Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'20 - Extra: 900 Jahre Freiburg

20 Beilage | IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 2 | 2020 entsprach großen Teilen des heutigen Regierungsbezirks mit Ausnahme der evangelischen Markgrafschaften und der Ortenau) zum Breisgauer Handelsstand zusammen, um die Handelstätigkeit wiederzubeleben. Die Städte Freiburg, Breisach, Endingen, Villingen und Rheinfelden beziehungsweise Waldshut beteiligten sich an den ge- meinsamen Statuten. Es gab zwar keine offizielle, aber eine faktische Pflichtmitgliedschaft. Der Jahresbeitrag betrug 30 Taler. Fremde Kaufleute durften beitreten, wenn sie „die Einkaufsgebühr erlegten“. Ansonsten war – wie seit Jahrhunderten – Nichtmitgliedern und Fremden der Warenverkauf nur während der Jahrmärkte gestattet. „Die Statuten des Handelsstands enthalten bereits eini- ge Punkte, die in der Satzung der Handelskammer 1880 wiederkehrten“, schreibt Ursula Huggle: Die Mitglieder des Verbands wurden durch ein gewähltes Kollegium vertreten, das Geschäftsführungsbefugnis hatte, die Rechtsgrundlage basierte auf einer gemeinsam aufge- stellten Ordnung, die Gesellschaft vertrat das Gesamtin- teresse der Handelszünfte eines größeren Bezirks, und die Mitglieder waren verpflichtet, einen finanziellen Bei- trag zu leisten. Ein Unterschied zur späteren Kammer: Der Breisgauer Handelsstand kam nicht aufgrund eines staatlichen Hoheitsaktes, sondern durch freien Willen der Mitglieder zustande. Freiburger Handelsstand Die merkantilistische Wirtschaftspolitik der Habsbur- ger prägte die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie erteilten Konzessionen für Manufakturen und bewillig- ten Handelsprivilegien, die das Zunftrecht ignorierten. Die Zünfte wurden 1787 in handwerkliche und bürgerli- che unterteilt; der Handelsstand zählte zu letzteren. Er stellte 1798 neue Statuten auf, „um ein Bollwerk gegen- über staatlichen Übergriffen zu errichten“, wie Ursula Huggle schreibt. Die 23 Paragrafen regelten interne Angelegenheiten wie Ausbildung, Zulassung und Auf- nahme. Die Geschäfte führte ein Ausschuss, der aus drei Kaufleuten bestand und befugt war, den gesamten Handelsstand zu vertreten, Dokumente auszustellen und Differenzen intern zu schlichten – wiederum sind hier also viele Aufgaben der späteren Handelskammer angelegt. Die Statuten erhielten die Zustimmung vom Stadtrat, aber aus verschiedenen Gründen nicht von den Landesherren (napoleonische Kriege 1800-1814, politischer Umbruch). De facto war der Freiburger Han- delsstand dennoch eine Körperschaft. Langer Weg zur Gewerbefreiheit Das 19. Jahrhundert war dominiert von politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen. Freiburg gehörte seit 1806 zu Baden. Auf die napoleonische Eroberung folgten Befreiungskriege (1813/14) und schwere Hun- gerjahre (1816/17). Die badische Regierung wollte den Freihandel fördern, hob 1825 den Zunftbann auf – das heißt, Waren durften über den lokalen Bezirk hinaus ver- kauft werden – und trat 1835 dem Deutschen Zollverein bei. Doch an der Dreisam gab man sich den Veränderun- gen gegenüber zurückhaltend, hielt weitgehend an der alten Zunftordnung fest. Im katholischen Freiburg (seit 1827 Bischofssitz) hatte es die frühe Industrialisierung – anders als im protestantischen Lahr – schwer. Die we- nigen, denen der Aufstieg zum industriellen Unterneh- mer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dennoch gelang – darunter Xaver Kuenzer mit seiner 1819 ge- gründeten Zichorienfabrik und Karl Mez mit seiner 1828 gegründeten Mechanischen Zwirnerei – kämpften gegen die konservativen Kräfte. 1846 gab sich der Freiburger Handelsstand zwar neue Statuten (angelehnt an das Mannheimer Vorbild), die vom Staat anerkannt wurden und somit als Satzung galten. Er nannte sich seither Handelskammer, doch es brauchte weitere Jahrzehnte und politischen Druck, bis die Freiburger sich endgültig von der alten Ordnung lösten. Auch die badische Regierung fand zunächst keine einheitliche Linie zur künftigen Organisation der Ge- werbetreibenden und zu den Aufgaben der Handels- kammern. Zudem hemmten die Revolution 1848/49, gepaart mit Wirtschaftskrise und Missernten die Ent- wicklung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Industrialisierung dennoch auch in Freiburg Fahrt auf. Ein Grund dafür war der Bahnanschluss der Stadt seit 1845. Zudem wollte das Land Baden Freiburg als drittes Zentrum neben Karlsruhe und Mannheim ausbauen. 1859 wurden die Zünfte endgültig aufgelöst und 1862 mit der Einführung der Gewerbefreiheit alle alten Sta- tuten, also auch die der Freiburger Handelskammer, aufgehoben. Die Freiburger Kaufleute gründeten dar- aufhin eine freie Handelsgenossenschaft mit freiwilli- ger Mitgliedschaft, was zu sinkenden Mitgliederzahlen führte. Dennoch trödelten sie mit der Neugründung, wie Ursula Huggle schreibt. Kammergründung und Anfangsjahre Erst das badische Handelskammergesetz von 1878 führte schließlich dazu, dass sich 1880 die Freiburger Handelskammer gründete: als Körperschaft öffent- Seit 1992 ist die IHK Südlicher Oberrhein in der Schnewlinstraße ansässig. Bild: IHK Südlicher Oberrhein

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