Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'20 -Südlicher Oberrhein

7 2 | 2020 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten tItel A potheker haben eine Doppelrolle. „einerseits sind wir Heilberufler, andererseits Kaufmän- ner und -frauen“, sagt Friederike Habighorst- Klemm. Sie ist Inhaberin der „Stadtapotheke am Marktplatz“ in emmendingen und Vorstandsmit- glied im landesapothekerverband Baden-Württem- berg. „Nur in einem kleinen Segment können wir als Kaufleute handeln, weil wir auch den staatlichen Auftrag haben, die sachgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.“ Für den Betrieb einer Apotheke gibt es daher eine ganze Reihe von Vorschriften, die in einer eigenen Apothekenbetriebsordnung festgeschrieben sind (siehe Infokasten auf Seite 9). Bei verschreibungs- pflichtigen Fertigarzneimitteln, die den Großteil des Apotheken-Umsatzes ausmachen, ist die Vergütung durch einheitliche Honorare festge- legt; diese Medikamente unterliegen einer Preis- bindung. Apothekerinnen und Apotheker sind somit stark von den entwicklungen im Gesundheitswesen abhängig. Als Kaufleute haben sie aber auch mit all den Herausforderungen und Veränderungen zu tun, die den stationären einzelhandel generell betreffen – von Mietpreisen über Internethandel und Digitalisierung bis zur Suche nach qualifiziertem Personal. Jörg Weitbrecht leitet seit 1987 die „Apotheke am theater“ in der Freiburger Innenstadt. Vor seiner la- dentür erstreckt sich der großzügige Platz der Alten Synagoge, der Blick geht auf Universitätsbibliothek und Stadttheater. Im Verkaufsraum der Apotheke stehen Ständer mit Hustenbonbons, in hellen Rega- len präsentieren sich Kosmetikartikel, neben dem Verkaufstresen Nahrungsergänzungsmittel. „Der so- genannte Freiwahlbereich ist eine Visitenkarte der Zwischen Gesundheitsauftrag und Wettbewerb Die Doppelrolle der Apotheken Apotheke“, sagt Weitbrecht. „Hier kann man eigene Schwerpunkte setzen.“ Seit einigen Jahren spezialisierten sich viele Apotheken in Innenstadtlagen zum Beispiel auf Produkte zur medizinischen Körperpflege und Naturkosmetika. In seiner Filialapotheke im Freiburger Öko-Stadtteil Vauban konzentriere er sich dagegen stärker auf Naturheilprodukte, Homöopathisches und Produkte für Schwangerschaft und Stillzeit, sagt Weitbrecht. Allerdings ist das Sortiment generell auf „apotheken- übliche Waren“ beschränkt - auch das ist per Ver- ordnung festgeschrieben. trotz der individuellen Gestaltung des Verkaufs- raums, auch Offizin genannt, seien alle Apothe- ken gleich aufgebaut, sagt Weitbrecht. „Apo- thekenpflichtige Medikamente stehen nicht im Zugriffsbereich des Kunden, sondern hinter der theke.“ Deshalb heißen sie auch OtC-Arzneimittel, als Abkürzung für „Over the Counter“. Verschrei- bungspflichtige Medikamente schließlich werden überhaupt nicht offen gelagert, sondern in den ty- pischen Apotheken-Schubladen – oder in den Fä- chern eines sogenannten Kommissionierautomaten: In Weitbrechts Apotheke steht schon seit 2007 eine solche Anlage im ersten Stock, gleich über dem Ver- kaufsraum. Alle vorrätigen Medikamentenpackungen sind digital erfasst; wählt eine Mitarbeiterin unten an der theke per Computer eine aus, saust oben ein Wägelchen zum entsprechenden lagerplatz, greift die Packung und befördert sie über einen Schacht direkt zum Verkaufsplatz einen Stock tiefer. Überzäh- lige Packungen werden später wieder eingescannt, per Förderband zurück nach oben transportiert und automatisch eingelagert – so wie neu angelieferte Bilder: omar - Adobe Stock/ Agustin Vai - iStockphoto »Einerseits sind wir Heil- berufler, ande- rerseits Kauf- männer und -frauen« Friederike Habighorst-Klemm Vorstandsmitglied landesapothekerverband Baden-Württemberg Apotheken erfüllen einen staatlichen Auftrag in der Gesundheitsversorgung und müssen gleichzeitig betriebswirtschaftlich arbeiten. Sie sind gleicherma- ßen von Entwicklungen im Gesundheitswesen wie von Veränderungen im Ein- zelhandel betroffen. Dazu kommen branchentypische Herausforderungen wie Lieferengpässe bei bestimmten Arnzeimitteln, der wachsende Ärztemangel auf dem Land und die Konkurrenz durch europäische Versandapotheken.

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