Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'25 -Schwarzwald-Baar-Heuberg
17 4 | 2025 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten W er erfahren möchte, wo ein guter Teil von Deutschlands Unterneh- mernachwuchs herangezogen wird, darf sich tief in den Südschwarzwald begeben. Eingebettet in waldbewachsene Hänge liegt St. Blasien. Kleines Städtchen mit großer Vergangenheit. Mittelpunkt des Orts: ein Kloster mit gewaltigem Dom, des- sen riesige Kuppel eine der größten Europas ist, und mit einer Internatsschule, deren Be- kanntheit bis nach China reicht. Alfred Oetker ist hier zur Schule gegangen, Schriftsteller Ferdinand von Schirach, Regisseur Uli Edel, Journalist Nikolaus Brender, Unternehmer wie Wolfgang Grupp Senior, Caroline von St. Ange und Johannes von Bodman, aber auch Politiker wie Heiner Geißler, Ivo Gönner und Norbert Nothhelfer. 20000 Quadratmeter Nutzfläche Hinein geht es durch ein großes Portal, es folgen Flure mit Marmorböden und Stuck an Decken und Wänden, eine säulenbestan- dene Bibliothek und ein Lesesaal, bei dem gefühlt jeden Moment Harry Potter um die Ecke kommen könnte. Nur der brutalistische Schultrakt mit jeder Menge Sichtbeton und Ziegelstein-Wänden erinnert an eine durch- schnittliche Schule. Das Kolleg ist ein Laby- rinth aus 20000 Quadratmetern Nutzfläche auf vier Etagen. Vereinzelt schlappen an die- sem Dienstagnachmittag Schüler durch die Flure und irgendwo wird gesungen. Seit 1934 betreiben die Jesuiten das Gymna- sium mit Internat in St. Blasien, nur während des Zweiten Weltkriegs gab es bis 1946 eine Unterbrechung. Dem weltweit verzweigten Orden gehört heute das Kloster, der Dom dem Land. Anfangs war das Kolleg ein rei- nes Jungeninternat, später durften zusätzlich externe Schüler die Schule besuchen, noch später auch Schülerinnen. 1989 öffnete das Mädcheninternat. Großer Arbeitgeber in St. Blasien Heute wohnen im Internat etwa 220 Mäd- chen und Jungen zusammen, aufgeteilt in Gruppen nach Alter (beginnend ab der 7. Klasse) und Geschlecht. Die restlichen etwas mehr als 600 Schüler der Privatschule kom- men aus der Umgebung. Klosteranlage und Kolleg gehören mit rund 200 Mitarbeitern zu den größten Arbeitgebern St. Blasiens. Fragt man den Kollegsdirektor, Pater Hans- Martin Rieder, nach der ungewöhnlichen Häufung großer Namen in der Schüler-Ehe- maligenliste des Kollegs, so erklärt er das mit Traditionen. Der Pater begrüßt in seinem Büro. Schwarzes Sakko, weißer Priesterkra- gen, freundlicher Blick hinter randloser Brille, bayerisch gefärbte Aussprache. Der 44-Jähri- ge könnte kaum besser an die Schule passen. Während seiner Arbeit im Bankenwesen ent- schied sich der Finanz- und Wirtschaftsma- thematiker dazu, Priester zu werden. 2020 übernahm er die Leitung des Jesuitenkollegs. Vom Banker zum Pater, vom Unternehmen an die Schule für Unternehmerkinder. Ver- schmitztes Lächeln: „Die Krisendynamiken unterscheiden sich nicht so sehr.“ Traditionell schicken viele, die einmal am Kolleg waren, später ihre Kinder hin, erklärt Pater Rieder. Und sind Mama oder Papa er- folgreiche Unternehmer, sind es die Kinder häufig auch. So kommen Generationen von Unternehmerkindern nach St. Blasien. Au- ßerdem Kinder von Familien, die Wert auf eine Ausbildung legen, die über das normale Maß hinausgeht. „Es gibt hier eine Lernum- gebung, die gewisse Vorzüge hat.“ Denn am Campus geht einiges zusätzlich zum Unter- richt nach Lehrplan: Es gibt Sportverein, Musikschule, Kunstwerkstatt, Kulturverein, Kollegsfernsehen, Debattierclub, Erneuer- bare-Energien-AG. Nur ein paar Beispiele, die Liste ist lang. Privilegiert sei, wer sich ausprobieren und entwickeln könne, wie es am Kolleg St. Blasien möglich sei, sagt der Direktor. Und das mache später oft erfolg- reich. „Wer mit so einem Fundament startet, kann sicherlich viel draus machen.“ Leben, lernen, zusammenraufen Hinzu kommt die Internationalität, die diese Schule von vielen anderen unterscheidet. Schüler aus über 35 Nationen kommen am Kolleg in St. Blasien zusammen. Die Schüler leben, lernen, teils raufen sie sich zusammen und nehmen so aus ihrer Schulzeit nicht nur Das Kolleg St. Blasien mit dem 1768 erbauten Dom des heiligen Blasius. Davor das im Bau befindliche neue Naturwissenschaftliche Zentrum (quadratisches Dach). Bilder: Jigal Fichtner
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