Wirtschaft im Südwesten
10 | 2017
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Schramberger Schreibgeräte
Spitze mit Kugel
In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen
wir Produkte vor, die viele kennen, von denen
aber wenige wissen, dass sie in der Region
hergestellt werden. Diesmal: ein Kugelschreiber
von Schneider aus Schramberg-Tennenbronn.
Text: ka , Bild: Schneider
Alles außer Holz
Schneider produziert sehr viele Stifte, allein mehre-
re Dutzend verschiedene Kugelschreiber: vom klas-
sischen „K 15“ oder dem einfacheren „Tops 505“,
die auf unserer Inhaltsseite zu sehen sind, bis zu
modernen Modellen wie diesem „Slider Rave“,
der sich gerade zu einem Bestseller in Deutschland
entwickelt. Über eine Million davon wird Schneider
voraussichtlich dieses Jahr absetzen. Den abso-
luten Topseller, den „Tops 505“, verkaufen die
Schramberger sogar 165 Millionen Mal jährlich,
vor allem außerhalb Deutschlands. Dazu kommen
Füllhalter, Faserschreiber, Tintenroller, Textmarker
– kurz: sämtliche Schreibgerättechniken außer
Holz. Insgesamt umfasst das Sortiment weit über
100 Modelle in vielen Varianten. Bei allen seinen
Produkten generiert das Unternehmen rund 90
Prozent der Wertschöpfung selbst.
Auf Wunsch mit Logo
Die Kunststoffhüllen fertigt Schneider im Spritz-
gussverfahren, ebenso beispielsweise den Rotor
im Druckknopf, der dafür sorgt, dass sich die Mine
bei jedem Druck um 45 Grad dreht und so gleich-
mäßig abnutzt. Wenige Metallteile wie die Clips
kauft das Unternehmen bei deutschen Herstellern
ein. Die Montage erfolgt weitestgehend automa-
tisch: Eine Maschine bedruckt die Minen, füllt sie,
bestückt sie mit der Spitze und verschließt sie. Eine
andere Maschine dreht Federn aus Draht und setzt
die Einzelteile zum Kugelschreiber zusammen. Auf
Wunsch erhält der Stift per Tampon-, Sieb- oder
Digitaldruck das Logo eines Werbekunden.
24 Schritte für das Herzstück
Jeder Stift, der das Schneider-Werk in Tennenbronn verlässt, hat hunderte
Meter durch die unterschiedlichen Produktionseinheiten zurückgelegt und
ist in vielen einzelnen Arbeitsschritten entstanden. Allein 24 erfordert das
Herzstück des abgebildeten„Slider Rave“-Kugelschreibers: seine Spitze.
Aus einem Edelstahldraht schneidet eine Maschine zehn Millimeter lange
Stückchen und prägt ein Bett für die 1,4 Millimeter große Kugel sowie
sechs Kanäle für die Tinte, die beim Kugelschreiber Paste heißt. Sie sind
viermal dünner als ein Haar, nur unter dem Mikroskop erkennbar und
bestimmen unter anderem, wie gut der Kugelschreiber funktioniert. Die
Kugel braucht ausreichend Bewegungsfreiheit, aber zuviel Luft könnte zum
Klecksen führen. Beim „Slider Rave“ drückt zusätzlich eine winzige Feder
in der Spitze die Kugel nach vorn und versiegelt die Spitze. 120 Spitzen-
arten hat Schneider im Sortiment, 1,5 Millionen entstehen jeden Tag.
In 130 Länder
Das Unternehmen wurde 1938 gegründet, fertigte zunächst
Schrauben und Drehteile, seit Ende der 1940er-Jahre Kugel-
schreiberminen, seit den 1960er-Jahren ganze Kugelschrei-
ber sowie viele andere Stifte und seit 1991, als der zweite
Standort in Werningerode (Sachsen-Anhalt) hinzukam, auch
Füllhalter und Tintenschreiber. Die Schneider Schreibgeräte
GmbH ist laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK)
Marktführer in Deutschland. Sie wird heute in dritter Gene-
ration von Christian Schneider geleitet, beschäftigt aktuell
etwa 600 Mitarbeiter, 400 am Stammsitz in Schramberg-
Tennenbronn. Das Unternehmen generiert 60 Prozent des
Umsatzes außerhalb Deutschlands. Schreibgeräte aus dem
Schwarzwald gibt es auf der ganzen Welt. Schneider expor-
tiert über eigene Vertriebstöchter nach Frankreich, Belgien
und in die Niederlande sowie über Handelspartner in rund
130 Länder. Negative Auswirkungen der Digitalisierung
spürt das Unternehmen nicht. Im Gegenteil: Gegentrends
wie Ausmalbücher beflügeln das Geschäft.