Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September '19 -Südlicher Oberrhein

Wirtschaft im Südwesten 9 | 2019 52 Themen & Trends A nlässlich der Delegiertenversammlung des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Schwarzwald-Bodensee (er hat 3.800 Mitglieder zwischen Baden-Baden und Friedrichshafen) Anfang Juli machten der Vorsitzende Dieter Wäschle, sein Stellvertreter Peter Ehrhardt sowie Geschäftsführer Alexan- der Hangleiter vor der Presse auf die Situation der Branche aufmerksam. Sie gingen dabei besonders auf die Lage familiengeführter Traditionsbetriebe in kleineren Städten und Dörfern ein. Ehrhardt, selbst Inhaber eines Landgasthofs bei Breisach, machte dies am Beispiel des Landkreises Breisgau-Hoch- schwarzwald deutlich. In diesem Kreis haben während der vergangenen Jahre über acht Pro- zent der Gasthäuser geschlossen. Die häufigs- te Ursache dabei: Nachfolger sind kaum zu finden. „Wer eine Dorfwirtschaft führt, kann sich keinen Verwaltungsapparat leisten, den man für die inzwischen anfallende Bürokratie braucht“, so Ehrhardt. Er zählte auf: Gefährdungsbeurteilung, Brandverhütungsschau, Hygienedokumentation, All- ergenkennzeichnung, Arbeitszeitdokumentation, Le- gionellendokumentation, Acrylamid-Verordnung, Fis- kalfähigkeit von Kassen, Datenschutzgrundverordnung, Pauschalreiserichtlinie, Abfalldokumentation, - und das seien nur einige Beispiele. „Da steht der Wirt mehr im Büro als in der Küche“, sagte Ehrhardt. Der Verbandsvorsitzende Dieter Wäschle ergänz- te, dass man seit Jahren um eine faire Besteuerung handwerklich solide zubereiteter Speisen, die darüber hinaus ohne Wegwerfverpackungen auskämen, kämp- fe. Der sorgfältig zubereitete frische Salat sei mit 19 Prozent besteuert, die industriell hergestellte Pizza dagegen mit sieben Prozent. Entsprechend fordert der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Schwarzwald-Bodensee Kultur der Dorfgasthäuser erhalten WVIB Konjunkturumfrage zum Sommer Wirtschaftliche Abkühlung ist angekommen D er Wirtschaftsverband industrieller Un- ternehmen Baden (WVIB) kommt nach seiner Konjunkturumfrage für das erste Halb- jahr 2019 zum Schluss, dass die wirtschaftli- che Abkühlung in der Breite angekommen ist. Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer sag- te Ende Juli vor der Presse, die südwestdeut- sche Region sei keine Insel der Glückseligen: Brexit, Irankonflikt und drohende Handels- kriege hinterließen ihre Spuren. Der Umsatz ist zwar im ersten Halbjahr 2019 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum noch bei 52 Prozent der Unternehmen gestiegen (vor einem Jahr waren es 76 Prozent), aber 44 Prozent der Befragten (vor einem Jahr nur 20 Prozent) vermeldeten gesunkene Umsät- ze. Ganz ähnlich sieht es bei der Umsatzer- wartung für das zweite Halbjahr 2019 aus. Die Auftragseingänge gingen um 2,4 Prozent zurück, und auch die Erwartungen für die Auftragseingänge im zweiten Halbjahr sind gedämpft. Mit ihrer Ertragslage sind weniger Unternehmen als im Vorjahr zufrieden. Der Beschäftigungsmotor läuft dagegen weiter- hin auf Hochtouren. Es geht derzeit darum, qualifizierte Mitarbeiter, die nach wie vor Man- gelware sind, zu halten. Allerdings verzeich- neten weniger Unternehmen als im Vorjahr steigende Beschäftigungszahlen und mehr Unternehmen bauten Personal ab. Auch die Kapazitätsauslastung ging zurück (bereits 34 Prozent sprechen von Unterauslastung gegen- über neun Prozent im Vorjahr). Die Antworten der WVIB-Mitglieder sind branchenspezifisch unterschiedlich: im Automotive-Bereich läuft es weniger gut als beispielsweise in der Me- dizintechnik. Münzer meinte, für die Mehrheit der Unternehmen erscheine das derzeitige Szenario beherrschbar. upl Verband eine Angleichung der Mehrwertsteuer vom Bund. Vom Land wünscht er sich - auf die familiengeführten Traditionsbetriebe bezogen - ein förderndes Investitionsprogramm, um die Kultur der Dorfgasthäuser zu erhalten und ih- nen bei der Modernisierung und Digitalisierung zu helfen. Diese Gasthäuser seien Treffpunkte, Kommunikationsorte, Kulturgüter, Dorfzentren und Wohnzimmer für die Bürger kleiner Orte in einem. Das Land Bayern, so Wäschle, stelle mehrere Millionen im Jahr für solche Häuser bereit. Als weitere Probleme nannte Wäschle, der sich auf Berichte der 18 Kreisvorstände bei der Versammlung stützte, die unflexiblen Arbeitszeiten sowie Ertragsprobleme. Der Ver- band plädiert für die Einführung von Wochenar- beitszeiten. Schwierig sei nach wie vor auch die Personalsituation, obwohl, das betonte Wäsch- le, die Zahl der Mitarbeiter in den vergangenen fünf Jahren um circa 15 Prozent gestiegen sei. Dies genüge jedoch noch nicht. Er und seine Kollegen begrüßten deshalb, dass das Fachkräfteeinwanderungs- gesetz auf den Weg gebracht wurde. In Südbaden gibt es derzeit (Stand April 2019) knapp 1.900 Hotels, Gasthöfe und Pensionen mit zehn und mehr Betten, circa 25 weniger als im Jahr 2018. Sie verzeichneten im vergangenen Jahr 13,5 Millionen Über- nachtungen, das waren 1,6 Prozent mehr als 2017. In der Hotellerie waren 22.400 Beschäftigte tätig, in der Gastro- nomie 61.100. Der Umsatz im Gastgewerbe insgesamt (Hotels, Gasthöfe, Pensionen, aber auch Caterer, Knei- pen, Clubs und ähnliches) lag bei 3,46 Milliarden Euro (Vorjahr: 3,47 Milliarden Euro), darunter derjenige des beherbergenden Gastgewerbes bei 1,15 Milliarden Euro (1,12 Milliarden Euro) und derjenige der Gastronomie bei 1,93 Milliarden Euro (1,97 Milliarden Euro). upl »Wer eine Dorfwirtschaft führt, kann sich keinen Verwaltungs- apparat leisten« Peter Ehrhardt Stellvertretender Präsident Dehoga Schwarzwald- Bodensee Bild: Andie_Alpion - Fotolia

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