Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'25 - Hochrhein-Bodensee

42 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2025 UNTERNEHMEN schon vor Ort sind, oder ob der Betrieb Ar- beitskräfte extra herholt. Als größte Hürden benennen die Betriebe laut einer NUiF-Studie die komplizierten Verfahren und Vorschrif- ten rund um Arbeitsmarktzugang und Auf- enthaltsstatus, dicht gefolgt von Sprachpro- blemen, dem Mangel an Wohnraum und dem hohen Betreuungsaufwand. „Tatsächlich machen sich manche Arbeitge- ber mehr Gedanken über das Herkommen als über die Zeit danach,“ stellt Sophie Figue- redo-Hardy, Leiterin des Welcome Centers Südlicher Oberrhein, fest. Es sei zwar ver- ständlich, dass Unternehmen sich am Ende der Reise wähnen, wenn der Papierkram geschafft und der neue Kollege endlich da ist, aber das sei zu kurz gedacht. „Für den Mitarbeiter geht dann das Abenteuer erst richtig los.“ Der Kulturschock wird gerne unterschätzt – von Fluchterfahrungen ganz zu schweigen. „Wir raten Unternehmen deshalb, dem Neuankömmling für die erste Zeit eine An- sprechperson zur Seite zu stellen. Jemanden im gleichen Alter, mit ähnlichen Interessen,“ sagt Ramona Shedrach, Beraterin im Wel- come Center Schwarzwald-Baar-Heuberg. Insbesondere in ländlichen Regionen können Wochenenden sehr einsam sein, wenn der Anschluss zu Vereinen oder zum Dorfleben nicht gelingt. Routine setzt ein Ein alter Hase, wenn es um das Beschäf- tigen internationaler Belegschaften geht, ist Michael Steiger. Der Vize-Präsident der IHK Schwarz- wald-Baar-Heuberg und Mitglied im Dehoga-Präsidium betreibt gemeinsam mit Partnern drei Irish Pubs und Restaurants in Tuttlingen, Villingen und Schwenningen. Aus rund 20 Nationen stammt seine 100 Mitar- beiter starke Belegschaft. EU-Bürger, aber auch Menschen aus aller Welt mit gängigen Bleiberechten, mit Flüchtlingsstatus oder an- deren Asylrechten. In letzter Zeit bekomme er deutlich mehr Anfragen von Geflüchteten, ven der DIHK, bei denen sich Unternehmen Rat holen können, wenn sie Zugewanderte oder Geflüchtete beschäftigen möchten. In der Region selbst stehen die IHKs und die Welcome Center Betrieben zur Seite – vor, während und auch nach dem Einstellungs- prozess. Denn, das gehört zur Wahrheit dazu, das Rek- rutieren und Integrieren von Mitarbeitern aus dem Ausland stemmen Unternehmen nicht mit links. Egal, ob es um Geflüchtete geht, die berichtet der Gastronom. Vermutlich wegen der Einführung der Bezahlkarte, durch die Flüchtlingen Bargeld zum Versenden in die Heimat fehlt. Keine Angst vor dem Papierkrieg Der Papierkram schreckt Steiger schon lan- ge nicht mehr. „Die Bewerber bringen ihre Aufenthaltsgenehmigung mit, die zeigt, was erlaubt ist. Dann geht’s zum Amt für eine Ar- beitsgenehmigung. Das dauert mal län- ger oder geht – wie zurzeit – auch mal schneller“, erklärt der Gastronom ent- spannt. Der Wegfall der Vorrangprüfung habe einiges verein- facht. Viele Mitarbeiter mit Fluchtgeschich- te sind als angelernte Hilfskräfte im Spül- dienst oder beim Salat eingesetzt, andere entwickeln sich weiter. So wie Sulayman Sey. Der heute 43-Jährige kam vor zehn Jahren aus Gambia nach Deutschland, landete als Asylbewerber in Tuttlingen und begann im Irish Pub als Spüler. „Als 2017 die erste Ab- schiebewelle losging, hatte ich Angst, dass sie mir den Sühle rausschmeißen“, erzählt „Die ersten Jahre mit der neuen Sprache waren schwer. Aber ich habe bis zum Umfallen gelernt!“ PRAXISTIPPS Wie man geflüchtete Menschen im Betrieb gut ankommen lässt: Das hat unsere Autorin bei ihrer Recherche immer wieder gefragt. Hier sind ihre wichtigsten Do’s und Dont‘s aus vielen Gesprächen: So kann’s klappen • Dem Neuen einen Mentor an die Seite stellen • Belegschaft frühzeitig informie- ren und einbinden • Klare Haltung für Integration und gegen Diskriminierung zeigen • Führungskräfte sensibilisieren • Hürden und Fehlerquellen einplanen • Integration als Teamaufgabe verstehen und organisieren • Belegschaft mit Freiräumen ausstatten • Keine Extrawürste. Alle An- gebote stehen der gesamten Belegschaft offen So geht’s ziemlich sicher schief • Onboarden auf Sparflamme • Einfach laufen lassen • Schnelle Wunder erwarten • Der Belegschaft das Integrieren noch zusätzlich aufbürden • Problemen nicht nachgehen • Zu früh aufgeben

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