Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'25 -Südlicher Oberrhein

„Den meisten Kollegen sind inzwischen die Hände gebunden. Sie haben kein eigenes Geld mehr, sie kriegen kein frisches, die Rah- menbedingungen werden immer schwieri- ger und in so einer Lage kommt man auch nicht mehr unbedingt auf gute Ideen.“ Gute Lagen sorgen für gute Geschäfte… Ortswechsel. Wir fahren von Durbach nach Konstanz – wo die „Fischerin vom Bodensee“ auf der Speisekarte steht. Kell- nerin Laura Jung serviert Salat mit Zanderknusperle im Konstanzer Wessenberg-Restaurant. Die Mittagszeit beginnt, der Innenhof füllt sich, und Lauras Chef Anselm Venedey betont mehrfach, dass sich seine positiven Eindrücke auf Konstanz beziehen. Ihm geht’s gut. „Wir sind in einer privilegierten Lage“, erzählt er. Konstanz ist Urlaubsregion, die Stadt wächst und ist als Einkaufs- und Gastrometropole speziell für Schweizer Kunden attraktiv, was dazu führt, dass die Stadt samstags Verkehrskadetten einsetzt, um den Autoverkehr rund um die historische Altstadt zu regeln. Seit 1998 leitet Venedey das Wessenberg- Restaurant, 2012 kam die Brasserie Ignaz gegenüber vom Bahnhof hinzu, 2017 das Cafe Heinrichs. In den Corona-Lockdowns hat er dort einen Straßenverkauf eröffnet – als eine Art Beschäftigungstherapie. „Es hat Spaß gemacht, mit den Leuten zu ratschen.“ Viel Gelegenheit, sich live und in Farbe zu treffen, gab es damals nicht. Aber: Was für viele Gastronomen ein herber Dämpfer, für manche sogar das endgültige Aus war, hat Venedey gut verkraftet. „Die Hilfen vom Staat waren üppig für uns, die Rückzahlungen für uns kein Prob- lem.“ Rund fünf Millionen Jahres- umsatz erwirtschaften seine drei Lokale. Aber wieder er- gänzt er: „Wir reden hier von Konstanz, anderswo mag es anders aussehen!“ Nachfolger? Schwierig… In der Tat sieht es oft nicht rosig aus. Alexandra Mußler beschreibt die Entwicklung wenig euphorisch mit: „Das leise Sterben der Gastronomie“. Mußler lei- tet das Hotel Storchen in Riedmatt, einem Stadtteil im Norden von Rheinfel- den. Als Vorsitzende der örtlichen Dehoga-Kreis- stelle kennt sie die Sorgen und Nöte ihrer Kollegen aus erster Hand. Vorschrif- ten, Bürokratie, Formulare. Steigende Kosten, sinken- de Kaufkraft. Und immer weniger gesellschaftliche Anerkennung. „Es ist wirklich erschreckend, wie viele alteingesessene Betriebe zuma- chen“, sagt Mußler. „Erst letzte Woche hat mir ein Kollege mitgeteilt, dass sie aufhören, weil die Kinder nicht weitermachen.“ Späte Feierabende, wenig Sicherheit, kaum Urlaub – Kinder, die in Gasthäusern groß wurden, haben gesehen, was es bedeutet, Gastronom zu sein. Immer häufiger hinterfra- ge der Nachwuchs daher, ob es Sinn macht, den Betrieb der Eltern zu übernehmen. Es gibt daher alarmierende Zahlen für eine der führenden Dienstleistungsbranchen im Land: 27600 gastgewerbliche Betriebe zählte der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga 2023 für Baden-Württemberg, der Nettoumsatz: 14,8 Milliarden Euro. „Die Branche hat ge- genüber 2019 rund 3200 Betriebe verloren, vor allem im ländlichen Raum und im klas- sischen Bereich der Restaurants mit Bedie- nung“, heißt es in der Statistik von Mai 2025. Jedes fünfte Restaurant ist schon weg Peter Ehrhardt, Dehoga-Landesvorstand und Inhaber des Landgasthofs Adler in Hoch- stetten südlich vom Kaiserstuhl, filetiert die Zahlen noch etwas genauer: Die Zahl der traditionellen Restaurants ging in Baden- Württemberg von 11924 (2013) auf 9728 (2023) zurück – ein Minus von gut 18 Prozent. Dagegen hat die Zahl der Imbissstuben von 3464 auf 4261 zugenommen – ein Zuwachs von 23 Prozent. „Nach unserer Einschätzung siedeln sich Imbissstuben eher in frequenz- starken Städten an als im ländlichen Raum“, erklärt Ehrhardt. Die wiederum sind weniger personalintensiv, was sich bei einer Zunahme der Arbeitskosten (im Gastgewerbe seit 2022 um mehr als 30 Prozent) deutlich auswirkt – pro Fastfood, pro Convenience. Diesem Trend folgend drängen neue Wettbewerber in die Branche – allen voran der Handel. Ede- ka etwa ist mit Heißtheken, Salatbars und Fertiggerichten zum siebtgrößten Systemg- astronom in Deutschland avanciert. Gastro- Umsatz 2024: rund 390 Millionen Euro. Ehrhardt spricht auch deshalb über „steuerliche Diskriminierung von Essen im Restaurant, das mit 19 Prozent Mehrwertsteuer verkauft werden muss, während für Imbiss zum Mitnehmen sieben Pro- zent gelten.“ Das Problem schaffe die neue Bundes- regierung ab Januar 2026 zwar aus der Welt. Doch neue Belastungen sind schon am Horizont: ein weiter steigender Mindestlohn (ohne Rück- sicht auf Trinkgelder) und die zunehmende Einführung neuer kommunaler Steuern und Abgaben: Bettensteuer hier, Verpackungs- steuer dort. Ehrhardt: „Dass damit massiv neue Bürokratie aufgebaut wird, ist aus un- serer Sicht ein erhebliches Problem.“ Eckhart Fink In Konstanz läuft‘s noch – den Schweizern sei Dank: Auch zur Mittagszeit gibt es hier noch frische Salate und persönlichen Service mit Menschen wie Laura Jung. 52 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2025 „Es ist wirklich erschreckend, wie viele alteingesessene Betriebe zumachen“

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