Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'25 - Hochrhein-Bodensee

einer solchen Steuer aufklären, sagt Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäfts- führer der IHK Südlicher Oberrhein. Ergän- zend schlägt er vor, illegale Müllentsorgung noch konsequenter zu kontrollieren und zu ahnden. Selbstverständlich stünden die IHK und die Betriebe hinter dem Ziel, Müll zu vermeiden. Aber: „Die Wirtschaft steht mo- mentan unter enormem Druck“, sagt Wagner. Neue Regelungen wie die Verpackungssteu- er und die 2023 eingeführte Mehrwegpflicht für Bars, Cafés und Restaurants mit Außer- Haus-Service konterkarieren den parteiüber- greifend vereinbarten Abbau von Bürokratie. Hohe Kosten für die Software In Konstanz lebt derweil L’Osteria-Geschäfts- führer Marcus Reichl mit der Verpackungs- steuer. Er bietet soweit möglich Mehrweg- verpackungen an (in die seine Pizzen aber nicht hineinpassen) und er hat Abfallboxen für leere Pizzakartons entwickeln und auf- stellen lassen, denn Ordnung und Sauberkeit sind ein brisantes Thema, gerade an der Ufer- promenade. Dennoch hat Reichl jetzt einen fünfstelligen Betrag für die Implementierung der Steuer in die Abrechnungssoftware auf- bringen müssen. Zur Einordnung: 3,5 Millionen Euro setzt die L’Osteria-Gastronomie am Seerhein jährlich um, 65 Mitarbeiter beschäftigt er. „Die Ak- zeptanz der Gäste ist unterm Strich neut- ral“, berichtet Reichl, der die Steuer auf jeder Rechnung als gesonderten Posten zu 100 Prozent ausweist. Besteuert wird indes nur der To-go-Impuls- kauf vor Ort. Heißt: „Bestelle ich nach Hause, und es fährt ein Auto, das den gleichen Kar- ton bringt, fällt die Steuer nicht an, obwohl der ebenfalls entsorgt werden muss.“ Zudem gebe es zu viele Mehrweganbieter: Hat ein Kunde einen Becher auf Pfandbasis bei ihm erworben, kann er den beim nächsten Imbiss nur zurückgeben, wenn der sich für den glei- chen Anbieter entschieden hat. „Eine bun- desweit einheitliche Regelung würde Effizienz und Akzeptanz solcher Systeme verbessern.“ „Wir könnten mehr machen“ Während in der L’Osteria Schalen von Relevo im Regal stehen, sind es im Veggie-Imbiss Kervan die des Münchner Anbieters Recup. Musa Cebe (67) bietet hier seit 2010 Döner, Falafel und Co. an. Vegan, vegetarisch oder mit Fleisch in Bioqualität - ein vor allem bei Studenten beliebter Laden mit Jahresumsät- zen in mittlerer sechsstelliger Größenord- nung. Cebe sagt: „Wir als Industrieländer verursachen den meisten Müll. Wir könnten schon längst mehr machen.“ Von den Kun- den höre er kaum Reaktionen auf die Ver- packungssteuer, deren Einzelpositionen im kleinen Laden per DIN-A4-Aushang nachzu- lesen sind. „Die Umstellung auf Mehrweg- geschirr muss sich erst noch durchsetzen“, sagt Cebe. Das Verhältnis der über die Theke wandernden Einweg- und Pfandbehälter liege bei 70 zu 30. Rund 600 Euro einmalig und 40 Euro monatlich zahlt er für die Ausstat- tung mit dem Recup-Equipment. Mehrweg profitiert Die Firma Recup hat von den neuen Regeln des Gesetzgebers durchaus profitiert und einige Dutzend neue Partnerbetriebe gewon- nen. Förderlich war, dass die Tübinger Stadt- verwaltung die Einführung des Pfandsystems bei den Gastronomen unterstützt hat. Auch Konstanz hat einen Fördertopf eingerichtet – gefüllt mit 60000 Euro. Maximal 500 Euro können Betriebe beim Amt für Klimaschutz beantragen. Aber was bringt das Ganze nun? Nach der Einführung habe man festgestellt, dass „deutlich weniger Müll um die Mülleimer herumliegt und die sperrigen Verpackungen die Mülleimer nicht mehr verstopfen“, teilt Nicole Romey von der Tübinger Stadtver- waltung mit. Dies zu quantifizieren, sei aber nicht möglich, da die „leichten Verpackungen ein kaum messbares Gewicht in den Contai- nern haben, sodass man den Müll händisch sortieren müsste, um Zahlen zu ermitteln“. Einfacher festzustellen sind die Einnahmen aus der Verpackungssteuer: Die lagen 2022 bei knapp über einer Million Euro. Die Kon- stanzer Stadtkämmerei rechnet für 2025 mit jährlichen Einnahmen aus der Verpackungs- steuer in Höhe von 300000 Euro, ab 2026 mit 600000 Euro. Benedikt Brüne L‘Osteria-Geschäftsfüh- rer Marcus Reichl und Imbiss-Betreiber Musa Cebe: Die Konstanzer Gastronomen haben sich mit der Verpackungs- steuer arrangiert und hoffen auf mehr Akzep- tanz in Sachen Mehrweg. 49 4 | 2025 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Bilder: Benedikt Brüne (2); Adobe Stock/Iuliia Pilipeichenko

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