Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September'18 - Schwarzwald-Baar-Heuberg

Wirtschaft im Südwesten 9 | 2018 54 THEMEN & TRENDS WVIB fordert fairen Umgang in der Lieferkette der Automobilindustrie Konjunktur kaum noch zu toppen U nd dies trotz der politischen Großwetterlage (vor allem der Abschottungstendenzen der USA), eines leergefegten Arbeitsmarktes und Versorgungsengpässen bei Stahl, Kunststoffgranulaten und Elektronikbauteilen, wie Christoph Münzer, Haupt- geschäftsführer des Verbandes, bei einem Pressege- spräch ausführte. Bernd Neugart, Präsidiumsmitglied des WVIB, meinte, das weltpolitische Umfeld passe derzeit nicht zum superguten Geschäft. Alle warteten darauf, dass etwas passiert. Wilhelm Hahn, Beirats- mitglied des Verbandes, sagte, die Situation sei nicht unähnlich den Jahren 2008 und 2009. Gegenüber dem Vorjahressommer verzeichneten die Mitgliedsunternehmen (300 der 1.000 Mitglieder be- teiligen sich regelmäßig an der Umfrage) ein Umsatz- plus von durchschnittlich 10,2 Prozent. Der hohe Wert der Vorjahresperiode (7,4 Prozent) ist damit nochmals deutlich verbessert worden. Ähnlich die Auftragslage: Im Schnitt gingen 11,3 Prozent mehr Aufträge bei den Befragten ein als vor einem Jahr und 71 Prozent der Unternehmen melden gestiegene Auftragseingänge (68 Prozent). Al- lerdings stellt der WVIB auch fest, dass seine Mitglieder etwas weniger positiv in die Zukunft blicken. Noch 44 Prozent (47 Prozent im Vorjahr) erwarten für das zweite Halbjahr 2018 stei- gende Umsätze und von steigenden Aufträgen gehen 26 Prozent aus, im Vorjahr waren das 38 Prozent. 44 Prozent schätzen die Ertragslage als gut ein (41 Prozent) und 16 Prozent gehen für die Zukunft von einer weiteren Verbesserung aus (19 Prozent). Die Anzahl der Beschäftigten stieg in den Betrieben um circa 4.000 Personen, und 35 Prozent (40 Prozent) gehen von weiter steigenden Mitarbeiterzahlen aus. Rund 20 Prozent melden, dass sie überausgelastet sind (vor einem Jahr 15 Prozent), 71 Prozent melden volle und nur 19 Prozent eine mangelnde Auslastung. Die durchschnittliche Investitionsquote (gemessen am Umsatz) ist von 6,6 auf 6,8 Prozent angestiegen, 26 Prozent (Vorjahr 35 Prozent) gehen von einem wei- teren Anstieg der Investitionen im zweiten Halbjahr 2018 aus. Ein bemerkenswertes Ergebnis brachte eine Zusatzfrage nach dem Nutzen und den Kosten der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO): 93 Prozent gaben an, der Aufwand übersteige den Nutzen, die Unternehmen rechnen mit größenabhängigen Belas- tungen pro Betrieb von 10.000 bis 500.000 Euro. Das sind Kosten, die die gesamte Mittelstandsförderung übertreffen, so führte Christoph Münzer aus. Zwei Wochen zuvor hatte der WVIB eine Initiative vorgestellt, die einen fairen Umgang in der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie fordert. Rund 300 Automobilzulieferer sind im Verband tätig. Davon ha- ben 124 (sie stehen für 6,5 Milliarden Euro Umsatz und 37.000 Mitarbeiter) ein Positionspapier unterzeichnet, in dem eine verbesserte und auf Kosten sowie Inno- vationswettbewerb gerichtete Zusammenarbeit zwi- schen den Zulieferern und den Konzernen gefordert wird. Wie WVIB-Präsident Thomas Burger (selbst mit seiner Burger Group zu 50 Prozent im Automotivesek- tor tätig) registrierte, gäbe es eine schrittweise Abkehr von den guten Sitten. Man habe sich während der vergangenen Jahre vom Ideal des ehrbaren Kaufmanns entfernt. Die Automobilindustrie und deren Tier-1 (große Zulieferer) seien derzeit vor allem von unverhohlener Ausübung von Marktmacht gekennzeichnet. Verträge würden nicht in beide Richtungen gelten, das Recht des Stärkeren gehe oft vor Vernunft und einer Lösung, die beiden Seiten nutzen könnten. Die Automotiveindustrie feiere einen Gewinnrekord nach dem anderen, ihr Ansehen habe aber Dank der Skan- dalisierung der deutschen Hersteller im Ausland und dem arg eindimensionalen Diesel-Bashing gelitten. Gerade in solchen Zeiten, so Burger, sollte man zu- sammenhalten und nach Innovationen suchen. Mit ausgebluteten Zulieferern werde aber kein Innovations- wettbewerb gelingen. Konkret angesprochen wurden im Pressegespräch Gewährleistungsverlängerungen, von denen auch Altgeschäfte betroffen seien, nach- trägliche Verkürzung von Zahlungszielen, geringer Schutz von geistigem Eigentum bei der Zusammenar- beit mit Großen. Burger meinte, es müsste doch nicht erst zu Insolvenzen kommen, bevor die Autohersteller und großen Zulieferer bemerken, dass sie die Kleinen brauchten. Dabei gehe es nicht um das (akzeptierte) Faktum, dass sowieso jedes Jahr Preisreduktionen anstünden, sondern es gehe um Fairness. orn DS-GVO kostet 10.000 bis 500.000 Euro pro Betrieb »Es muss ja nicht erst zu Insolven- zen kommen« Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (WVIB „Schwarzwald AG“) stellt zur Jahresmitte bei seinen Mitgliedsunternehmen auf breiter Front ein kaum noch zu steigerndes Wachstum und eine dementsprechende Stimmungslage fest.

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