Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'25 -Südlicher Oberrhein

43 7+8 | 2025 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Michael Steiger. „Deshalb haben wir eine Zwei plus Zwei mit ihm gemacht.“ Zwei Jahre Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe, zwei Jahre Bleiberecht. „Die ersten Jahre mit der neuen Sprache waren schwer“, erinnert sich Sey. Als Hilfs- kraft reicht ein kleines Vokabular, aber die Berufsschule erfordert ein größeres. Zeit für einen weiteren Sprachkurs. „Ich habe mich aus allen sozialen Kontakten zurückgezogen und bis zum Umfallen gelernt. Die Kollegen waren mir eine große Hilfe, wenn ich etwa Probleme hatte, ein Rezept auf Deutsch aufzuschreiben. Kochen kann ich, Deutsch schreiben ist schwierig.“ Inzwischen kocht Sulayman Sey seit fünf Jahren im Irish Pub in Tuttlingen, hat eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und schätzt die Arbeit am Herd und im Team. Sein größter Traum: Die Familie nachholen – und irgendwann einmal eine eigene kleine Gastronomie eröffnen. Unterschiede einplanen Dass die Zusammenarbeit in einem multilin- gualen Team Sprengstoff birgt, davon kann Pub-Chef Steiger ein Lied singen: „Der eine sagt etwas, der andere glaubt, er habe ka- piert und nickt. Am Ende stellt sich heraus, dass man sich doch nicht verstanden hat.“ Keine Seltenheit – und anstrengend in dem schnellen Arbeitstempo einer Küche. „Es gibt Kulturkreise, in denen Dinge so offen ausgesprochen werden wie hierzulande“, ergänzt Hina Raza, bei der IHK Hochrhein- Bodensee zuständig für die Integration junger Eingewanderter. „Unsere Direktheit irritiert zurückhaltendere Kulturen.“ Nachfragen wür- den oft aus Respekt nicht gestellt. Irgendwie geht’s aber immer, meint Michael Steiger: „Wenn ich mit ‚Gib mal Gas‘ nicht verstanden werde, dann eben mit ‚Mach mal Michael Schumacher‘.“ Sein Tipp: Probleme bespre- chen. Das mache sie nicht kleiner, aber man gehe danach gelöster miteinander um. Ganz wichtig: fragen, fragen, fragen… Auch Bakisi Nsakala hat die Kommunikation in seiner Social Media Agentur angepasst, seit Alona Markina und Serhii Skachkov das insgesamt achtköpfige Team ergänzen. Der junge Deutsche ist Gründer und Geschäfts- führer der Bakisi Marketing GmbH in Kons- tanz und hat selbst schweizer-jugoslawisch- kongolesische Wurzeln. „Das Flüchtlings- und Gastarbeiterthema war in meiner Familie im- mer präsent. Deshalb freut es mich, dass ich den beiden helfen kann, hier Fuß zu fassen.“ Die studierten Grafikdesigner sind vor zwei Jahren aus dem ukrainischen Melitopol, in der Region Saporischschja, vor dem Krieg geflüchtet und absolvieren in der Social- Media-Agentur von Nsakala ihre Einstiegs- qualifizierung. „Die beiden sind tolle Mitar- beiter mit fantastischer Arbeitseinstellung. Um ihnen das Ankommen in der neuen Sprache und in unseren Abläufen zu erleich- tern, geben wir uns deutlich mehr Mühe mit unseren Briefings, strukturieren sie besser und detaillierter.“ Ein Gewinn für die gesam- te Agentur, findet Nsakala, denn es zwinge einen – unabhängig vom Sprachthema –, die eigene Arbeit nochmals zu hinterfragen. Alona Markina schätzt es sehr, dass der Chef ihnen auch bei Behördengängen zur Seite steht und geduldig unterstützt: „Wir können fragen, fragen, fragen. Bis alles geklärt ist und ohne, dass jemand die Augen verdreht.“ Serhii Skachkov betrachtet die Sprachhürde Bilder: Bakisi Marketing, Michael Steiger Sulayman Sey hat im Irish Pub von Michael Stei- ger (links) eine neue Heimat gefunden und sich hochgearbeitet. In der Marketing-Agentur von Bakisi Nsakala (unten Mitte) absolvieren derweil ukrainische Grafikdesigner ihre Einstiegsqualifizierung – was ebenfalls gut läuft

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