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Wirtschaft im Südwesten
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Die Landesgartenschau in Lahr ist mit ihrem Investitionsvolumen von 58 Millionen
Euro eine der größten Veranstaltungen dieser Art im Land. Das Geld floss vor
allem in viele bleibende Bauwerke wie die Ortenau-Brücke über die B415, eine
Mehrzweck- und eine Sporthalle sowie eine Kindertagesstätte. Damit hat sich
die 46.000-Einwohner-Stadt eine neue grüne Mitte im Westen geschaffen.
E
s ist gelaufen, wie es immer läuft bei der Eröff-
nung von Großprojekten: Vorne kommen die
Ehrengäste im Anzug und Kostüm rein und hin-
ten gehen die Handwerker im Blaumann
raus. Die Landesgartenschau 2018 in Lahr
machte da keine Ausnahme. Sogar das
Renommierobjekt, die spektakuläre „Or-
tenau-Brücke“ (5,5 Millionen Euro Baukos-
ten) der Berliner Architekten Henichon und
Reuter über die Bundesstraße 415 ist nicht
nur fertig, sondern auch rechtzeitig begeh-
bar geworden. Mit einem Jahr Verspätung
zwar und erst nach einem dringlichen Sonderflug im
Februar, zu dem Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller
mit dem Flugzeug von Tunnelmaschinenbauer Martin
Herrenknecht nach Ostwestfalen zum dortigen Stahl-
bauer starten musste, um energisch auf rechtzeitige
Lieferung der noch fehlenden Endstücke zu pochen. Ab-
gehakt. Vergessen auch die unerwartete Überraschung,
dass es sogar am milden Oberrhein Mitte März noch
schneien und gefrieren kann. Die bereits keimenden und
knospenden Blumen, Sträucher und Stauden mussten
mehrfach auf- und wieder zugedeckt werden.
Alles Schnee von gestern, die Show hat am 12. April
begonnen und soll über 800.000 Besucher anlocken.
„Besser ein paar mehr“, wünscht sich der jetzt 66 Jahre
alte Oberbürgermeister Müller, der im nächsten Jahr
seinen Abschied nehmen und dann noch einmal eine
„neue Herausforderung“ angehen will – wohl in seinem
Traumland Brasilien, wo er lange als Wirtschaftsatta-
ché der Deutschen Botschaft gearbeitet hat. Ein paar
mehr als die konservativ geschätzten 800.000 Besu-
cher würden nämlich die Gewinn- und Verlustrechnung
der Landesgartenschau aus den roten Zahlen bringen.
Denn es ist viel investiert worden in ein Projekt, das
mehr ist als eine kurzlebige Blümchenschau.
Auf 38 Hektar Fläche werden im Lahrer Westen an den
186 Öffnungstagen bis zum 14. Oktober nicht nur zahl-
lose vielfarbige Arrangements mit Millionen von Blu-
men und Blüten, Stauden, Bäumen und Sträuchern zu
besichtigen sein. Auf 4.000 Quadratmetern wird der
Wechselflor mehrfach ausgetauscht.
Das von der Stadt, dem Landkreis Or-
tenau, dem Land Baden-Württemberg,
Sponsoren, Vereinen und Bürgerinitia-
tiven mitgestaltete Programm umfasst
rund 4.000 Einzelveranstaltungen. Die
Palette reicht vom Auftritt des Lieder-
machers Gregor Meyle über ein Lan-
desmusikfestival bis zum Kerzenziehen
in der Hirtenhütte der Evangelischen Kirche. Auch die
regionale Wirtschaft wird mit vielen Veranstaltungen an
speziellen Thementagen ihren Anteil an der Wertschöp-
fung in der Region unter Beweis stellen (siehe Seite 9).
E
rst im zweiten Anlauf hat die mit 46.000 Ein-
wohnern zweitgrößte Stadt im Ortenaukreis den
Zuschlag für die Landesgartenschau bekommen.
Die erste Lahrer Bewerbung nach dem Gemeinderatsbe-
schluss von 1999 fiel bei der Prüfungskommission durch.
Spötter sagen, das Konzept hätte höchstens für eine „Gär-
tleschau“ gereicht. Doch die Lahrer ließen nicht locker
und suchten nicht nur ein anderes Gelände aus, sondern
dachten groß und langfristig, und das hat sich am Ende
gelohnt. Im Dezember 2009 bekam Lahr den Zuschlag für
die erneute Bewerbung – mitten in der weltweiten Finanz-
und Wirtschaftskrise. Nicht wenige Lahrer hatten damals
leichtes Bauchweh, als die Kosten bekannt wurden.
Allein für Gelände und Bauwerke mussten 58 Millionen
Euro aufgebracht werden. Damit ist die Veranstaltung
in Lahr eine der größeren Landesgartenschauen in
Baden-Württemberg. Schwäbisch Gmünd (2014: 38
Millionen Euro) und Öhringen (2016: 23 Millionen Euro)
investierten deutlich weniger. Die Investitionen werden
den Lahrer Haushalt nach Angaben des Oberbürger-
meisters zwar belasten, die damit verbundene Neuver-
Lahr nutzt die Landesgartenschau zur Stadtentwicklung
Mehr als
Blümchen
Die Lahrer
dachten groß
und langfristig –
das hat
sich gelohnt