Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'20 -Südlicher Oberrhein

8 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 2 | 2020 titel Medikamente auch. „Das ist schon eine riesige Er- leichterung“, sagt Weitbrecht. Platz spart der Automat außerdem – und der wird ge- braucht: Ebenfalls im ersten Stock liegt ein Aufent- haltsraum für Notdienste, hinter der Offizin im Erdge- schoss gibt es einen kleinen, abgetrennten Raum, in dem von Ärzten verschriebene Rezepturen wie etwa spezielle Salben individuell hergestellt werden können. Das für Apotheken ebenfalls vorgeschriebene Labor liegt noch einen Stock tiefer im Keller. Und in einem Rückraum hat Weitbrecht einen kleinen Onlineshop für Kosmetika eingerichtet. Zu seiner Apotheke am Theater gehören noch zwei Filialen, neben der im Stadtteil Vauban eine weitere im benachbarten Merzhausen. Beide hat er 2012 über- nommen. Bis zu drei Filialen neben dem Hauptgeschäft darf ein Apotheker inzwischen besitzen, bis 2004 galt ein strenges Mehrbesitzverbot. „Die Filialen haben schon Vorteile“, sagt Weitbrecht. „Man hat mehrere Standbeine, kann Personal und knappe Produkte aus- tauschen.“ Auch im Einkauf stehe man oft besser da. Die Innenstadtlage seiner Hauptapotheke sei toll – viel Laufkundschaft, Touristen und Studenten, viele Fach- ärzte in der direkten Umgebung und entsprechende Stammkundschaft. „Aber auch eine gut geführte Dorf- apotheke kann sich lohnen“, sagt er. Dennoch sieht Weitbrecht aktuelle Herausforderungen: Dass europäische Versandapotheken vielen nationalen Vorschriften nicht unterliegen, keine Nachtdienste ma- chen und bei verschreibungspflichtigen Medikamenten Rabatte gewähren können, weil sie nicht an die deut- schen Festpreise gebunden sind – das empfindet er als extrem unfair. Festgelegte Preise und Vergütungen sei- en „der Grund, dass Apotheken vor Ort funktionieren“, sagt er. „Sonst würden 50 Prozent nicht mehr existie- ren.“ Und das würde dann auch den Gesundheitsauf- trag in der Fläche gefährden, den er so beschreibt: „Wer akut erkrankt ist, bekommt sein Medikament sofort – und zwar von qualifiziertem Fachpersonal, das sich die Verschreibung noch einmal anschaut.“ Neben kompetenten, freundlichen Mitarbeitern und einem ansprechenden Sortiment seien für die Zukunft die gesetzlichen Rahmenbedingungen entscheidend: „Apotheken wird es immer geben, die Frage ist nur, in welcher Form.“ Fragt man Verbandsvertreterin Friederike Habighorst- Klemm nach der Situation selbstständiger Apotheken- leiterinnen und -leiter, sagt sie: „Momentan ist viel Sand im Getriebe.“ Als Stichworte nennt sie zum einen problematische Lieferengpässe für bestimmte Medika- mente, die aus Kostengründen von nur einem Herstel- ler in meist asiatischen Produktionsanlagen hergestellt würden. Zum anderen mache der Ärztemangel auf dem Land den Apotheken vor Ort zu schaffen. Auch sie nennt die Konkurrenz durch europäische Versandapo- theken. Und schließlich reichten die festgeschriebenen Apotheker-Honorare für rezeptpflichtige Medikamente immer weniger aus, sagt Habighorst-Klemm: „Oft trägt sich das nur durch eine Mischkalkulation mit Produkten aus dem frei verkäuflichen Bereich.“ Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker- verbände ist die Zahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland von 21.602 im Jahr 2008 auf 19.423 Ende 2018 gesunken. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Baden- Württemberg 2.450 Apotheken, damit lag ihre Dichte etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Im Südwesten ist die Entwicklung allerdings uneinheitlich, wie IHK- Zahlen zeigen (siehe Kasten auf Seite 10): Während im ländlich geprägten Kammerbezirk Schwarzwald-Baar- Heuberg viele Apotheken verschwunden sind, hat ihre Zahl am südlichen Oberrhein, Hochrhein und Bodensee sogar zugenommen. Im Sommer 2019 hat das Bundeskabinett auf die ins- gesamt sinkenden Zahlen reagiert und ein „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ beschlossen. Es soll unter anderem ausländischen Versandapotheken Ra- »Apotheken wird es immer geben. Die Frage ist nur, in welcher Form« Jörg Weitbrecht Apotheke am Theater, Freiburg Apotheker aus der Region (von links): Friederike Habighorst-Klemm von der Stadtapotheke am Markt- platz in Emmendingen, die auch Vorstandsmitglied des Landesapothekerverbands ist, Oliver Oehrle in seiner Paracelsus-Apotheke in Spai- chingen, Jörg Weitbrecht in seiner Apotheke am Theater in Freiburg und Gernoth Roth von der Merian-Apotheke in Steinen im Wiesental.

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