Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Januar '20 - Hochrhein-Bodensee

9 1 | 2020 IHK Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten I m Gegensatz zu vielen kleinen und vor allem kleinsten Unterneh- men sind die mittleren und großen von der MDR nicht in ihrer Existenz bedroht, gleichwohl herausgefordert. Das gilt auch für das größte Tuttlinger Unternehmen, die Aesculap AG , die hier rund 3.600 ihrer etwa 12.600 Mitarbeiter beschäftigt: „Rund die Hälfte aller Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Forschungs- und Entwicklungs- abteilung widmet sich ausschließlich der MDR“, sagt der Vorstands- vorsitzende Joachim Schulz. Dass der Aufwand für Aesculap so hoch ist, liegt auch an dem umfangreichen Portfolio des Unternehmens, das rund 25.000 Produkte für Chirurgie und Orthopädie umfasst, die unter die MDR fallen, etwa 11.000 davon zählen zur Klasse 1 bezie- hungsweise 1r. Zu jedem einzelnen müssen die Mitarbeiter sämtliche Zulassungsdokumente und Unterlagen zur technischen Dokumenta- tion sichten und überarbeiten. „Circa 5.500 Randprodukte wurden eingestellt, unser Kernportfolio betrifft dies aber nicht“, berichtet Schulz. Er ist davon überzeugt, dass Aesculap alle Anforderungen bis zum 26. Mai erfüllen kann. Gleichwohl erfordere die aufwendige Nachweisführung ein hohes Maß an Energie, das letztlich nicht in die Entwicklung neuer Produkte gesteckt werden könne. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen habe Aesculap jedoch die Möglichkeit, weiterhin Neuentwicklungen anzustoßen, so Schulz. D ie Osypka AG mit Sitz in Rheinfelden-Herten hat dagegen die Entwicklung ihres Baby-Stents für Neugeborene, die an einer Einengung der Hauptschlagader (Aortenisthmusstenose) lei- den, vorerst „geparkt“, wie Geschäftsführerin Nicola Osypka berichtet. Beträge im siebenstelligen Bereich seien bereits dafür investiert und eine erfolgreiche klinische Studie sei durchgeführt worden. „Aber jetzt müssen wir mit den anderen Zulassungen kämpfen“, sagt sie. Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, da es auf dem Markt kein alternatives Produkt gebe. „Wir haben schon immer eine Nische belegt, aber in einer Bandbreite wie weltweit kein anderer Anbieter“, sagt Nicola Osypka, die das 1977 gegründete Unternehmen in zweiter Generation führt. In Rheinfelden sind 200 Mitarbeiter beschäftigt, in Tschechien 80 und 20 in Colorado (USA). Die Osypka AG ist auf Elek- troden für die Herzstimulation (zum Beispiel für Herzschrittmacher) sowie verschiedene Katheter für Herzrhythmusstörungen bei Kindern und Erwachsenen spezialisiert. Viele Produkte sind seit Beginn im Portfolio, werden für seltene Operationen verwendet und entspre- chend wenig nachgefragt. Alle Produkte fallen unter die Klasse 3 mit den höchsten Anforderungen. Regelmäßig (re)zertifiziert werden mussten sie schon immer. „Jetzt sollen wir aber zusätzlich klinische Daten zu Produkten liefern, die seit über 30 Jahren erfolgreich am Markt sind“, klagt die Firmenchefin. Das koste mehrere hundert- tausend Euro pro Studie, zusätzlich zu den anderen Kosten für eine Rezertifizierung und damit 30 bis 60 Mal so viel wie bisher. „Die MDR kostet uns Zeit, Nerven und vor allem viel Geld“, sagt Nicola Osypka, die das Ansinnen hinter der Verordnung unterstützt. Sie hält es für „gut und sinnvoll, dass man die Patienten schützen will“. Es sei aber versäumt worden, in der MDR eine sinnvolle Rege- lung für die Bestandsprodukte zu finden. Von den 20 Produktgrup- pen, die die Osypka AG anbietet, hat das Unternehmen bereits fünf vom Markt genommen. Das sind vor allem Spezialprodukte für Babys, Kinder und Erwachsene, die zum Teil die Osypka AG als einziges Unternehmen weltweit angeboten hat. „Umsatz- und gewinntechnisch waren diese Produkte nie attraktiv“, sagt Nicola Bild: Visual Generation

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5