Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August '19 - Hochrhein-Bodensee

Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2019 46 Themen & TrendS Unternehmensnachfolge im ländlichen Raum Auf der Suche nach D ie Farbe des Punktes, den die Besucher sich ans revers kleben konnten, verriet den Grund für ihre Teilnahme: Orange trugen diejenigen, die sich für die Übergabe eines Unternehmens interes- sierten, hellblau die potenziellen Übernehmer. Orange war leicht in der Überzahl. Was wenig verwunderlich ist, wie Zahlen des Instituts für mittelstandforschung (Ifm) zeigen, die michael Bertram, Leiter des Geschäftsbe- reichs existenzgründung und Unternehmensförderung der IhK Südlicher Oberrhein, präsentierte. demnach gehen in Baden-Württemberg zwischen 2018 und 2022 rund 22.000 Betriebe mit zusammen etwa 370.000 Beschäftigten die nachfolge an. Auf den regierungs- bezirk Freiburg dürften etwa ein Viertel davon, also gut 5.000 Betriebe mit rund 90.000 mitarbeitern, entfallen. etwas mehr als die hälfte der Unternehmen (53 Pro- zent) findet laut Ifm einen nachfolger in der Familie, 29 Prozent gehen an einen externen nachfolger, 18 Prozent an einen eigenen mitarbeiter in Form eines management-Buy-outs. dementsprechend gelte es, das Thema nachfolge aus drei Blickwinkeln zu betrachten, sagte Bertram: erstens natürlich aus der des Überge- bers, der sein Lebenswerk in möglichst gute hände geben will. Zweitens aus Sicht des Übernehmers, für den die nachfolge eine Gründung ist und der darin die Chance sieht, ein eingeführtes Unternehmen weiter- zuführen, es aber auch für neue herausforderungen wie die digitalisierung fit zu machen. Und drittens ist nachfolge natürlich auch ein regionales Thema. denn die Fortführung des Unternehmens und die Sicherung seiner Arbeitsplätze tragen zum Wohl der region bei. „daran ist auch die IhK interessiert, deshalb gibt es diese Veranstaltung“, betonte Betram. eigene Zahlen zum Thema nachfolge hat die darauf spezialisierte Unternehmensberatung K.e.r.n. erhoben. Sie hat alle 79 IhK-Bezirke in deutschland analysiert und bei den drei IhKs im regierungsbezirk Freiburg (hochrhein-Bodensee, Schwarzwald-Baar-heuberg und Südlicher Oberrhein) rund 12.500 kleine und mittelstän- Bei fast der Hälfte der kleinen Betriebe im Regierungsbezirk Freiburg ist der Chef älter als 55 Jahre, sollte also das Thema Nachfolge in den Blick nehmen. Einige taten dies jüngst auf der Veranstaltung „Unternehmensnachfolge im ländlichen Raum“, zu der die drei IHKs im Regierungsbezirk gemeinsam ins Kurhaus Titisee eingeladen hatten. Rund hundert Teilnehmer zählten die Veranstalter, etwa 60 Prozent davon waren potenzielle Übergeber. dische Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 250.000 euro und fünf millionen euro erfasst. Bei 42 Prozent dieser Betriebe ist der Chef älter als 55 Jahre, sollte also an die nachfolge denken. Bis 2022 steigt der Anteil übergaberelevanter Unternehmen auf 62 Prozent. Karl rehfuss von K.e.r.n präsentierte familienin- und externe nachfolgemodelle sowie mischformen – von der klassischen Übergabe sowohl der Anteile als auch der Führung an Familienmitglieder, über management- Buy-ins und -Buy-outs, also entweder an externe oder an ehemalige mitarbeiter, bis zu Fremdmanagement mit dem Verbleib des Kapitals in der Familie sowie der Beteiligung von Investoren bei familieninterner Ge- schäftsleitung. Und er gab Tipps, die unabhängig vom jeweiligen nachfolgemodell gelten. ein wichtiger Faktor ist die Zeit. „es ist nie zu früh, an später zu denken“, sagte rehfuss. der richtige Zeitpunkt, die nachfolge anzugehen, sei gerade dann, wenn man denkt „ich habe noch Zeit“. Auch Bertram Paganini, Geschäftsführer existenzgründung und Unternehmensförderung der IhK hochrhein-Bodensee, mahnte, die Zeit im Blick zu ha- ben: „die Fachkräftesituation in der region sorgt dafür, dass die Übergabe vielleicht länger dauert.“ das darf aber laut rehfuss nicht bedeuten, dass man Investitionen aufschiebt, denn das mache sich am ende beim Preis bemerkbar. Überge- ber sollten vielmehr die halle noch bauen, die maschinen noch kaufen, also weitermachen, als wollten sie ihr Unternehmen noch weitere zehn Jahren führen. So stellen sie dessen Zu- kunftsfähigkeit sicher. Gleichzeitig aber geht es darum, loszulassen und zu delegieren. „Schon kleinste Schritte, die man anderen übergibt, bringen Sie einen großen Schritt nach vorne“, appellierte der nachfolgeexperte an die Überge- ber. Auch die potenziellen Käufer müssten sich gut vorbereiten, am besten ein Profil erstellen, was genau sie können und was sie suchen. Und sie müssten sich Gedanken über finanzielle Aspekte machen. rehfuss hat schon häufig beobachtet, dass Übernehmer, die Jahresgehälter von mehreren 100.000 euro beziehen, von den kargen Salären, die sich manch ein Firmeninha- ber auszahlt, sehr überrascht sind. deshalb stellt er zu Beginn seiner Beratung gerne die grundlegende Frage: „Weiß Ihre Frau über Ihre Pläne Bescheid?“ In die gleiche richtung zielte michael Ulmer vom rKW Baden-Württemberg, der den Workshop Industrie leitete. „Zu einem Zwanzig-mann- Betrieb kann kein geschasster manager vom daimler kommen, der meint, er bekommt wieder zwei Assistenten“, sagte der Unter- »Die Halle noch bauen, die Maschinen noch kaufen, weitermachen, als wolle man das Unterneh- men weitere zehn Jahre führen« Karl Rehfuss , K.e.r.n – die nachfolgespe- zialisten, Stuttgart Bild: art3d2- iStock

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