Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'20 -Hochrhein-Bodensee

17 REGIO REPORT IHK Hochrhein-Bodensee 3 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten K ürzlich habe er in einer Diskussionsrunde zum Thema Klima- wandel gesessen und dabei von einem anderen Teilnehmer gehört: „Das Problem kann nicht von Demokratien gelöst werden, dafür braucht es eine Diktatur.“ Udo Di Fabio zitierte diese Begegnung als ein Beispiel dafür, dass die westliche Werteordnung – lange Zeit allenfalls ein Thema für langweilige Sonntagsreden – neuerdings infrage gestellt wird. Ein anderes: die Konfrontation mit künstlicher Intelligenz. Wie soll etwa ein autonomes Fahrzeug im Fall einer unvermeidlichen Kollision mit Menschen entscheiden? Mit dieser Frage befasste sich vor einiger Zeit eine Ethikkommission, die der ehemalige Verfassungsrichter Di Fabio leitete. Die Ethikexperten entschieden, dass sich diese Frage nicht entscheiden lässt, weil eine etwaige Rangfolge nicht mit der Menschenwürde vereinbar sei. Generell aber bewerteten sie autonomes Fahren positiv, zumal es der Sicherheit diene. „Unsere Enkel werden nicht verstehen, dass wir damals vor dem In- ternet der Dinge Angst hatten – vor den vielen Tausend Verkehrsun- fällen aber nicht“, hatte zuvor schon IHK-Präsident Thomas Conrady den Gästen des Neujahrsempfangs in seiner Rede vor Augen geführt und dafür plädiert, den Wandel positiv zu sehen. Die Veränderung schreite rasend schnell voran, es sei nutzlos, sie zu ignorieren. Stattdessen müsse man die sich daraus ergebenden Chancen nut- zen. „Veränderungsintelligenz“ nannte Conrady das. Er forderte allerdings auch, Ruhe zu bewahren und „Dinge nicht aufzugeben, bis wir sie durch etwas Besseres ersetzt haben“. Dass China in Sachen Digitalisierung viele europäische Länder alt aussehen lässt, dass der Klimawandel schneller voranschreitet, als Gesetzespakete darauf reagieren können, und dass wir heute kaum wissen, wie wir morgen leben, arbeiten und uns fortbewegen – das alles führt zu der Frage, mit der sich Verfassungsrechtler Di Fabio in seiner klugen und kurzweiligen Gastrede beschäftigte: Kann die westliche Demokratie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern? Lange Zeit galt unsere Vorstellung von individueller Frei- heit, sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten als Spitze eines langen Zivilisationsprozesses, erläuterte Di Fabio. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sah es sogar so aus, als gebe es keine Kon- kurrenz mehr zur westlichen Werteordnung. Doch spätestens die Finanzkrise habe ihre Verwundbarkeit gezeigt. Heute sei sie in der Veränderungen unserer Zeit wie Klimawandel und Digitalisierung sowie die Frage, ob unsere alte liberale Werteordnung die richtigen Antworten dafür hat: Darüber sprachen Ende Januar IHK-Präsident Thomas Conrady und der Ehrengast Udo Di Fabio vor rund 500 Gästen aus Wirtschaft und Gesellschaft beim Neujahrsempfang der Kammer in der Schopfheimer Stadthalle. IHK-Neujahrsempfang in Schopfheim mit Verfassungsrechtler Udo Di Fabio Über Wandel und Werte Bilder: Herbert Weniger Die Redner des Neujahrsempfangs in Schopfheim: der ehemalige Bundes- verfassungsrichter Udo Di Fabio (links) und IHK-Präsident Thomas Conrady.

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