Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'25 - Hochrhein-Bodensee

UNTERNEHMEN Gastronomie Der Kampf der Gastgeber Der Südwesten steht bisher für Gastlichkeit, Kochkunst und Esskultur – aber wie lange noch? Umsätze und Erträge gehen zurück, immer mehr Gastronomen werfen das Handtuch, und das ist nicht nur eine Spätfolge der Corona-Lockdowns… I rgendwo im Südwesten verschwinden auch heute wie- der zwei Restaurants. Aber große Schlagzeilen wird das nicht machen. Ob nun der Hirschen in die ewigen Jagdgründe geht, im Ochsen endgültig der Herd kalt bleibt oder beim Toni die allerletzte Runde ausgeschenkt wird: Der Strukturwandel in der Gastro ist in vollem Gange. „Die Branche steckt in einer extremen Rezession“, gibt Dominic Müller unumwunden zu. Und Müller ist einer, des es wissen muss: Er ist Kreisvor- sitzender des Dehoga in der Ortenau und Inhaber des Hotels Ritter in Durbach. Vier Sterne Superior, 86 Zim- mer. Früher fast so etwas wie eine Gelddruckmaschine, als noch Helmut Kohl seinen Freund François Mitterrand hier auf eine Schneckensuppe eingeladen hat. „Die Aus- lastung bei uns im Hotel ist immer noch gut“, sagt Müller. „Aber die Gastro ist landauf landab brutal rückläufig.“ Immer öfter ordern seine Gäste im Hotelrestaurant ein Viertele statt einer Flasche Wein – manchmal aber wird auch Lieferando aufs Zimmer bestellt und dann trägt je- mand Pizza an der Rezeption vorbei… Das Branchenblatt AHGZ hat das mal gut auf den Punkt gebracht: Es wird nicht am Urlaub gespart – aber im Urlaub. Die Spätfolgen von Corona: aufgezehrte Reserven Hinzu kommt: Auch der Ritter hat Long Covid. Die Gastro- Variante. Um zu verhindern, dass während der Corona- Jahre zu viele Mitarbeiter vom Einzelhandel abgeworben werden, hat Müller das Kurzarbeitergeld aufgestockt. Kein Trinkgeld und dann nur 60 Prozent vom Netto: Da- mit wären viele nicht ausgekommen. Also aufstocken. Eine Million Euro hat Müller dafür aufgenommen, weil er wusste, dass er seine Fachkräfte nur so würde halten können. Diese Million fehlt jetzt, um neue Impulse zu setzen, neue Attraktionen zu finanzieren. In Verbindung mit sinkenden Erlösen und steigenden Kosten (allein das Personal von 2022 auf 2024: plus 32 Prozent) und der eh schon schwierigen Lobby der Branche bei den Banken entwickelt sich ein Teufelskreis, in dem sich der Ritter (dank des Hotelbetriebs) noch einigermaßen halten kann – aber: Das ist eher die Ausnahme als die Regel. Auf der anderen Seite gibt es auch in dieser Branche Krisengewinnler: Im absoluten Luxussegment spielt Geld weiter keine Rolle. Dafür aber muss alles passen: Lage, Image, Angebot, Fanbase – dann geht Champagner auch weiterhin für 1300 Euro flaschenweise über die Theke. Auf der anderen Seite boomen die Systemgastronomie und das Budget-Segment: McDonald’s und Motel One, Ibis Style, BnB-Hotels. Die Branche entwickelt Angebote ohne Service und mit absolut minimalem Personalein- satz. Keine Rezeption, kein Frühstück, oft nicht einmal mehr eigene Reinigungskräfte. Ein Bett, eine Nacht und tschüss. Häuser wie der Ritter können da nicht mithalten, dafür ist das Haus zu verwinkelt, der Anspruch zu hoch, die Lage ungeeignet und die Altlasten zu schwer. Wie es weitergeht? „Wir setzen auf Kreativität und neue Ideen“, sagt Dominic Müller. Mit der multimedialen Dinnershow. „Le petit chef“ sei man in den vergangenen Monaten sehr erfolgreich gewesen. Aber ob solche Glückstreffer die ganze Branche retten können? Wohl eher nicht. Müller: 51

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