Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juni'19 - Hochrhein-Bodensee

6 | 2019 Wirtschaft im Südwesten 55 STEUERN PRAXISWISSEN Mittelvorsorgepflicht trifft auch ausgeschiedene Geschäftsführer Geschäftsführer haften für Steuerschulden D as Steuerrecht sieht neben der Zahlungspflicht des Steuerpflichtigen vor, dass Geschäftsführer und andere gesetzliche Vertreter natürlicher wie ju- ristischer Personen und Personenvereinigungen für deren Steuerschulden – unter den Voraussetzungen des § 69 AO – mit ihrem eigenen Vermögen haften. Voraussetzung für solch eine persönliche Haftung ist, dass der Geschäftsführer seine Pflichten zur Abgabe einer Steuererklärung oder zur Entrichtung der Steuer- schuld verletzt hat. Zu diesen Pflichten zählt auch die sogenannte Mittelvorsorgepflicht. Danach muss der Geschäftsführer ausreichend Mittel bereithalten, um eine Steuer bei deren Fälligkeit bezahlen zu können. Eine zumindest grob fahrlässige Verletzung dieser Mit- telvorsorgepflicht liegt selbst dann vor, wenn der Ge- schäftsführer zwar ausreichend Vermögen auf einem Bankkonto bereithält, gleichzeitig aber Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die Gesellschaft die Steuer- last bei Fälligkeit dennoch nicht wird begleichen kön- nen (zum Beispiel aufgrund Sicherungsrecht Dritter). Der Geschäftsführer muss die Steuerzahlung vielmehr für die Finanzverwaltung sichern und darf nicht der Finanzverwaltung den Zugriff auf das Bankkonto in sonstiger Weise entziehen. Dies alles gilt selbst dann, wenn der Geschäftsführer bei Fälligkeit der Steuer abberufen ist oder sein Amt zu diesem Zeitpunkt nie- dergelegt hatte (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.01.2019 – 4 K 4233/16). Wer als Geschäftsführer ausscheidet, muss also sicher- stellen, dass die Finanzverwaltung zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld bedient werden kann. Beste- hen bereits bei Austritt des Geschäftsführers Zweifel daran – beispielsweise weil sämtliches Vermögen belastet ist –, sollte der Geschäfts- führer gewährleisten, dass ausreichend Mittel für die Befriedigung der Steuerlast, ge- schützt vor dem Zugriff anderer, für die Finanzverwaltung bereitgehalten werden. Stefan Lammel Friedrich Graf von Westphalen & Partner „Hornbach“-Urteil des EuGH zu grenzüberschreitenden Nutzungsüberlassungen Nur bedingt europarechtskonform A usgangssachverhalt für die spätere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) war eine deutsche Muttergesellschaft, die auf Verlangen einer Bank eine unentgeltliche Patronatserklärung zur Besi- cherung der Kredite für die im EU-Ausland ansässigen Tochtergesellschaften gewährt hatte. Die Gesellschaf- ten wiesen ein negatives Eigenkapital auf und waren zur Weiterführung des Geschäftsbetriebs auf die Bankkre- dite angewiesen. Nach deutschem Recht führt diese Abgabe der Patronatserklärung – sofern kein fremdüb- liches Entgelt in Form einer Avalprovision vereinbart ist – grundsätzlich zur Einkommenskorrektur (über § 1 AStG). Im Inland hätte es keine derartige Einkom- menskorrektur gegeben; deshalb wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 1 AStG eine unzulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit beinhaltet. Hierzu hat der EuGH entschieden, dass eine nationale Regelung wie die des § 1 AStG die Möglichkeit ein- räumen müsse, dass der Steuerpflichtige nachweis- lich wirtschaftliche Gründe für den Abschluss der Geschäfte hatte (Urteil vom 31.05.2018, C-382/16 „Hornbach“). Folglich rechtfertigen im Urteilsfall wirtschaftliche Gründe die Überlassung von Kapital unter nicht fremdüblichen Bedingungen. Darauf hat das Bundesfinanzministerium (BMF) in einem Schrei- ben vom 6. Dezember 2018 für die Finanzverwaltung festgelegt, dass eine Korrektur nach § 1 AStG unter- bleiben soll, soweit der Steuerpflichtige sachbezogene, wirtschaftliche Gründe nachweisen kann, die eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung erfordern, um die sonst bedrohte wirtschaftliche Exis- tenz zu sichern (sanierungsbedingte Maßnahme). Nur so ist § 1 AStG europarechtskonform. Obwohl der EuGH den auf EU-Auslandskonstellationen zugeschnittenen § 1 AStG nur bedingt als europa- rechtskonform anerkennt, ist der Anwendungsbereich des Urteils nicht abschließend geklärt und dürfte im Einzelfall schwierig sein. Die Reichweite des Urteils darf nicht unterschätzt werden, weil es beispielswei- se fraglich bleibt, ob auch bei verbilligter Warenliefe- rung aufgrund wirtschaftlicher Gründe eine Korrektur nach § 1 AStG unterbleiben könnte oder wie mit der Diskrepanz zwischen nationalem und internationalem Recht bei Nutzungseinlagen umzugehen ist. Für die Zukunft ist abzuwarten, wie die nationalen Gerichte auf die EuGH-Entscheidung aufbauen und inwiefern eine Anwendbarkeit auf Drittstaatenfälle möglich ist. Aktuell wird dies vom BMF verneint, da sich der EuGH in seinem Urteil auch auf die Niederlassungsfreiheit berufen hat. Claudio Schmitt, Bansbach GmbH Reichweite des Urteils darf nicht unterschätzt werden Sicherstellen, dass Finanz- verwaltung bedient werden kann Bild: Mike Espenhain

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