Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'25 - Hochrhein-Bodensee
Nach der Bundestagswahl Was die Wirtschaft jetzt erwartet Der Wahlkampf ist durch – und doch gucken wir derzeit alle gespannt nach Berlin. Was machen Merz und Co. mit diesem Wahlergebnis? Um das ein bisschen einzuordnen, skizzieren die IHK-Präsidenten der Region ihre Erwartungen für die nächsten Monate. D eutschland hat gewählt. Jetzt geht es in die Koalitionsverhandlungen und darum, die Weichen in Sachen Wirtschaftspolitik richtig zu stellen. Was für Unternehmer besonders wichtig ist und wie man von Krisen- wieder in Aufbruchsstim- mung kommen kann, das haben wir die drei Präsidenten der Industrie- und Handelskam- mern im Südwesten gefragt. Dabei haben wir Antworten bekommen, die in den nächsten Wochen immer mal wieder mit der politi- schen Debatte in Berlin abgeglichen wer- den können. Man kann Transformation, man weiß um die Anpassungsfähigkeit der Industrie – wohl da- her blickt Birgit Hakenjos optimistisch auf die nächsten Monate. „Es gibt viele gute Gründe, auf ein positives Jahr 2025 hinzuwirken“, sagt die Präsidentin der IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg. Sie hofft darauf, dass nach dem Regierungswechsel Wirtschaft und Politik zu einer neuen Form der Kooperation finden: „Unsere Wirtschaftspolitik muss mit dem Mit- telstand zusammenarbeiten und nicht gegen ihn. Wir brauchen eine Politik, die klar und deutlich sagt: Wirtschaft first!“ Mehr Investitionen Ganz wichtig dafür aus Sicht der Wirtschaft: Investitionen – und ein Umschichten der öffentlichen Haushalte. „Unternehmer und Beschäftigte erwarten einen achtsamen Umgang mit knapp 1.000 Milliarden Euro Steuergeldern“, stellt Thomas Conrady fest, der Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee. Und achtsam bedeutet in diesem Sinne: weniger konsumptive Ausgaben, mehr In- vestitionen in Infrastruktur, in Sicherheit und in Zukunftstechnologien. Der gleichen Meinung ist auch Birgit Hakenjos: „Straßen und Schienen sind zu bauen, Tunnel und Brü- cken zu sanieren, Breitbandkabel zu legen: Deutschland muss investieren und seinen Sanierungsstau lösen!“ So sieht’s auch Eberhard Liebherr, der Prä- sident der IHK Südlicher Oberrhein, dem vor allem die digitale Infrastruktur Deutschlands Sorgen bereitet: „Ohne leistungsfähiges Inter- net können weder unsere Unternehmen noch unsere Region das volle Potenzial ausschöp- fen. Deswegen müssen die digitalen Netze endlich konsequent ausgebaut werden.“ Mehr Beinfreiheit Investitionen allein werden allerdings kaum ausreichen, um Deutschland als Wirtschafts- standort wieder voll wettbewerbsfähig zu ma- chen, da sind sich die drei einig. „Deutschland ist zu teuer und zu kompliziert“, sagt Birgit Hakenjos. Um das zu ändern und in einem intensiven globalen Wettbewerb zu bestehen, brauche es „neue Freiräume“, sagt Eberhard Liebherr. Noch deutlicher formuliert es Tho- mas Conrady: „Unternehmer, Beschäftigte und Bürger brauchen mehr Beinfreiheit und Selbstverantwortung für mehr Chancen durch den Abbau von Stellen im indirekten Bereich und den Aufbau von Stellen im direkten Be- reich der öffentlichen Verwaltung auf Landes-, Bundes und EU-Ebene.“ Mit anderen Worten: Der Staat möge bitte seine Handlungsfähig- keit wiedererlangen und sich auf seine Kern- aufgaben konzentrieren. Mehr Wohnraum Ein weiteres großes Thema ist aus Sicht der Wirtschaft der Wohnungsbau: „Wo es an Wohnraum mangelt, fällt es schwer, Fach- kräfte zu halten oder gar Unternehmen an- zusiedeln.“ Bezahlbares Wohnen und eine nachhaltige Flächennutzung gehören daher für Freiburgs Eberhard Liebherr ganz oben auf die wirtschaftspolitische Agenda. …und eine neue Einstellung Es gäbe noch viele Punkte aufzulisten, die aus Sicht der Wirtschaft für den Turnaround 2025 wünschenswert sind. Eine Energiepoli- tik beispielsweise, bei der eine stabile Ener- gieversorgung und der Ausbau erneuerbarer Energien kein Widerspruch sind. Oder dass man in der gesamten Gesellschaft versteht, dass Fremdenfeindlichkeit keine Probleme löst, sondern nur neue schafft. Nicht auszu- denken, was in der Industrie, auf dem Bau, im Handel oder in der Gastro ohne Ausländer los wäre. All das aber lässt sich in einem Punkt zusammenfassen, der auch Thomas Conrady sehr wichtig ist: „Wir brauchen wieder eine positivere Einstellung zu Leistung!“ „Unternehmer und Beschäftigte erwarten einen achtsamen Umgang mit 1.000 Milliarden Steuergeld“ Bild: Jigal Fichtner 60 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3 | 2025 SERVICE
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