Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'25 - Hochrhein-Bodensee
Endress und Hauser Im Glauben an Europa 100 Millionen Euro investiert Endress und Hauser in den Standort Maulburg – und der Mann hinter dieser Entscheidung ist Peter Selders. Was ihn ausmacht, wie er die Zukunft sieht und warum die Schweizer Verbündete suchen, hat der neue CEO unserer Autorin verraten. N ach 17 Monaten hat sich im Büro von Peter Selders schon einiges an- gesammelt. Wenn der CEO von End- ress und Hauser an seinem höhenverstellba- ren Schreibtisch steht, blickt er auf die Wand mit Mitbringseln von seinen Dienstreisen. Da stehen ein silberglänzendes Kamel, kleine Skulpturen und viele Dankeskarten. „Ich sage immer, ich will keine Geschenke, ich arbeite doch genauso in der Firma wie Sie“, sagt Selders und zuckt bescheiden mit den Schultern. Aber der blau-weiß gemusterte Teller aus Mexiko, der sei schon ganz schön, ergänzt er dann. „Ich brauche die Interaktion“ Seit 21 Jahren arbeitet Peter Selders beim weltweit tätigen Anbieter von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die indus- trielle Verfahrenstechnik, seit Januar 2024 ist er Vorstandsvorsitzender. Er ist der erst vierte CEO in 70 Jahren Unternehmensge- schichte – dabei hat die Karriere des pro- movierten Physikers einst als Entwickler mit nur drei Jahren Berufserfahrung begonnen. Über einen Vermittler landete er bei Endress und Hauser. „Ich kannte das Unternehmen vorher gar nicht“, gibt er zu, lacht und schon bilden sich wieder feine Lachfältchen um die blauen Augen hinter der randlosen Brille. Er hat damals eine neue Herausforderung ge- sucht, sein vorheriger Job passte nicht mehr. „Früher hätte ich gesagt, der Job war zu lang- weilig, heute kann ich rückblickend sagen, dass mir der Austausch mit Menschen ge- fehlt hat. Ich brauche die Interaktion“, fasst er zusammen und lächelt wieder. Wie hat er es geschafft vom Entwickler zum Entscheider, vom kreativen Denker zum CEO? „Es hat sich ergeben“, sagt Selders. Eine Konstante gibt es aber doch: „Mir wur- de Vertrauen entgegengebracht.“ Vertrauen darin, dass er den Bau eines 1300 Quadrat- meter großen Reinraums leiten kann, obwohl er das noch nie zuvor getan hatte. Vertrauen darin, dass der Entwickler auch Produktions- leiter, Entwicklungsleiter und später Mana- ging Director sein kann. Nach 20 Jahren im Unternehmen und zahlreichen erfolgreich abgeschlossenen Projekten bekam er den Chefposten der Gruppe angeboten. Dahinter stand der Wunsch der Gesellschafterfamilie nach einem geordneten Übergang: Klaus Endress gab gemäß den selbstgesetzten Statuten mit 75 Jahren sein Amt als Präsi- dent des Verwaltungsrats ab. Auf den Sohn des Unternehmensgründers folgte Matthias Altendorf, der zuvor zehn Jahre CEO war. Und für dessen Nachfolge war Peter Selders vor- gesehen. Keine leichte Entscheidung für den fünffa- chen Familienvater und seine Frau. Wäre der Posten machbar trotz Familie? Schließlich siegte aber die Neugier. „Ich kann jetzt Din- ge integrieren, die vorher nicht zu meinem Aufgabengebiet gehörten – Sales, Markt- strategien, diese Vielfalt reizt mich“, fasst Selders zusammen. Dass die Position mit großen Entscheidungen, langen Arbeitszei- ten und viel Verantwortung einhergeht, das war ihm bewusst. Sein Plan: als CEO will er vorleben, was er von seinen Mitarbeitern fordert. „Practice what you preach“ quasi. Selders sagt es so: „Ich arbeite so, wie ich bin: offen, transparent, vertrauensvoll.“ Eine unkonventionelle, für Selders aber essenti- elle Strategie dafür ist, dass er in vielen Vorstellungsgesprächen dabei ist – egal ob Manager oder Assistenzstelle. Er möchte si- chergehen, dass neue Kollegen in die Firma passen und die Firmenkultur leben können, genauso wie er selbst. Denn das ist Teil der Ziele, die sich Selders auf die Fahne geschrie- ben hat: „Wir sind ein Familienunternehmen mit 70-jähriger Erfolgsgeschichte und wollen das Bewährte bewahren, gleichzeitig aber offen für Veränderungen sein.“ 2025: das Jahr der Rekord-Investitionen Endress und Hauser ist ein High-Tech-Unter- nehmen – und eine Gruppe mit 130 selbst- ständigen Gesellschaften in 54 Ländern. Prozesslösungen für Durchfluss-, Füllstand-, Druck- und Temperaturmessung und digita- le Kommunikation entwickelt das 1953 ge- gründete Unternehmen für Kunden aus den Bereichen Chemie und Energie, Metall und Bergbau, Lebensmittel und Life Sciences so- wie Öl und Gas. 2024 entstanden damit 500 neue Arbeitsplätze, am Jahresende zählte die Gruppe mehr als 17000 Mitarbeiter. 350 Millionen Euro, und damit so viel wie noch nie, investierte Endress und Hauser in neue Gebäude, Anlagen und IT. In diesem Jahr werden sogar mehr als 550 Millionen „Ich mache immer Pläne, bin aber sicher, dass es dann anders kommen wird…“ 47 UNTERNEHMEN 7+8 | 2025 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten
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