Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Februar'25 -Südlicher Oberrhein

SCHWERPUNKT M it Zahnrädern kennt man sich bei IMS Gear aus. Also damit, wie eins ins andere greift und wie Kräfte übertragen werden. Als eines der führenden Unternehmen im Bereich der Zahnrad- und Getriebetechnik hat man ein tiefes Entwick- lungs-Know-how, eine große Fertigungsbrei- te, Prozesskompetenz und ist international aufgestellt. IMS Gear beschäftigt weltweit 1.500 Mitarbeiter in den USA, Mexiko und China, weitere 1.700 an seinen deutschen Standorten in Donaueschingen, Eisenbach, Trossingen und Villingen-Schwenningen. Wie sich die Krise der deutschen Autobauer und die Veränderungen in China in der Heimat von und auf IMS Gear auswirken, hat Vor- stand Bernd Schilling im Interview erläutert. Herr Schilling, wie macht sich die Krise in der deutschen Automobilbranche in Ihrem Unternehmen bemerkbar? Bernd Schilling: Wir müssen das nach Regi- onen differenziert betrachten. IMS Gear ist mit Standorten in den drei absatzstärksten Automobil-Regionen vertreten: in Europa mit unseren Standorten in Deutschland, in Nordamerika mit zwei Werken in den USA und einem Werk in Mexiko sowie in China, dem Land mit den weltweit höchsten Absatz- zahlen für Pkw. In Westeuropa und speziell in Deutschland ist der Markt nach wie vor schwach, von Unsicherheiten geprägt, der Umstieg auf Elektromobilität verläuft schlep- pend. Insofern liegt hier die Ursache im Markt, das betrifft alle Hersteller, auch die deutschen. Bei uns führt die Absatzschwä- che zu Unterauslastung in der Produktion. In China ist der Automobilabsatz auf hohem Niveau stabil, jedoch verlieren hier fast alle internationalen Hersteller, darunter auch die deutschen, allen voran VW, massiv Markt- anteile an lokale chinesische Hersteller. Wir spüren das in abgeschwächter Form in un- seren Umsätzen, da wir zu etwa 60 Prozent an internationale OEMs liefern. Der nord- amerikanische Markt hat sich 2024 dagegen sehr positiv entwickelt, auch die deutschen Hersteller haben davon profitiert. Wie hoch sind die Auftragsrückgänge und welche Gegenmaßnahmen mussten Sie ergreifen? Die Marktschwäche äußert sich in geringe- ren Bestellmengen und damit unterausgelas- teten Produktionslinien. Uns fehlen weltweit etwa 15 Prozent Umsatz zu einer guten Aus- lastung. Bereits seit der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen massiven Um- satzrückgang stellen wir uns den Herausfor- derungen des schwierigen Marktumfelds. Wir haben früh die Kapazität angepasst, par- allel optimieren wir Prozesse und Strukturen, um effizienter zu werden und die Kosten zu senken. Bezogen auf den Standort Deutsch- land begegnen wir dieser Unterauslastung mit einer Reduzierung der Anzahl unserer Business Units von derzeit neun auf sieben: Zwei in unserem Werk in Eisenbach angesie- delte Business Units werden bis Jahresende 2025 in unsere Werke in Villingen-Schwen- ningen und Trossingen umziehen und in be- stehende Business Units eingegliedert. Ein Stellenabbau ist mit dieser Produktionsver- lagerung nicht verbunden. Sondern? Den stark schwankenden Kundenabrufen begegnen wir mit einer Anpassung der Schichtmodelle in unseren Produktionsbe- reichen. Zudem greifen wir zeitlich begrenzt und jeweils auf einige wenige Business Units bezogen auf Kurzarbeit zurück. Darüber hi- naus sind keine Neueinstellungen geplant. Ihre Rolle als industrielle Wachstumslo- komotive wird die deutsche Autoindustrie künftig kaum mehr wahrnehmen können. Wie richten Sie Ihr Geschäft vor diesem Hintergrund neu aus? Die Automobilbranche mit einem jährlichen weltweiten Absatz von 90 Millionen Neuwa- gen bleibt ein Schwerpunkt für IMS Gear, mittel- bis langfristig bietet dieser Markt uns weiterhin Wachstumschancen. Wir versor- gen über unsere internationalen Standorte den weltweiten Markt, das reduziert unsere Abhängigkeit von der deutschen Entwick- lung. Auf Deutschland bezogen setzen wir parallel auf neue Entwicklungen im indus- triellen Sektor außerhalb von Automotive, basierend auf unserem modularen Baukas- ten für Planetengetriebe. Wir sind hier hin- sichtlich Branchen bereits breit aufgestellt und sehen speziell in diesem Bereich der Industrieanwendungen Wachstumspotential. Inwiefern verändern sich angesichts der Transformation hin zur Elektromobilität Technologien und Produktion in Ihrem Unternehmen? Die Elektromobilität wird bei Pkw die Mo- bilität der Zukunft sein, das ist aus unse- rer Sicht klar. Noch nicht klar ist, bis wann dieser Wechsel vollzogen sein wird. Derzeit verläuft der Absatz an reinen Elektroautos eher schleppend. Mit unseren Produkten im Automobilsektor adressieren wir die Themen Komfort, Sicherheit und Effizienz. Diese The- menfelder haben Bedeutung unabhängig von der Antriebsart und das drückt sich darin aus, dass Sie unsere Produkte in allen Fahr- zeugen finden, egal ob Verbrennungsmotor, Hybrid- oder Elektroantrieb. Wie schätzen Sie die Folgen ein, wenn Donald Trump 25 Prozent Zoll auf Waren aus Mexiko erhebt, wo viele deutsche Zulieferer produzieren? Wir sind seit mehr als 20 Jahren sowohl in Mexiko als auch in den USA mit Produktio- nen vertreten und sind damit in der Stand- ortfrage, die ja nicht nur politischer Natur ist, grundsätzlich flexibel. Die Frage im Zusammenhang mit der neuen Regierung in den USA ist, ob und wie das nordameri- kanische Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko fortgeführt wird. Das wird letztendlich darüber entscheiden, inwiefern Mexiko auch in Zukunft die verlän- gerte Werkbank für den US-Markt sein wird. An welcher Stellschraube soll die deut- sche Politik in erster Linie drehen, um Ihr Unternehmen zu unterstützen und Arbeitsplätze in der Region zu sichern? Insgesamt haben sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen in Deutsch- land und damit die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stark verschlech- tert. Die eine Stellschraube gibt es nicht. Steigende Energie- und Arbeitskosten auf international höchstem Niveau, hohe Steu- erbelastungen, überbordende Regulierung – auch seitens der EU aus Brüssel – sowie Defizite bei analoger und digitaler Infrastruk- tur, um nur einige wesentliche Faktoren zu nennen, drohen den Wirtschaftsstandort Deutschland ins Hintertreffen geraten zu las- sen. Die Politik müsste also gezielt an meh- reren Stellschrauben drehen, um den Wirt- schafts- und Industriestandort Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten. 13 2 | 2025 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten

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