Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober '19 -Südlicher Oberrhein

10 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 9 gelte auch heute noch. Unternehmen in Streubesitz, die von externen Vorständen geführt würden, könnten dagegen gar nicht in Jahrzehnten denken, da sie auf der Hauptversammlung stets gute Zahlen präsentieren müssten. „Familienunternehmen haben dennoch ein höheres Wachstum“, sagt Tscheulin: Die 27 nicht familiengeführten Dax-Unternehmen seien in den vergangenen Jahren um durch- schnittlich drei Prozent gewachsen, die 500 größten deutschen Familienunternehmen um 3,7 Prozent. Ihre Mitarbeiterzahl hätten sie in diesem Zeitraum sogar um 23 Pro- zent gesteigert, die Dax-Unternehmen um 4 Prozent. Bei Personalabbau seien Fami- lienunternehmen vorsichtiger, sie würden vielmehr versuchen, ihre Mitarbeiter lang- fristig an sich zu binden. Die Folge: „Die Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma ist bei Familienunternehmen höher als anderswo“, sagt Tscheulin. Das trüge ebenfalls zu ihrem Erfolg bei. D er Wissenschaftler weist zugleich auf Nachteile hin, die Familienunternehmen haben können: Die Gefahr bestünde, dass die Mitglieder der nächs- ten Generation nicht in der Lage seien, ein Unternehmen zu führen. Um die Wahrscheinlichkeit dafür zu minimie- ren, hätten Familienunternehmen oft mehr Kinder als der Durchschnitt der Bevölkerung. Im Gegensatz zu früher dürften heute aber Töchter, die das Unternehmer-Gen des Vaters geerbt hätten, diesem nachfolgen. „Die Emanzipation war ganz wichtig für den Erfolg vieler Familienunternehmen“, betont Tscheulin. Eine potenzielle Gefahr sieht er al- lerdings darin, dass es in Familienunterneh- men immer wieder Streitigkeiten in der nach- folgenden Generation gibt, die zu Problemen bei der Übergabe und zu Unternehmenskrisen führen können. Als Beispiel – das allerdings einen guten Ausgang fand – nennt er die Brü- der Franz junior, Frieder und Hubert Burda, die sich nach dem Tod des Vaters Franz Burda senior im Jahr 1986 uneins gewesen seien, ob sie den Offenburger Verlag samt Druckerei verkaufen oder in dritter Generation weiterführen sollten. Schließ- lich teilten die Brüder das Vermögen der Familie auf: Der Jüngste, Hubert Burda, übernahm Verlag samt Druckerei und machte ihn unter dem Namen Hubert Burda Media zum Großkonzern. Susanne Maerz »Familienun- ternehmen sind langfristig ausgerichtet“« Dieter K. Tscheulin , Professor für Betriebswirt- schaftslehre, Universität Freiburg HISTORISCHE VERGLEICHE Dass zwischen 1914 und 1918 viele Unternehmen schließen mussten oder geschlossen wurden, ist angesichts eines Krieges nicht verwun- derlich.Allerdings folgt nicht automatisch, so wie 1919, im Jahr nach Kriegsende eine große Zahl von erfolgreichen Unternehmensgründun- gen. Nach dem Ende des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 , aus dem Deutschland als Sieger hervorging, wurden zwar viele Firmen gegründet – dank der von Frankreich an Deutschland gezahlten Kriegsentschädigungen war Geld vorhanden. Dies habe aber dazu geführt, „dass ein sehr spekulatives Gründungsfieber eingesetzt hat“, so der Historiker Thorsten Maentel vom Wirtschaftsarchiv Baden- Württemberg. Es seien sehr viele, häufig auch unsolide Aktienge- sellschaften gegründet worden, von denen eine ganze Reihe schnell wieder zusammengebrochen seien. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 herrschte im Gegensatz zu 1919 Geldnot, und die Infrastruktur war zerstört (der Erste Weltkrieg hatte nicht auf deut- schem Boden stattgefunden), sodass nicht ohne Weiteres Handel betrieben werden konnte. Außerdem war Deutschland besetzt, die Wirtschaft wurde von den deutschen Behörden nach Anweisungen der Alliierten gelenkt, und die Preise wurden kontrolliert. Das änderte sich erst 1948, als dieWährungsreform in Kraft trat und die Zwangs- kontrolle derWirtschaft beendet wurde. Laut Maentel fiel daher erst 1948 der „Startschuss für die Belebung der Wirtschaft“. mae Das Gelände in Stadelhofen, auf dem diese alte Mühle stand (Bild links), erwarb einer der Gründer des Progress-Werks Oberkirch im Jahr 1919. Noch heute befindet sich darauf der Firmensitz. Bild rechts: ein Blick in eine Usländer-Filiale im Jahr 1949. Das „U“ von Usländer ist heute Teil des Firmennamens der Großbäckerei K&U, in der die Bäcke- rei Usländer aufgegangen ist. Bild: Josef Schroedel, © Archiv Manfred Gallo, Freiburg i.Br.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5