Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'20 - Extra: 900 Jahre Freiburg

19 2 | 2020 Beilage | IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 900 Jahre Freiburg A nfang des zwölften Jahrhunderts suchte Herzog Konrad in der ganzen Region nach „angesehe- nen Kaufleuten“, sogenannten Mercato- res, die sich in seinem Markt niederlas- sen sollten. Er warb sie mit attraktiven Sonderbedingungen an, gewährte ihnen beispielsweise Zollfreiheit und Grundstü- cke für ihre Häuser. „Damit erhielten sie quasi Privateigentum an Grund und Bo- den – eine für die damalige Zeit außerge- wöhnliche Verfügung, die die hohe Wert- schätzung der Kaufleute zeigt“, schreibt die Freiburger Historikerin Ursula Huggle in ihrer 1998 erschienen Geschichte der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein*. Diese privilegierte Gruppe organisierte sich, regelte Handelsangelegenheiten und gehörte den „Vierundzwanzigern“, dem Vorgänger des Stadtrats, an. Sie spielte also eine wichtige Rolle in der Entwicklung der jungen Stadt und war, wenn man so will, ein Vorläufer der Handelskammer. Von freien Kaufleuten zu Zünften Der Einfluss der Kaufleute verringerte sich allerdings, je mächtiger die Zünfte wurden. Seit 1293 waren diese im Stadtrecht als Körperschaften anerkannt. Die Zünf- te beeinträchtigten den Handel zugunsten der kleinen Handwerker und Gewerbetreibenden und dominierten auch die Stadtpolitik zunehmend. 1420 schlossen sich zwar noch 20 größere Kaufleute zusammen und stellten eine Satzung auf. Man wollte sich gegenseitig beraten und einander helfen. Doch dieses Bündnis konnte die Entwicklung nicht mehr aufhalten. 1466, als die Zahl der Zünfte auf zwölf reduziert wurde, verschwand der Stand der Kaufleute. „Eine neue Ära begann, in der nicht mehr die Edlen und Kaufleute, sondern die Zünfte immer mehr Macht ausübten“, schreibt Ursula Huggle. Nach 1466 waren die Kaufleute auf die zwölf Zünfte verteilt. Die meisten gehörten der Krämerzunft an, in der außer den namensgebenden Krämern und den Han- delsleuten auch Apotheker, Kürschner, Buchdrucker, Buchhändler, Weißgerber sowie Säckler vereint waren. Der Fernhandel, der aufgrund der ungünstigen Verkehrs- situation Freiburgs (die Hauptroute verlief links des Rheins) ohnehin keine besonders große Rolle gespielt hatte, ging noch weiter zurück. Die Freiheit der Grün- dungsjahre wich einer protektionistischen Wirtschaftspolitik. „Die einstige Stadt der Kaufleute entwickelte sich zur agrarisch geprägten Mittelstadt“, konstatiert Ursula Huggle in ihrem Buch. Ihre abwehrende Haltung fremden Händ- lern gegenüber behielten die Freiburger sehr lange bei, bis weit ins 19. Jahrhun- dert. Dennoch schafften es Einwanderer aus Savoyen und Piemont, in die Krämer- zunft eingelassen zu werden. Vor allem nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618- 1648) strömten sie in die ausgeblutete Stadt, wurden bürgerlich aufgenommen und brachten es bald zu Wohlstand und Ansehen. Einige bekannte Kaufmanns- familien wie die Montforts oder Rossets kamen so an die Dreisam. Sie wurden Mitglieder des Handelsstands und später der Handelskammer. Wenngleich den Zünften, die das Freiburger Wirtschafts- leben über viele Jahrhunderte prägten, der freie Handel fernlag, finden sich doch auch in ihrer Organisation Par- allelen zu den späteren Kammern, vor allem die Pflicht- mitgliedschaft und das Ausbildungswesen. Jeder, der in der Stadt ein Gewerbe betrieb, musste Mitglied einer Zunft sein und Beitrag zahlen. Zudem organisierten die Zünfte die Berufsausbildung. Ursula Huggle sieht sie daher „in gewisser Weise schon als Vorreiter“ der Indus- trie- und Handelskammer. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede. So waren die Zunftmitglieder bei Angrif- fen oder Bränden für die Verteidigung und Sicherheit der Stadt zuständig, und die Zünfte kümmerten sich um soziale Aspekte wie die Fürsorge ihrer Mitglieder. Breisgauer Handelsstand Von 1677 bis 1697 war Freiburg, das seit 1368 zum Habs- burger Reich gehörte, von Franzosen besetzt und vom Hinterland abgeschnitten. Das städtische Wirtschafts- leben litt unter der Besatzung und dem Ausbau der Fes- tung, zumal als Lieferanten des französischen Heeres viele fremde Handwerker und Gewerbetreibende in die Stadt kamen. Nachdem Freiburg wieder österreichisch war, versuchte man, die alte Ordnung wiederherzustel- len. Der Handelsstand erhoffte sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage durch die Gründung eines Verbands. 1700 schlossen sich Kaufleute und Krämer des gesamten, in fünf Bezirke aufgeteilten Breisgaus (das Als Gründungsjahr Freiburgs dient die Verleihung des Marktrechts 1120. Die Kaufleute, die der damalige Herzog Konrad gezielt anwarb, spielten in den Freiburger Anfängen eine bedeutende Rolle. Zugleich waren sie die ersten Wirtschaftsvertreter der Stadt und stehen damit auch am Anfang der Geschichte der heutigen Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. * Die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein. Geschichte und Wirkungs- feld der Kammer Freiburg und Lahr. Herausgegeben im Auftrag der Industrie- und Handels- kammer Südlicher Oberrhein von Bernd Boll und Ursula Huggle Freiburg (Selbstverlag), 1998 Die Geschichte der Industrie- und Handelskammer Vertreter der Wirtschaft

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