Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'25 -Südlicher Oberrhein
13 KOPF DES MONATS MENSCHEN D ie gelben Sessel hat Fabienne Maier für ihr Büro ausgesucht, weil die Far- be sie an eine Bushaltestelle denken lässt – als würde sie nicht schon genug über Busse nachdenken. Schon bevor man das Büro der Geschäfts- führerin von Maier Reisen betritt, ahnt man, was für ein Unternehmen sich am Rande von Villingen angesiedelt hat. Jede einzel- ne der weißen Türen im Gebäude trägt eine Beschriftung im Firmen-Blau und ein Halte- stellen-Symbol. Maier Reisen ist ein Busun- ternehmen mit zwei Standbeinen. Das eine Standbein sind weiße Reisebusse, die für Tagesausflüge oder Klassenfahrten gebucht werden können. Das andere Standbein sind blaue Linienbusse, mit denen die Firma Maier als Auftragnehmer den Nahverkehr bespielt. Fabienne Maier führt weiter durch das Ge- bäude. Zehn Uhr morgens und nur ein Mitar- beiter sitzt im Aufenthaltsraum. „Gerade ist unsere Hauptverkehrszeit“, erklärt Maier. Da ist auf dem Parkplatz mehr los. Beim Durchqueren der Werkstatt riecht es nach Gummi und Metall, Abgasen und Kraftstoff. Im Raum dahinter ist die eigene Waschstraße. „Wir waschen mit Regenwas- ser“, erklärt Fabienne Maier stolz. Dann geht die Tür auf und drei dunkelblaue Linienbusse strahlen mit dem Frühlingshimmel um die Wette. Ein vierter Bus fährt gerade durch das Tor. Fahrer und Fabienne Maier lächeln sich zu. Der Generationenwechsel Seit drei Jahren ist Maier Geschäftsführe- rin des Familienunternehmens, das ihr Ur- Urgroßvater 1920 gegründet hat. Schon als Schulkind war sie „die mit den Bussen“, er- zählt sie. Es klingt, als sei ihre Karriere schon vorgezeichnet gewesen. „Ich habe mich erst mit 32 Jahren wirklich entschieden“, wider- spricht die heute 42-Jährige. Ihre Ausbildung hat sie bei einer Bank gemacht, bevor sie in den Familienbetrieb wechselte und Tür an Tür mit ihrem Vater arbeitete. Schon da- mals wusste sie, dass sie eine andere Art Geschäftsführerin werden würde – „das habe ich meinem Vater vor der Übernahme auch gesagt“, erzählt sie und lacht. Und dennoch ist der Generationenwechsel in der Firma geglückt. Denn Vater Maier hat einen klaren Strich gezogen. „Das ist unser Glücksrezept“, sagt die Tochter. So haben sie keine regelmä- ßigen Gespräche über Bilanzen, Mitarbeiter oder Investitionen – und somit auch keine Konflikte über unterschiedliche Ansichten. Ein Rat, den Fabienne Maier weitergeben möchte. „Nur wenn sich die alte Generation ganz aus dem Unternehmen löst, kann man Neues umsetzen“, ist sie überzeugt. Sie ist stetig dabei, ihre eigene Linie ins Un- ternehmen zu bringen. Anfangs war sie be- sorgt, ob nach dem Wechsel der Geschäfts- führung alle 60 Mitarbeiter bleiben würden. Insbesondere als junge Frau in der Branche sei es nicht immer leicht, sagt sie. Doch die Sorge hat sich nicht bestätigt. Alle Mitarbei- ter sind geblieben. Maier ist eine Powerfrau, das sagt sie selbst über sich. Als der Ärmel von ihrem Blazer hochrutscht, wird ein neon-orangenes Arm- band an ihrem Handgelenk sichtbar. Ihre Tochter hat es geknüpft, erzählt sie. Denn neben ihrem Unternehmen meistert sie auch noch ihre Rolle als Mutter. „Es braucht mehr Frauen, die sich trauen, Kinder zu bekommen und trotzdem in die Unternehmensnachfolge einzutreten“, findet Fabienne Maier. Sie hat den Schritt gewagt – einen „täglichen Kraft- akt“ nennt sie es. Damit alles funktioniert, kommt die zehnjährige Tochter täglich nach der Schule zu ihr ins Büro, sitzt neben ihr „Nur wenn sich die alte Generation ganz aus dem Unterneh- men löst, kann man Neues umsetzen“ Foto: Paul Wagner
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ2MDE5