuern längst die weiteren Geschäftsbereiche deutlich mehr bei, vor allem die Ho- tels. Hier übernachten viele Urlauber aus Skandinavien und den Niederlanden. Knapp ein Drittel der Gäste sind Geschäftsreisende, auch lkw-Fahrer. einige Speditio- nen mieten in Schneiders Häusern dauerhaft Zimmer, denn wenige andere Hotels können lkw-Parkplätze anbieten. Schneider hat 120 in Herbolzheim und 50 in Kappel-Grafenhausen. Durchschnittlich 20.000 euro hat er für jeden Platz investiert, weil er davon aus- ging, dass die lkw dann auch bei ihm tanken. Doch mittlerweile sind die Fahrzeuge sparsamer und die tanks größer geworden, sodass die laster von Polen bis Spanien mit einer Füllung kommen. Die zehn euro Gebühr, die die trucker bei Schneider zahlen und von denen sie sechs euro als Wertgutschein im Restaurant anrechnen können, finanziert diese Investition nicht. O skar Dold, Inhaber der gleichnamigen Spe- dition und Vorsitzender des Verbands des Verkehrsgewerbes Baden (VVB), hat für sei- nen 5.000 Quadratmeter großen lkw-Parkplatz am Hauptsitz in Buchenbach nahe Freiburg rund eine Million euro investiert. Hier wie an den anderen fünf Standorten der Spedition in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es nicht nur ausreichend Park- plätze, sondern auch toiletten, Duschen und Kaf- feeküchen für die knapp 50 fest angestellten eigenen Fahrer. Dold hat sich auf schnelle regionale transporte spezialisiert. So be- hauptet er sich gegen billigere, vor allem osteuropäische Konkurrenz und punktet bei seinen Fahrern, was angesichts des Fachkräfte- mangels in der Branche immer wichtiger wird. Denn die logistik ist so organisiert, dass die Fahrer fast immer abends daheim sein oder im eigenen Niederlassungs- netz übernachten können. „Das ist nicht nur deutlich bequemer, sondern oft auch sicherer als auf Rastplätzen“, sagt Dold. Fracht- diebstahl sei ein Dauerthema. Wa- ren und Sprit im Wert von mehr als zwei Milliarden euro jährlich verschwinden laut Zahlen der „Arbeitsgemeinschaft Diebstahl- prävention in Güterverkehr und logistik“ durch aufgeschlitzte Planen. Als Firmenchef hat Dold das Pro- blem fehlender lkw-Stellplätze intern gelöst. Als Verbandsver- treter setzt er sich indes für mehr RASTANLAGEN & AUTOHÖFE Damit alle Verkehrsteilnehmer notwendige Erholungspausen machen können, schreibt das Bundesfernstraßengesetz Park- plätze und bewirtschaftete Rastanlagen, sogenannte Neben- betriebe, vor. Durchschnittlich alle 50 bis 80 Kilometer sind bewirtschaftete Betriebe vorgesehen. Rund 430 sind es entlang des rund 13.000 Kilometer umfassenden deutschenAutobahn- netzes. Die Konzessionen dafür werden bislang von den Stra- ßenbauverwaltungen der Länder vergeben (ab 2021 von der Autobahn GmbH in Vertretung des Bundes). Diese schließen mit privaten Dritten einen standortspezifischen Konzessions- vertrag, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten regelt, zum Beispiel Betriebspflicht, Öffnungszeiten, Vertragslaufzeit. Der Konzessionär zahlt an den Bund eine absatzabhängige Kon- zessionsabgabe. Anders sieht es bei den rund 220 Autohöfen aus, die nicht direkt an der Autobahn liegen, sondern über Anschlussstel- len erreichbar sind. Sie werden privatwirtschaftlich und ohne öffentlich-rechtliche Bindung oder Betriebspflicht betrieben. Ihr Kundenkreis ist nicht auf die Verkehrsteilnehmer der Bun- desautobahnen beschränkt. Es gibt keine rechtsverbindliche Normierung für Autohöfe und ihre Aufgaben. kat Quelle: Bundesverkehrsministerium/Regierungspräsidium Freiburg »Ich hatte damals die umsatzstärkste Tankstelle Deutschlands« Karl-Heinz Schneider , Shell-Autohof, Kappel-Gra- fenhausen & europa-Park Rasthof, Herbolzheim

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